Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

«Tages-Anzeiger»: Europa als Herzensangelegenheit

ZÜRICH: Zur Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor dem EU-Parlament heißt es am Donnerstag im Zürcher «Tages-Anzeiger»:

«Vor allem seit der Finanz- und Eurokrise verfolgt Merkel der Ruf, zur EU ein ausgesprochen nüchternes Verhältnis zu haben. Gerne wurde dies mit ihrer Herkunft als Ostdeutsche begründet. Ganz anders jetzt in Zeiten von Corona und gegen Ende ihrer Amtszeit: Die Bundeskanzlerin scheint Europa wirklich als Herzensangelegenheit entdeckt zu haben. (...)

Es ist das Konzept des «aufgeklärten Selbstinteresses», das gerade in Mode ist. Demnach ist es im Interesse der Nordeuropäer, den vom wirtschaftlichen Einbruch stärker betroffenen Südeuropäern zu helfen. Denn wenn der Binnenmarkt auseinanderbricht, schadet das auch den exportorientierten Volkswirtschaften Deutschlands oder der Niederlande.

Merkel wird da nächste Woche viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, wenn Freitag und Samstag die Staats- und Regierungschefs erstmals wieder zu einem EU-Gipfel zusammenkommen, um über den Corona-Wiederaufbaufonds und einen mehrjährigen Finanzrahmen im Umfang von zusammen 1,8 Billionen Euro zu beraten.»


«Die Welt» zu humanitäre Hilfslieferungen/Syrien

Es geht hier um die Grenzregion zur Türkei. Der Weg nach Europa ist nicht weit. Das wissen auch die Menschen, die hier hinter geschlossenen Grenzen hungern. Es ist alles nur eine Frage der Zeit.

Den vollständigen Kommentar lesen Sie unter: welt.de/meinung


«Berliner Morgenpost» zum Programm/Grüne Dächer

Der für Politik und Verwaltung so wichtige "Mittelabfluss" stockt bei dem Senatsprogramm zur Begrünung Berliner Dächern ebenso wie bei vielen anderen Programmen, die Umweltsenatorin Regine Günther als Beiträge für mehr Klimaschutz aufgelegt hat.

Dafür gibt es nur zwei Erklärungen: Entweder gibt es keinen Bedarf bei Privatleuten und Organisationen. Dann wäre es eine gescheiterte Beglückung, die kaum jemand möchte. Oder die Bedingungen sind so kompliziert, die Bürokratie so abschreckend, dass Bauherren eben ohne staatliche Subventionen ihre Gebäude schöner und grüner machen. Liegen gebliebenes Geld für Ökologie und Klimaschutz weckt gerade in Zeiten der coronabedingten Finanznot Begehrlichkeiten anderer Ressorts. Günther muss also dringend nacharbeiten. Auf Dauer wird es ihr nicht gelingen, Subventionen vorzuhalten, die niemand will.


«Frankfurter Rundschau» zu Verfassungsschutzbericht/Rechtsextremismus

Die Gefahr kommt von rechts. Jahrelang haben gerade Politiker der Union diese Bedrohung relativiert und kleingeredet. Jetzt können sie nicht mehr wegschauen. Denn auch sie sind zur Zielgruppe der Nazis geworden. In Deutschland sind wieder Nationalsozialisten unterwegs, und zwar Tausende. Der aktuelle Verfassungsschutzbericht zeigt in erschreckenden Zahlen, wie der Rechtsextremismus wächst. Diese Nazis greifen die Demokratie und die Demokraten an. Und genau die müssten Politik und Polizei verteidigen. Leider ist kein Verlass darauf, dass alle in den Sicherheitsbehörden ihr Handeln danach ausrichten. Das rechtsextreme Netzwerk, das auf Polizeicomputer zugreift, um Drohungen zu versenden, die Ermittlungen, die bisher im Sande verlaufen - all das lässt Schlimmes befürchten. Diese Nazistrukturen müssen zerschlagen werden.


«Lidove noviny»: Deutschland will seine Vorstellungen durchsetzen

PRAG: Die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien schreibt am Donnerstag zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020:

«Welches Land auch immer dem EU-Rat vorsitzt, Deutschland setzt immer seinen Willen durch. In der Zeit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft wird dies zumindest transparent geschehen - und anständig, wie es in der Ära Merkel üblich ist. Wem das nicht gefällt, soll die Frage beantworten, welcher andere Mitgliedstaat in der Krise ein vergleichbares Hilfspaket aushandeln könnte. Die Kehrseite ist indes, dass Deutschland damit auch seine Vorstellungen von einer moralischen Politik, einer grünen Wirtschaft und einem europaweiten Asylsystem durchsetzen will. (...)

In Deutschland nimmt das Verständnis für diejenigen ab, die keine Migranten aufnehmen wollen. Wird sich die Haltung durchsetzen können, dass wir keine Menschen aus inkompatiblen Kulturen importieren wollen, auch wenn es deswegen zu einer Spaltung innerhalb der EU kommen sollte? Oder wird es eine Möglichkeit geben, sich von den Verpflichtungen freizukaufen? Diese Fragen werden uns während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft begleiten.»


«El País»: Der uninformierteste Mann der Welt

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» wirft US-Präsident Donald Trump in einem Kommentar am Donnerstag vor, durch Desinteresse an Geheimdienstinformationen seinem Land Schaden zuzufügen:

«Der Präsident der Vereinigten Staaten war bis zum Amtsantritt von Donald Trump stets der am besten informierte Mann der Welt. Seine Quelle war die tägliche Unterrichtung des Präsidenten, eine Zusammenfassung der geheimen Informationen, die von den 16 Geheimdiensten gesammelt werden. (...) Donald Trump aber liest die Geheimdienstberichte nicht. Er hört nicht auf die Analysen der Spione, die er ständig mit Einwürfen unterbricht. Er hat sogar eine gewisse Abneigung gegen sie entwickelt, weil er sie für Akteure des sogenannten Deep State hält, die ihm feindlich gesinnt seien.

