Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Erste Hilfe an Schulen

Die Forderung der FDP, Erste-Hilfe-Lehrgänge in die Schulen zu holen, ist ein guter Schritt.

Das gibt Kindern ab der siebten Klasse die Möglichkeit zu lernen, wie sie mit sicheren Handgriffen unter Umständen ein Leben retten. Es ist ein Stück Praxis im theoretischen Schulalltag, von dem die Kinder ihr Leben lang profitieren können. Den Katastrophenschutz ebenfalls in den Schulalltag zu integrieren, wie die FDP es fordert, ist dagegen deutlich schwieriger. Eine Katastrophe kann ein Brand sein, eine Flut, ein Sturm, eine Pandemie, ein Krieg, ein Amoklauf - jede dieser Situationen verlangt ein ganz besonderes Verhalten. Deshalb kann ein verpflichtender Projekttag «Katastrophenschutz» für Schüler zwischen der ersten und neunten Klasse dem auch kaum gerecht werden. Hier sollte man lieber darauf vertrauen, dass die Lehrer in den Schulen aktuelle Entwicklungen thematisch in ihren Unterricht aufnehmen. Wenn dazu dann noch weiterhin das praktische Verhalten geübt wird, reicht das völlig aus.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Nato-Erweiterung um Finnland und Schweden

Die Absichtserklärung der Finnen zur möglichst umgehenden Aufnahme in die NATO lässt Putin ein weiteres Mal wie einen blutigen Amateurstrategen aussehen, der sich hoffnungslos verkalkuliert hat.

Mit dem Einmarsch in der Ukraine bewirkte er genau das Gegenteil von dem, was er angeblich wollte: Die NATO ist präsenter denn je vor seiner Haustür. Der Beitritt Finnlands und Schwedens (...) stärkt sofort die Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses und damit seine Abschreckungskraft. (...) (...) Es ist möglich, dass der Kreml den Aufnahmeprozess mit Provokationen aller Art und natürlich der altbekannten Einkreisungspropaganda begleitet. Die Wahrheit aber kann sie nicht verdecken: dass es Putins kriegerischer Imperialismus ist, der nun sogar zwei erzneutrale Länder unter den Schutzschirm der NATO flüchten lässt.


«Frankfurter Rundschau» zu Steuerschätzung:

Folgt man den Steuerschätzenden, können alle Einnahmeerwartungen massiv nach oben korrigiert werden - trotz des Kriegs in der Ukraine, trotz der massiv gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise.

Die Aussichten sind aber höchst unsicher. Niemand weiß etwa, ob Russland den Gashahn nicht doch über Nacht zudreht und die deutsche Wirtschaft damit ins Chaos stürzt. Nur eines ist klar: Der Staat ist der Gewinner der Inflation. Wenn die Preise steigen, nimmt der Fiskus insbesondere über die Mehrwertsteuer mehr Geld ein. Da sich dieser ungerechtfertigte Vorteil für den Staat wegen der hohen Inflationsrate inzwischen auf einen zweistelligen Milliardenbetrag summiert, muss befürchtet werden, dass Christian Lindner am Ende einen Rückzieher macht und die Mehreinnahmen doch behalten will, nur um 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten zu können. Das darf man dem FDP-Politiker nicht durchgehen lassen. Es handelt sich nicht um Steuergeschenke, sondern um Geld, dass den Bürgerinnen und Bürgern zusteht.


«Handelsblatt» zu Subventionen für die Autoindustrie

Erfreulich robust zeigt sich Deutschlands Schlüsselbranche in dem aktuellen Krisenmix aus Pandemie und Krieg, aus fehlenden Halbleitern und steigenden Rohstoffpreisen.

Sie kann mit diesen Unsicherheiten mittlerweile gut leben - denn die Nachfrage nach Autos ist weiter hoch. Die Unternehmen streichen ihre günstigeren Einstiegsmodelle und erhöhen für den Rest die Preise. Das Auto wird zum Luxusgut, und die hohen Gewinne geben den Konzernchefs recht. Umso erstaunlicher ist die Haltung der Politik. Die reagiert immer noch, als stünde die Autoindustrie kurz vor dem Abgrund, gewährt Hilfen und Kaufprämien, als gelte es, den nächsten Crash in Deutschlands Schlüsselbranche abzuwenden. (...) Es ist an der Zeit, das Verhältnis zwischen Politik und Autoindustrie neu zu definieren. Der Staat ist nicht die Vollkaskoversicherung für fehlende Halbleiter oder den schleppenden Verkauf von Elektroautos. Wer wie BMW, Volkswagen oder Mercedes so gut verdient, der sollte seine Probleme selbst lösen können.


