Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
Foto: Adobe Stock/©elis Lasop

«Frankfurter Rundschau» zu Isolierung als Kollektivstrafe

Mit Finnland hat Wolodymyr Selenskyj einen Verbündeten gefunden für seine Forderung nach einem Einreiseverbot für alle Russen in die EU.

Wer wollte dem Präsidenten und seinen Landsleuten die dahintersteckende Wut verdenken, wenn die Ukraine in Schutt und Asche gelegt wird und zugleich russische Steuerzahler für diese Aggression entspannt den Louvre bestaunen oder an der Riviera baden. Genauso ernst aber müssen die EU-Länder die einhellige und eindringliche Warnung der in Russland für Humanität, Menschenrechte und Frieden kämpfenden Oppositionellen nehmen. Sie sehen sich durch Isolierung als Kollektivstrafe mit ihren ohnehin bescheidenen Möglichkeiten auf dem Weg zu nordkoreanischen Verhältnissen. Das kann niemand wollen. Es bleibt richtig, Sanktionen gezielt und hart gegen die Verantwortlichen aus dem Putin-Regime zu richten, die in der Konsequenz auch den russischen Alltag treffen müssen. Der Schritt zur Abstrafung allein wegen nationaler Zugehörigkeit wäre aber die falsche Richtung.


«Stuttgarter Zeitung» zur Bilanz von Scholz

Immerhin hat Scholz mit einem durchaus souveränen Auftritt ein Etappenziel erreicht.

Wenn da nicht eine dunkle Wolke wäre, die schon seit Langem mit ihm zieht. Die Cum-Ex-Affäre ist noch keineswegs ausgestanden, und niemand kann vorhersagen, welche Geschichten sich noch hinter der Entdeckung von 200000 Euro im Schließfach des Hamburger Ex-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs verbergen. Es ist kein Zufall, dass nur an dieser Stelle der sonst selbstsichere Kanzler für einen Augenblick seine Contenance verlor.


«Handelsblatt» zu verlängerte AKW-Laufzeiten

Es geht in Deutschland nicht darum, eine Renaissance der Kernkraft auszurufen.

Es geht darum, eine akute Krise zu bewältigen, die den Industriestandort Deutschland schon jetzt in seinen Grundfesten erschüttert. Dabei wird es nicht ausreichen, die drei letzten Kernkraftwerke in Deutschland im Streckbetrieb mit den alten Brennstäben noch einige Wochen über das Jahresende hinaus laufen zu lassen (.) Der Streckbetrieb hilft nicht weiter, der übernächste Winter stellt die größere Hürde dar. Darum dürfen die Grünen das Einbauen neuer Brennstäbe nicht zum Tabu erheben. Neue Brennstäbe würden einen Weiterbetrieb der drei Anlagen für drei bis fünf Jahre bedeuten - vorausgesetzt, man leiert die Beschaffung der Brennstäbe jetzt an. Erst mit dieser Perspektive dürften auch die Betreiber zu ködern sein. Sie schafft Planbarkeit und Motivation. Der Streckbetrieb dagegen ist aus ihrer Sicht komplett unattraktiv. Er ist eine Mogelpackung.


«Münchner Merkur» zu Scholz/Unruhen

In einer Disziplin lassen sich die Deutschen so leicht von niemandem übertreffen: dem Schwarzmalen.

So schwadroniert die grüne Außenministerin Annalena Baerbock von drohenden "Volksaufständen", CSU-Chef Markus Söder malt die "Gas-Triage" an die Wand und die SPD raunt vom "Wutwinter", der angeblich besonders dann dräut, wenn FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner nicht nur den Allerärmsten hilft, sondern es wagt, auch die ebenfalls geplagte Mitte steuerlich zu entlasten. Geht's noch? Alle, die so schwätzen, blasen aus Unbedarftheit - oder, schlimmer, aus billigem innenpolitischen Kalkül - Wind in die Segel des Kriegsverbrechers Putin. Er setzt ja gerade auf die "deutsche Angst" und darauf, den Krieg in unsere Straßen tragen. Der Kanzler hat das Richtige getan, als er die Paniker gestern zur Ruhe ermahnte. Es kommt jetzt auf Zusammenhalt und Solidarität mit den Hilfsbedürftigen an. Ein Charaktertest, ja, aber unser Land muss und wird ihn bestehen.


