Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Missbilligungsantrag

An der Berliner Bildungspolitik gibt es allerlei auszusetzen.

Weil die SPD seit Jahrzehnten das Bildungsressort besetzt, muss sie sich Missstände ebenso ankreiden lassen, wie ihr die positiven Entwicklungen anzurechnen sind. Wenig Einfluss auf die Bildungspolitik konnte die erst seit fünf Monaten amtierende Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) nehmen. Deshalb war der Missbilligungsantrag der CDU im Abgeordnetenhaus übertrieben. Dass die ehemalige Schulleiterin nach ihrem Sprung ins kalte Politik-Wasser Probleme hat, hat auch die Morgenpost oft beschrieben. Dass auch Koalitionsabgeordnete an ihrer Eignung zweifeln, ist bekannt. Aber Rot-Grün-Rot schloss die Reihen, auch wenn sich die Grünen lobende Worte für Busse ersparten und gar nichts sagten. Mit ihrer Holzhammer-Politik hat sich die CDU mehr selbst geschadet.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu EU-Parlament/Verbrennermotoren

(...) Aus Sicht der FDP darf die Bundesregierung im Ministerrat dem Verbrenner-Aus nicht zustimmen, ohne dass eine Öffnungsklausel eingefügt wird.

Diese soll den Absatz von Verbrennern weiterhin ermöglichen, wenn sie klimaneutrale synthetische Kraftstoffe nutzen. Grüne und SPD lehnen solche Offenheit für einen anderen technologischen Weg zum Klimaschutz im Verkehr bisher ab. (...) Die FDP hat hier wie im Streit über eine Extrasteuer für Mineralölkonzerne die Chance, zu zeigen, dass es einen Unterschied macht, wenn Liberale mitregieren. Sie kann und sollte dem Eindruck entgegenwirken, unter die roten und grünen Räder geraten zu sein. (...) Grundkonflikte in einer jungen Koalition auszutragen ist heikel. Die eigenen Wähler zu enttäuschen kann tödlich sein.


«Stuttgarter Zeitung» zu Dudas Hitler-Vergleich

Ist Putin der Hitler unserer Zeit? Diesen Vergleich hat Polens Präsident Duda neu befeuert mit der Frage, warum Kanzler Scholz und sein französischer Kollege Macron immer wieder das Gespräch suchten mit dem Kremlchef.

Es gibt verblüffende Parallelitäten zwischen dem kriegerischen Imperialismus und dem Muster von Putins Propaganda mit den Verhältnissen in Hitlers Reich. Dennoch wäre es faktenwidrig und weltfremd, Putins Ruchlosigkeit mit dessen monströsem Verbrechertum gleichzusetzen. Sie unterscheiden sich in Dimension und Totalität. Gleichwohl wirft Duda berechtigte Fragen auf: Was nützen die Telefonate mit Putin eigentlich? Und warum sollte der Westen seine Interessen bedenken? Auf diese Fragen gibt es widersprüchliche Antworten. Ohne Zweifel ist es aber sinnvoll, alle Gesprächskanäle offen zu halten. Wem nützt es, wenn darauf verzichtet würde?.


«Frankfurter Rundschau» zu Prozess Sepp Blatter/Michel Platini

Gerade läuft vor dem Bundesstrafgericht im schweizerischen Bellinzona ein Prozess gegen die einst mächtigsten Männer im Weltfußball.

Blatter und Platini haben gedacht, sie könnten ihre Verbände Fifa und Uefa in Gutsherrenart steuern. Gentlemen's Agreement hier, Handschlagvertrag da - schon waren ein paar Millionen Franken im beiderseitigen Einvernehmen transferiert. Jahrzehntelang waren die da oben damit davongekommen, ehe eine kritische Öffentlichkeit, hartnäckig recherchierende Medien und unbeugsame Richter Angriffe auf die Komfortzone der Top-Funktionäre richteten. Wer hoffte, die Fifa würde sich danach häuten, sieht sich enttäuscht. Infantino führt den Weltverband noch mehr im Stile eines Sonnenkönigs. Wer sich nicht ekeln will, muss wegschauen. Dabei ist Hinschauen wichtiger denn je.