«Gazeta Wyborcza»: Ungarn ist Moskaus trojanisches Pferd in der EU

WARSCHAU: Zum Widerstand Ungarns gegen den geplanten Lieferstopp der EU für russisches Öl schreibt die polnische Zeitung «Gazeta Wyborcza» am Donnerstag:

«Die russische Invasion der Ukraine hat zur Folge, dass wir immer mehr über den ungarischen Regierungschef Viktor Orban erfahren. In den ersten Tagen des Krieges zeigte sich, dass er sich Moskau näher fühlt als dem Westen. Er verbot den Transit von Militärhilfe für die Ukraine durch Ungarn und schickte selbst die Armee an die ungarisch-ukrainische Grenze. Er hat auch öffentlich die Verbrechen relativiert, die die Russen in Butscha bei Kiew begangen haben.

Jetzt muss man zu dieser Geschichte noch den hysterischen Widerstand Ungarns gegen die Verhängung des Embargo für russisches Öl hinzuzählen. Orban schwört, dass er allein ungarische Interessen verteidigt, aber in diesem Kontext kann man Ungarn durchaus als trojanisches Pferd der Russen in Europa bezeichnen. Dabei ist Orbans Ungarn ein Geschöpf der EU. Ein Ergebnis ihrer Ohnmacht, ihres Mangels an Mut und Visionen. Sie hat über Jahre die Korruption und Verschwendung von EU-Geldern durch Orbans Verwandte und Kumpanen geduldet.»


«Pravo»: Ukraine-Flüchtlinge sollten für sich selbst sorgen

PRAG: Zu den mehr als 330.000 Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine in Tschechien schreibt die Zeitung «Pravo» aus Prag am Donnerstag:

«Die Flüchtlinge müssen dazu motiviert werden, sich auf eigene Beine zu stellen - in erster Linie, indem sie eine Arbeit aufnehmen. Wer nicht arbeiten will, obwohl er dazu fähig ist, sollte nach einem Jahr den Aufenthaltsstatus verlieren. Die Aufforderung an die Ukrainer muss klar lauten: Bleibt und lebt wie wir oder geht wieder! Dass Tschechien langfristig - etwa ab dem Jahr 2025 - von der Zuwanderungswelle aus der Ukraine profitieren könnte, hört sich zwar gut an, aber die Menschen sind heute mit der Situation unzufrieden. Was Lösungen angeht, ist die Regierung in Verzug. Es geht nicht nur um die Beschäftigung der Flüchtlinge, sondern auch um mangelnde Kapazitäten an Schulen, Kindergärten und Arztpraxen.»


«de Volkskrant»: Inflationsrückgang nach Zinserhöhung ungewiss

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» beschäftigt sich am Donnerstag mit der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB):

«Wenn die Inflation hoch ist, muss der Geldhahn zugedreht und der Zinssatz erhöht werden. Das schreiben die Gesetze der Ökonomie vor. Die Frage ist jedoch, ob diese Gesetze in der gegenwärtigen Situation in vollem Umfang gelten. Nach der Wirtschaftstheorie hätten die niedrigen Zinssätze und die enormen Geldspritzen der EZB in den letzten Jahren zu einer Inflation führen müssen. Das ist nicht geschehen. Der direkte Zusammenhang zwischen Zinsen und Inflation scheint nicht mehr gegeben zu sein. Deshalb ist es auch nicht sicher, dass ein Anstieg der Zinsen zu einem Rückgang der Inflation führen wird.

Im Idealfall führt eine Anhebung der Zinsen dazu, dass Regierungen, Unternehmen und Verbraucher sparsamer werden und weniger Geld in die Wirtschaft pumpen, wodurch die Inflation nicht unnötig angeheizt und sogar gedämpft wird. Im schlechten - und derzeit wahrscheinlicheren - Szenario bleibt die Inflation hoch und es kommt zu einer neuen Schuldenkrise mit rasch steigenden Zinsen und Regierungen, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen können.»