«Trud»: Ende des Ukraine-Kriegs wird mit Putin vereinbart

SOFIA: Mit einem möglichen Ende des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine befasst sich am Donnerstag die bulgarische Zeitung «Trud». Das Blatt schreibt unter anderem:

«Welches Ende auch immer dieser Krieg haben mag, wird es von den Weltlenkern vereinbart und legitimiert werden - zusammen mit dem russischen Präsidenten (Wladimir) Putin und Außenminister (Sergej) Lawrow. Diese Menschen, die verteufelt wurden, werden wie Gleiche akzeptiert werden - und als Teil der Entscheidung, dass der Krieg endet. Dies wird für viele Menschen enttäuschend sein, die Welt wird aber nicht durch emotionelle Impulse bewegt, sondern von Kaltblütigkeit, Rationalität und Legitimität. Es mag uns nicht gefallen, wir müssen es aber akzeptieren. Was Europa anbetrifft: Wir danken für die Ohrfeige zum Aufwachen! Es war eher eine Tracht Prügel. Wir haben die Chance, manche Lektionen zu lernen, und es wird gut sein, es zu tun.»


«Neatkariga Rita Avize»: Symbolische Botschaft auch an Russland

RIGA: Zum Besuch von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Lettland schreibt die national-konservative lettische Tageszeitung «Neatkariga Rita Avize» am Donnerstag.

«Austin hätte seinem lettischen Kollegen bereits über eine sichere Kommunikationsleitung alles mitteilen können, was er zu sagen hatte. Auch wäre es möglich gewesen, ein Remote-Meeting über Zoom oder eine andere Anwendung abzuhalten, wenn es auch notwendig ist, mit dem Staatspräsidenten und Regierungschef von Lettland zu sprechen. Doch er kam persönlich und verbrachte zwei Tage in Lettland. Und das war nicht nur eine Botschaft an die lettische Gesellschaft: Seid versichert, die USA passen auf Euch auf. Sondern auch eine Botschaft an Russland: Seht, wo wir uns befinden. In einem Nato-Grenzstaat und nur 500 Meter von Eurer Botschaft in Riga entfernt.»


«Irish Times»: Der juristische Druck auf Trump wird stärker

DUBLIN: Zu den Ermittlungen gegen US-Präsident Donald Trump meint die in Dublin erscheinende «Irish Times» am Donnerstag:

«Der juristische Druck auf Donald Trump wird immer größer. Eine Anklageerhebung im Zusammenhang mit den zahlreichen Ermittlungen gegen den ehemaligen US-Präsidenten steht zwar noch aus, aber alles deutet darauf hin, dass sie nicht mehr weit entfernt sein kann. (...) Erwartungsgemäß haben Trump und seine Verbündeten Zeter und Mordio geschrien und von einem Missbrauch des Justizministeriums als Waffe, einem Angriff auf die Demokratie und einer nie dagewesenen politischen Hexenjagd gesprochen. Das ist in der US-Politik sicherlich ungewöhnlich, wobei auch Trump selbst ja ziemlich einzigartig ist. (...) Ob all dies für Trumps Wunsch nach einer zweiten Präsidentschaftskampagne hilfreich oder hinderlich sein wird, bleibt weiterhin völlig offen.»


«Le Parisien»: Angst notwendig für ökologische Bewusstwerdung

PARIS: Zur anhaltenden Hitze und den Waldbränden in Frankreich schreibt die französische Tageszeitung «Le Parisien» am Donnerstag:

«Diesen Sommer haben die spektakulären Brände, die Trockenheit und der Wassermangel die Bedrohung konkret gemacht, die mit der Erderwärmung einhergeht. Es ist keine abstrakte Information mehr - etwa zwei Grad in zehn oder 15 Jahren - sondern es sind Katastrophen, die Menschen vor unseren Augen leiden lassen. «Die Gefahr rückt näher», sagen wir mit einem Knoten im Bauch. «Irgendwann werde ich es sein. Es ist Zeit, etwas zu ändern.» Diese Angst (...), so schmerzhaft sie seien mag, ist zweifelsohne unentbehrlich für unsere ökologische Bewusstwerdung.»