«Handelsblatt» zu Habecks Pläne zu Steuererhöhungen

Wenn man niedrige und mittlere Einkommen über eine Abflachung des sogenannten «Mittelstandsbauchs» aufkommensneutral entlasten will, so wie der Grünen-Politiker es sich wohl vorstellt, dann müsste der Spitzensteuersatz ab einem zu versteuernden Einkommen von 80.000 Euro brutto im Jahr von 42 auf 57,4 Prozent steigen.

Da würde sich sogar Helmut Kohl verwundert die Augen reiben. In seiner Ära lag der Spitzensteuersatz bei 53 Prozent. Das ist das falsche Signal in einer Zeit, wo der Steuerzahler ohnehin hohe Inflationsraten zu verkraften hat. Während auf der einen Seite das Sanktionsregime gegen Hartz-IV-Empfänger fällt, will der Bundeswirtschaftsminister die leistungsbereite Mitte stärker belasten. Das passt alles nicht mehr zusammen. Man kann es vielen Selbstständigen und Fachkräften nicht verdenken, wenn sie in manchen Momenten an ihren Politikern verzweifeln.


«Münchner Merkur» zu Atom/Lindner

Überraschend am Atom-Vorstoß von FDP-Chef Lindner ist nur, dass er so spät kommt.

Viel zu lange haben die Liberalen geschwiegen, aus Angst, die Grünen zu verärgern und die Ampel-Flitterwochen zu verderben. Wenn die Regierung ihr Wort von der Zeitenwende ernst nimmt, führt an längeren Laufzeiten für die verbliebenen deutschen Atommeiler kein Weg vorbei. Angesichts von Putins Vernichtungskrieg in Europa ist es eine nationale Verrücktheit, kostbares Gas für die Stromgewinnung zu vergeuden und sich selbst einer verlässlichen Energiequelle zu berauben, die Deutschland im Winter dringend braucht, um Blackouts zu verhindern. Es ist ja nicht nur der Mörder im Kreml, der mit der Gas-Waffe fuchtelt. Auch der bisher als Energiereserve verfügbare Atomstrom aus Frankreich wird wegen der fälligen Sanierung vieler französischer AKW bald knapp. Geht die Energiepreisexplosion im Herbst ungebremst weiter, haben nicht nur die Ampelparteien ein Problem, sondern alle Bürger und Betriebe in Deutschland.


«Rzeczpospolita»: Merkel hinterfragt Russland-Politik nicht

WARSCHAU: Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihre Russland-Politik verteidigt. Dazu schreibt die polnische Zeitung «Rzeczpospolita» am Donnerstag:

«Kaum jemand hatte erwartet, dass Angela Merkels Auftritt in einem sensationellen Eingeständnis von Fehlern in ihrer Russlandpolitik gipfeln würde. Aber kaum jemand hatte erwartet, dass die Bundeskanzlerin mit so viel Nachdruck beweisen würde, dass sie sich nichts vorzuwerfen hat, sich nicht entschuldigen will und keine Notwendigkeit sieht, ihre Politik gegenüber Wladimir Putins Russland kritisch zu hinterfragen. Diese Verteidigungslinie jedoch wählte sie.

Während sie anderthalb Stunden lang Fragen des «Spiegel»-Journalisten Alexander Osang beantwortete, zögerte sie nicht ein einziges Mal und ließ nicht den Gedanken zu, dass es auch anders hätte laufen können, dass man Putin auch mit anderen Mitteln hätte stoppen können. Die Schlussfolgerung aus Merkels Erklärungen ist, dass die Ukraine dankbar sein sollte, dass sie dank der Minsker Vereinbarungen sieben Jahre Zeit hatte, sich auf die Abwehr der russischen Aggression vorzubereiten.»


«Lidove noviny»: EU-Parlament entscheidet zu früh über Benziner

PRAG: Das EU-Parlament will von 2035 an keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr auf die Straße lassen. Dazu schreibt die tschechische Zeitung «Lidove noviny» am Donnerstag:

«Sollen wir nun die Traueranzeige für den Verbrennungsmotor bestellen? Man muss sich nur umsehen: Große Segelschiffe sind nicht mehr im Einsatz, genauso wenig wie Dampfmaschinen und Zeppeline. Warum sollten also nicht auch Verbrennungsmotoren abgeschafft werden? Doch die Sache hat einen Haken: Segelschiffe, Dampfmaschinen und Zeppeline wurden durch die Entwicklung erfolgreicher Alternativen verdrängt.