«The Times»: Gewalt wie in Sri Lanka droht auch anderen Ländern

LONDON: Die Londoner «Times» kommentiert am Donnerstag die schweren Unruhen in Sri Lanka:

«Sri Lanka ist nur das erste einer wachsenden Zahl von Entwicklungsländern, die von dem massiven Rückschlag für die Weltwirtschaft betroffen sind, der durch den Krieg in der Ukraine, steigende Rohstoffpreise, Inflation und die Corona-Pandemie verursacht wurde. In der Vergangenheit standen die mit hohen Krediten belasteten Länder zumeist beim Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und dem Pariser Club, einer Vereinigung reicher Gläubigerländer, in der Schuld. Inzwischen ist oft China der wichtigste Geldgeber, dessen räuberische Politik der Vergabe von Krediten an Länder, die oft nicht in der Lage sind, sie zurückzuzahlen, es ihm ermöglicht hat, nationale Vermögenswerte als Sicherheiten zu nehmen.

China kontrolliert bereits den wichtigsten Hafen Sri Lankas als Teil seiner «Perlenkette» von Marinestützpunkten im Indischen Ozean. (...) Auch der Tschad, Äthiopien und Sambia haben bereits Umschuldungen beantragt. Gewalt wie jetzt in Sri Lanka könnte bald auch in anderen überschuldeten Entwicklungsländern zu beobachten sein, die vor dem Ruin stehen.»


«De Standaard»: Stärke der russischen Armee wurde überschätzt

BRÜSSEL: Zum Kriegsverlauf in der Ukraine schreibt die belgische Zeitung «De Standaard» am Donnerstag:

«Nach 77 Kriegstagen stimmen westliche Analysten darin überein, dass die russische Armee weit weniger stark und modern ist, als jeder gedacht hatte. Auch die Strategie, mit der sie in den Krieg zog, war mangelhaft. Statt an drei Fronten gleichzeitig anzugreifen - wodurch 120 taktische Bataillone ohne ausreichenden Schutz vorrücken mussten - wäre es aus Sicht der Russen besser gewesen, sich auf eine Angriffslinie zu konzentrieren. Die Vorstellung, dass man ein Land, das größer als Frankreich ist, mit 100.000 wenig motivierten Soldaten überrumpeln kann, hat sich als totale Fehleinschätzung erwiesen. Haben die Generäle ihren Präsidenten hinsichtlich der Wehrhaftigkeit der Ukrainer falsch informiert? Wahrscheinlich. Hat Putin seine Generäle nicht richtig über den Umfang der Operation unterrichtet? Vielleicht. (...)

Hauptziel bleibt der Donbass, aber auch Odessa, die größte Hafenstadt im Süden, wird schwerer unter Feuer genommen. Das deutet darauf hin, dass Putin den gesamten Süden in die Hände bekommen will. Aber macht er dann nicht erneut den Fehler, seiner schwächelnden Armee zu viel aufzubürden? Das müssen die kommenden Wochen zeigen.»


«Washington Post»: Biden muss bei Inflation mit Wunschdenken aufhören

WASHINGTON: Zum Umgang der US-Regierung mit der hohen Inflationsrate im Land schreibt die «Washington Post»:

«Während eines Großteils des vergangenen Jahres hat die Regierung von (US-Präsident Joe) Biden der US- Öffentlichkeit fälschlicherweise erzählt, dass die steigenden Preise nur von kurzer Dauer sein würden. Als klar wurde, dass die Inflation nicht von allein abebben würde, begann das Weiße Haus mit Schuldzuweisungen.

Eines seiner beliebtesten Argumente ist, die Inflation gierigen Unternehmen in die Schuhe zu schieben, die die Preise zu stark anheben. Das ist einfach nicht schlüssig. (...) Was wirklich vor sich geht, basiert auf grundlegenden Prinzipien der Wirtschaftslehre: Es gibt eine hohe Nachfrage nach vielen Dingen und ein unzureichendes Angebot aufgrund der Pandemie, des Krieges in der Ukraine, der Lockdowns in China, der zusammengebrochenen Lieferketten und des Mangels an Arbeitskräften. (...)

Es ist Wunschdenken, dass die Inflation bis zur (Kongresswahl im November) stark zurückgehen wird. Um den Wählern zu zeigen, dass er das Problem im Griff hat, muss Biden mehr tun, als jemand anderem die Schuld an den hohen Preisen zu geben.»