«El Economista»: US-Inflationsrate ist weiterhin inakzeptabel

MADRID: Zur Abschwächung der Inflationsrate in den USA schreibt die spanische Zeitung «El Economista» am Donnerstag:

«Die US-Inflationsdaten haben für eine positive Überraschung gesorgt. Die Teuerungsrate lag im Juli im Jahresvergleich bei 8,5 Prozent und damit deutlich unter dem Wert vom Juni (9,1 Prozent). Diese Abschwächung übertraf alle Erwartungen. Es zeigt sich, dass die entschlossenen Zinserhöhungen der Federal Reserve zum Ziel führen. Wer jedoch glaubt, dass die von Jerome Powell angeführte Institution sich nun entspannen kann, der irrt gewaltig. Eine Inflation von über acht Prozent ist nach wie vor inakzeptabel. Zudem sind die Prognosen, dass sie im nächsten Jahr immer noch über drei Prozent liegen wird, besorgniserregend. Es ist daher zu erwarten, dass die US-Notenbank die kräftigen Zinserhöhungen, die es im letzten Monat gab, fortsetzen wird.»


«Jyllands-Posten»: FBI gibt Trump ein Martyrium

AARHUS: Die rechtsliberale dänische Tageszeitung «Jyllands-Posten» (Aarhus) kommentiert am Donnerstag die Durchsuchung des Anwesens des früheren US-Präsidenten Donald Trump in Florida:

«Mit gutem Grund wollen viele Donald Trump gerne aus der Politik und in die Geschichtsbücher befördert sehen. Es ist jedoch bemerkenswert, wie viel Energie seine politischen Gegner unter den Demokraten auf die Person Trump verwenden. Das eine ist, den Verlauf des Sturms auf den Kongress aufzudecken. Etwas ganz anderes ist die Durchsuchung in Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Palm Beach. Weder Justizministerium noch FBI wollten der Öffentlichkeit die Hintergründe davon verraten. Viele Trump-Unterstützer wittern schon eine Verschwörung. Die Geheimhaltung rund um die Aktion nährt bereits Mythen, und von dort aus ist es nicht mehr weit, um ein Martyrium für Donald Trump aufzubauen. Dass die Behörden hinter der Person Trump her sind, ist ein äußerst gefährlicher Schritt, der Kräfte in Bewegung setzen könnte, von der kein vernünftiger Mensch sehen will, dass sie sich entfalten.»


«Rzeczpospolita»: Brücke zur Krim könnte nächstes Angriffsziel sein

WARSCHAU: Zu den Explosionen auf einer russischen Militärbasis auf der Halbinsel Krim schreibt die polnische Tageszeitung «Rzeczpospolita» am Donnerstag:

«Nowofjodorowka auf der besetzten Krim ist mehr als 250 Kilometer von den nächsten Stellungen der ukrainischen Streitkräfte entfernt. Keine ihrer Waffen erreicht diese Entfernung. Auch der Westen hat, zumindest nach offiziellen Verlautbarungen, keine so weit reichenden Raketen an die Ukraine geliefert. Allerdings wurde der russische Militärflugplatz dort von jemandem in die Luft gesprengt. Rund zehn Kampfflugzeuge und ein Munitionsdepot gingen in Flammen auf. Und das alles vor den Augen von Touristen, die beim Sonnenbaden an einem nahe gelegenen Krimstrand sorglos auf ihren Smartphones durch Kriegsberichte scrollten.

Moskau kennt die Wahrheit und behauptet daher lieber, die Explosionen seien Folge eines Verstoßes gegen den Brandschutz. Eine andere Version der Ereignisse würde ein Versagen der russischen Luftabwehr bedeuten. Warum noch mehr Panik schüren? Vor der berühmten Krim-Brücke bei Kertsch stehen die Urlauber ohnehin Schlange, um so schnell wie möglich nach Russland zurückzukehren. Schließlich ist vielen klar, dass sie auf der Halbinsel festsitzen werden, wenn die Ukrainer die Brücke sprengen.»