Doch über das Ende des Verbrennungsmotors wird bürokratisch von oben herab entschieden, zu einer Zeit, da die Suche nach einem breit verfügbaren Ersatz noch nicht abgeschlossen ist. Wird es der Elektromotor sein - oder doch die Brennstoffzelle? Wir wissen es nicht.»


«La Repubblica»: Berlin im Alptraum von 2016

ROM: Zur Amokfahrt in Berlin schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Donnerstag:

«Man konnte sich alles vorstellen. Außer ein Déjà-vu des schlimmsten islamistischen Anschlags, der Deutschland je traf. Gestern stürzten die Berliner erneut in den Alptraum des Weihnachtsmarkt-Attentats. Vor sechs Jahren raste der Dschihadist Anis Amri mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge auf dem Breitscheidplatz und tötete 13 (...) Menschen. Und nur wenige Meter von dort ist gestern Morgen um 10.26 Uhr ein 29-jähriger Deutsch-Armenier mit vollem Tempo auf die Passanten, die sich auf dem Bürgersteig des Kurfürstendamms drängten - der traditionellen Luxus-Shopping-Straße - zugefahren, um dann mit dem Fuß auf dem Gaspedal auf der Tauentzienstraße weiterzufahren, ein anderes Auto zu streifen und seine mörderische Fahrt im Schaufenster einer Douglas-Parfümerie zu beenden.»


«WSJ»: Merkel hat Freiheit in Europa einen Bärendienst erwiesen

NEW YORK: Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihre Russland-Politik als Regierungschefin vehement verteidigt. Dazu schreibt das «Wall Street Journal»:

«Selten ist ein außenpolitisches Vermächtnis so schnell und grundlegend diskreditiert worden wie das der früheren deutschen Kanzlerin Angela Merkel. In den 16 Jahren an der Spitze der deutschen Regierung glaubte sie, Wladimir Putins Großmachtbestrebungen mäßigen zu können und machte damit Deutschland und Europa anfällig für seine Erpressung in Bezug auf Energie. Aber was Bedauern angeht, so hat sie nicht viel. Das wurde bei ihrem ersten großen öffentlichen Auftritt seit ihrem Abtritt als Kanzlerin im vergangenen Jahr deutlich. (...)

Es ist schwer, nicht zu dem Schluss zu kommen, dass ihr Versagen ein Grund dafür ist, dass Putin glaubte, er würde auf begrenzten europäischen Widerstand stoßen, wenn er in diesem Jahr versuchen sollte, Kiew einzunehmen. Bloomberg berichtet, dass Scholz nun ihren Rat dabei sucht, wie er mit der Ukraine und Putin umgehen soll. Lassen Sie uns hoffen, dass er sich nicht darauf verlässt. Entschuldigung hin oder her, sie hat der Freiheit in Europa einen Bärendienst erwiesen.»


«De Standaard»: Merkel war Europas Russlandversteherin schlechthin

BRÜSSEL: Zum ersten Interview Angela Merkels nach ihrer Amtszeit als Bundeskanzlerin heißt es am Donnerstag in der belgischen Zeitung «De Standaard»:

«Nein, sie habe sich nichts vorzuwerfen, fand Alt-Kanzlerin Angela Merkel. Es war ihr erster öffentlicher Auftritt, seit sie vor einem halben Jahr die Fackel an Olaf Scholz weitergereicht hat. In dieser Zeit ist Europa schockartig aus dem süßen Traum erwacht, in den Merkel uns gewiegt hatte. Der russische Überfall auf die Ukraine hat Schluss gemacht mit der Illusion, dass Wladimir Putin seinen historischen Anspruch auf dieses Land aufgeben würde. (...)

Deutschland ist eines der wichtigsten Länder in der EU und Merkel war die Russlandversteherin schlechthin: Sie konnte mit Putin auf Russisch und Deutsch reden, beide gehörten zur selben Generation und waren in ähnlichen Regimen aufgewachsen. Am Ende ihrer Amtszeit war Merkel die einzige, die Putin seit dem Beginn seiner Karriere kannte. Deshalb folgte ihr die EU auch, als sie befand, die Europa müsse mit Russland im Gespräch bleiben. Länder wie Polen oder die baltischen Staaten, die resoluter auftreten wollten, wurden als traumatisierte Angsthasen an die Seitenlinie gestellt. (...) Sich vorzustellen, wie die Ukraine heute aussehen würde, wenn Merkel vor zehn Jahren auf den Tisch gehauen hätte, würde wohl bedeuten, im Kaffeesatz zu lesen.»