«Tages-Anzeiger»: Europäische Konföderation könnte attraktiv sein

ZÜRICH: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat eine Kooperationsform jenseits der Europäischen Union angeregt. Dazu schreibt der Zürcher «Tages-Anzeiger» am Donnerstag:

«Willkommen in der Europäischen Konföderation! Emmanuel Macron hat diese Woche die Idee eines lockeren Staatenbundes zusätzlich zur EU neu lanciert. Die Zeiten verlangen nach kreativen Ansätzen. Die Ukraine, Georgien und Moldau drängen unter dem Eindruck des russischen Kriegs möglichst rasch in die EU. Frankreichs Präsident mahnt zu Recht, dass bis zu einer EU-Vollmitgliedschaft viele Jahre vergehen könnten. Die Europäische Konföderation könnte eine attraktive Zwischenetappe sein. (...)

Die EU krankt schon lange daran, dass die Beitrittsverfahren immer länger dauern und es zwischen Abseitsstehen sowie Mitgliedschaft kein attraktives Angebot gibt. (...) Die Europäische Konföderation könnte eher ein Forum sein, in dem sich EU-Staaten und der Ring der Freunde auf Augenhöhe begegnen, um Entscheidungen von gemeinsamem strategischem Interesse zu treffen. Das Angebot könnte auch für Briten attraktiv sein, die mit dem Brexit nicht wirklich glücklich werden. Selbst für die Schweiz als Land mittendrin könnte es eine Chance sein.»


«La Vanguardia»: Wieder ein Marcos an der Spitze der Philippinen

MADRID: Die spanische Zeitung «La Vanguardia» kommentiert am Donnerstag die Wahl von Ferdinand «Bongbong» Marcos, Sohn des vor 36 Jahren abgesetzten Diktators Ferdinand Marcos, zum Präsidenten der Philippinen:

«Die Philippinen scheinen die korrupte und gewalttätige Diktatur von Marcos Sr. zwischen 1965 und 1986 vergessen zu haben. Bongbong hat unter dem Slogan «Together we will rise again» Wahlkampf gemacht, der an Donald Trumps «Make America Great Again» erinnert. Aber wie ist es möglich, dass jemand, der eine mit dunklen Erinnerungen belastete Dynastie wiederherstellen will, ohne sich für Taten seiner Familie zu entschuldigen und ohne Zukunftsvision die Wahlen so bequem gewonnen hat? Die Antwort seiner Kritiker lautet: Bongbong steckt hinter einer Kampagne, die seit zehn Jahren über soziale Netzwerke das Image des Regimes beschönigt, das sein Vater Ferdinand und seine Mutter Imelda verkörpern. Dieser Kampagne zufolge waren die Herrscherjahre seines Vaters nicht von Gewalt und Korruption geprägt, sondern von Sicherheit und Wohlstand. Wenn Bongbong jetzt nach seinen Taten und nicht nach denen seiner Vorfahren beurteilt werden möchte, dann muss seine Politik verantwortungsvoller und gerechter als die seines Vaters werden.»


«Der Standard»: Auftreten von Lügnern bei Twitter hat Folgen

WIEN: Zur Ankündigung von Tesla-Chef Elon Musk, im Falle eines erfolgreichen Kaufs von Twitter die Sperre von Ex-Präsident Donald Trump aufzuheben, schreibt die Wiener Zeitung «Der Standard»:

«Tatsächlich scheint Trump das Sprachrohr Twitter mittlerweile nicht mehr zu brauchen, um im Gespräch zu bleiben. Aber: Dass die Firma einst nicht viel stärker gegen Hassrede vorging, hat es ihm erst mit ermöglicht, groß zu werden. Es kann auch den nächsten Trump ermöglichen. Das ist das eine.

Das andere ist das viel breitere Problem, bei dem es nicht nur um Trump, sondern auch um noch radikalere Stimmen geht - und, das zeigt die Corona-Pandemie, auch einfach um schamlose Lügner. Ihr tausendfaches Auftreten in sozialen Medien hat Folgen, und sind sie zahlreich genug, wird ihnen oft geglaubt. Lässt Musk sie schalten und walten, wird das Folgen haben - nicht nur in der Politik, auch im täglichen Leben. »

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Leserkommentare

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