«Financial Times»: Erdogan sollte sein Blatt nicht überreizen

LONDON: Die Londoner «Financial Times» kommentiert am Donnerstag die türkisch-russischen Beziehungen:

«Der russische Einmarsch in der Ukraine eröffnete dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan die Möglichkeit, den Staatsmann und einflussreichen Vermittler zu spielen. Dem türkischen Präsidenten gebührt zwar Anerkennung dafür, dass er ein Abkommen mit Kiew und Moskau ausgehandelt hat, das die Wiederaufnahme von Getreidelieferungen aus ukrainischen Häfen ermöglicht. Aber er hat auch dafür gesorgt, dass bedeutende wirtschaftliche Beziehungen zu Moskau erhalten bleiben. (...)

Jegliche Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Moskau dürfte jedoch die Spannungen mit dem Westen verschärfen, zumal die Türkei bereits die Aufnahme Schwedens und Finnlands in die Nato hinauszögert. Erdogans Haltung ist auch ein Test für die Fähigkeit des westlichen Bündnisses, Sanktionen auf globaler Ebene durchzusetzen. Gelingt es nicht, ein Umgehen von Sanktionen über die Türkei zu verhindern, wäre es umso schwieriger, andere Länder wie etwa China zu zügeln, das sich bisher mit Hilfe für Russland zurückgehalten hat. (...) In seinem geostrategischen Pokerspiel sollte Erdogan sich davor hüten, sein Blatt zu überreizen.»


«NZZ»: US-Sanktionen bewegen Iran kaum zum Nachgeben im Atomstreit

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Donnerstag die Bemühungen um eine Wiederbelebung des Atomabkommens mit dem Iran:

«Allzu lange haben die Amerikaner der Illusion angehangen, dass die Zeit auf ihrer Seite sei. Nicht nur Donald Trump glaubte, als er im Mai 2018 das Atomabkommen aufkündigte, mit seinen Sanktionen die Iraner in die Knie zwingen zu können. Auch Trumps Nachfolger Joe Biden schien lange überzeugt, mit den Finanz- und Handelsbeschränkungen ein Druckmittel zu haben, dass Teheran über kurz oder lang zum Nachgeben bewegen würde. Doch dieses Kalkül ist nicht aufgegangen.

Dabei ist es nicht so, dass die Sanktionen keine Wirkung entfalten. Es ist unbestritten, dass sie der iranischen Volkswirtschaft gravierenden Schaden zufügen und die Entwicklung des Landes lähmen. (...) Das Problem der amerikanischen Sanktionen ist jedoch, dass sie Bidens Verhandlungsposition kaum stärken. Dies liegt daran, dass ihre Aufhebung heute kaum einen Unterschied für Iran bedeuten würde. Denn auch wenn die im Atomstreit verhängten Sanktionen wegfielen, blieben immer noch zahllose andere wegen der Verletzung der Menschenrechte oder Irans Raketenprogramm verhängte Sanktionen in Kraft, die Biden weder willens noch fähig ist aufzuheben.»


«Philadelphia Inquirer»: Gefährliche Reaktion auf Trump-Durchsuchung

PHILADELPHIA: Zur Kritik von US-Republikanern an der Durchsuchung des Anwesens des früheren Präsidenten Donald Trump in Florida schreibt die US-Zeitung «Philadelphia Inquirer»:

«Nach der Durchsuchung von Donald Trumps Anwesen Mar-a-Lago durch das FBI dauerte es nicht lange, bis ein Chor von Republikanern eine ernste strafrechtliche Ermittlung in ein rücksichtsloses und heuchlerisches politisches Spiel verwandelte. (...) Der schamloseste von allen war der Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy (...), der, ohne die Fakten zur Durchsuchung zu kennen, verkündete: «Ich habe genug gesehen.» (...)

McCarthys Äußerung ist besonders gefährlich, weil sie ein politisches Pulverfass anheizt, das bereits während des tödlichen Aufstands vom 6. Januar 2021 überkochte. Der wurde von Trump angezettelt, der fälschlicherweise behauptete, die Präsidentenwahl 2020 sei gestohlen worden. (...) Der schamlose Angriff der Republikanischen Partei auf das Justizministerium und das FBI ist ein gefährlicher Angriff auf unsere Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit. Republikanische Führer und ihre medialen Handlanger bei Fox News und anderen säen Zwietracht, die zu weiterer Gewalt führen könnte. Was muss passieren, damit die Republikaner einsehen, dass Trump ihre Partei zerstört und die Demokratie zum Gespött macht?»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.