«El País»: Regierung des Wandels in Israel in Gefahr

MADRID: Zur Lage der sogenannten «Regierung des Wandels» in Israel nach einer weiteren wichtigen Abstimmungsniederlage in der Knesset schreibt die spanische Zeitung «El País» am Donnerstag:

«Die Blockade einer Gesetzgebung, die es den Siedlern (in den besetzten Gebieten) erlaubt, so zu leben, als wären sie in Israel, bedroht nun das Überleben der Koalition. Die nationalistischen und religiösen Parteien können mit einer Rückkehr an die Macht durch ein Misstrauensvotum liebäugeln. Die Besetzung Palästinas ist der Elefant im Raum des israelischen Staates. Aber die sogenannte «Regierung des Wandels» hat es vorgezogen, sich in dieser zentralen Frage nicht mit den Meinungsverschiedenheiten auseinanderzusetzen, um ihr Überleben zu sichern. Paradoxerweise hat (Oppositionsführer Benjamin) Netanjahu, der ein historischer Verteidiger der Rechte der Siedler ist, sich nun dazu entschieden, gegen das Gesetz zu stimmen. Es ist klar, dass er alles seinem Ziel unterordnet, die Mehrparteienregierung von Ministerpräsident Naftali Bennett zu Fall zu bringen.»


«De Telegraaf»: EZB sitzt in der Klemme

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «De Telegraaf» kommentiert am Donnerstag die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB):

«Mit der Zinswaffe lässt sich Geldentwertung zügeln. Deshalb hat die US-Zentralbank Federal Reserve die Zinsen bereits zweimal angehoben. Die Amerikaner haben erklärt, diese Eingriffe seien erforderlich, weil der Arbeitsmarkt viel zu angespannt und die Inflation viel zu hoch sei.

Das sind bekannte Ingredienzien in der Eurozone, ganz sicher auch in unserem Land. Dennoch scheint die EZB nicht vorzuhaben, die Zinsen bereits jetzt anzuheben. Ein solcher Schritt wird erst für den Juli erwartet. Vorher will die Zentralbank erst noch ein Stimulierungsprogramm für die Wirtschaft auslaufen lassen.

Dieses Programm beinhaltet den Ankauf von Anleihen und steht im Zusammenhang mit Corona, lief jedoch schon jahrelang vor der Pandemie. Vor allem die südeuropäischen Mitgliedsstaaten haben davon profitiert. Die Niederlande waren seinerzeit dagegen. Die EZB drückte es durch und sitzt nun in der Klemme. Die niederländischen Bürger müssen jetzt dafür bezahlen. Denn mit jedem Tag, an dem die Inflation nicht eingedämmt wird, verschwindet Geld aus ihren Portemonnaies.»


«NZZ»: Auch als Pensionärin gibt Merkel keine Fehler zu

ZÜRICH: Zum ersten längeren Interview der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Abschied aus dem Amt schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» aus der Schweiz am Donnerstag:

«Es wäre schön gewesen, wenn Angela Merkel bei ihrem ersten größeren Auftritt seit dem Ende ihrer langen Amtszeit einen Gesprächspartner gehabt hätte, der sie nicht anhimmelt. Doch der Kanzlerin außer Diensten saß auf der Bühne des Berliner Ensembles an diesem Dienstagabend ein Journalist gegenüber, der zumindest mit ihr als Gesprächspartnerin außerstande war, vernünftige, also aus einer professionellen Distanz gestellte Fragen zu formulieren.

Nur der Zuschauer, der von dieser Veranstaltung etwas anderes erwartet hat als wohlige Gefühle, fragt sich, was für eine politische Operette da aufgeführt wird. Merkel macht ihre Sache, was bei dem Interviewer kein Kunststück ist, souverän. Natürlich gibt sie an diesem Abend keinen relevanten politischen Fehler zu. Das hat sie 16 Jahre lang im Amt erfolgreich vermieden, damit wird sie als Pensionärin kaum anfangen.»

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.