Seine Aversion gegen das Lesen, seine Einfalt und seine Unfähigkeit, sich auf Gesprächspartner zu konzentrieren und ihnen zuzuhören, sind hinlänglich bekannt. Jetzt sind jedoch zwei schwerwiegende Fälle bekannt geworden. (...) Verlässlichen Medienberichten zufolge erhielt Trump schon vor dem 1. Januar Informationen über den Covid-19-Ausbruch in Wuhan. Und die Informationen über Kopfgelder, die russische Spione den Taliban für die Tötung von US-Soldaten geboten haben sollen, erreichte auch das Oval Office. Aber der Präsident und seine Umgebung haben es nicht gemerkt. Das Weiße Haus reagierte nicht rechtzeitig auf die Pandemie (...) und Trump lobte weiterhin (Russlands Präsidenten Wladimir) Putin.»


«The Independent»: Doppel-Schock durch Corona und Brexit

LONDON: Der Londoner «Independent» kommentiert am Donnerstag die wirtschaftlichen Aussichten für Großbritannien:

«Seit den 1970er Jahren, vielleicht gar seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, hat die britische Wirtschaft keine derart düstere Perspektive mehr gekannt. (...) Der wirtschaftliche Schock könnte kaum größer sein, und er ist noch längst nicht vorbei. Wird Großbritannien in der Lage sein, sich mit Geld leihen und ausgeben, einen Ausweg aus der Doppel-Problematik von Covid-19 und Brexit zu erkaufen? Und was, wenn das nicht gelingt? Das ist etwas, was Finanzminister Rishi Sunak vielleicht mal bei einem Pub-Lunch auf dem (Landsitz des britischen Premierministers) Chequers unter Einhaltung der Abstandsregeln mit Boris Johnson und dessen Chefberater erörtern sollte.»


«Nepszava»: Verständnis für Wut der Belgrader Demonstranten

BUDAPEST: Zu den gewalttätigen Protesten in Belgrad gegen die Corona-Politik des serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic schreibt die Budapester Tageszeitung «Nepszava» am Donnerstag:

«Dabei hat der, der für den Ausbruch der zweiten Pandemie-Welle verantwortlich ist, einen Namen: Aleksandar Vucic. (...) Anfang Mai setzte er die Parlamentswahlen für den 21. Juni an. Von da an war alles erlaubt, selbst Fußballspiele vor 16.000 Zuschauern und Wahlkampf ohne Hürden und Auflagen. In der Wahlnacht feierte die (von Vucic geführte Regierungspartei) SNS ihren überwältigenden Sieg, als gäb's kein Morgen mehr. Der politische Nutzen war wichtiger als die Gesundheit der Menschen. (...) Die Wut der Demonstranten in Belgrad ist verständlich. Sie hätten sich nur einen einzigen Satz von Vucic erwartet: «Ich bitte um Entschuldigung.»»


«Aftonbladet»: Die Harry-Potter-Generation verliert ihre Prophetin

STOCKHOLM: Die sozialdemokratische schwedische Tageszeitung «Aftonbladet» (Stockholm) kommentiert am Donnerstag die Debatte um Transgender-Aussagen von Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling:

«Wenige Bücher haben eine ähnlich große Generation an jungen Menschen geprägt wie Harry Potter. Der Kern der Harry-Potter-Reihe handelt vom Kampf für Gerechtigkeit. Nicht nur Voldemort stellt die Bedrohung dar, sondern das totalitäre System, das er führt. Versteht man Harry Potter, versteht man auch, warum in den vergangenen Monaten eine massive Identitätskrise über das Internet hinweggefegt ist. Autorin J.K. Rowling hat seit langem getwittert, aber etwas ist passiert: Es ging zuletzt weniger um Vermarktung von Rowlings Marken und umso mehr um Geschlechts-, Gender- und Transfragen. «Transfrauen sind keine Frauen», lautet ihre Hauptbotschaft. Es ist, als hätte eine ganze Generation ihre Prophetin verloren. Es sollte Grenzen geben, wie weit man die Körper und Lebenserfahrungen anderer Menschen theoretisieren darf. Minderheiten sind davon seit Jahrtausenden betroffen. All das hat die Harry-Potter-Generation im Gegensatz zu Rowling verstanden. Es geht um Menschenleben. Dazu gibt es keine Kompromisse.»


«de Volkskrant»: Holländischer Humor wurde nicht gewürdigt

AMSTERDAM: Mit Blick auf den Besuch des niederländischen Regierungschefs bei Bundeskanzlerin Angela Merkel an diesem Donnerstag heißt es in der niederländischen Zeitung «de Volkskrant»:

«Im Vorfeld des entscheidenden europäischen Gipfeltreffens über die Wiederaufbaumilliarden zur Überwindung der schweren Rezession ist Ministerpräsident Mark Rutte bei den EU-Regierungschefs ein gefragter Gesprächspartner. Alle versuchen, den «Anführer des Widerstands der Geizkragen» zu einer weniger harten Position zu bewegen. (...)

Der Einsatz ist hoch, es geht um wichtige Interessen. Dass Ruttes erste Auslandsreise seit dem Corona-Lockdown zu Bundeskanzlerin Angela Merkel führt, ist keine Überraschung. Sie spielt nicht nur die zentrale Rolle an Europas Konferenztisch, Deutschland hat derzeit auch noch die Ratspräsidentschaft inne. Zudem muss Rutte etwas wieder gutmachen. Die Bundeskanzlerin war schlicht sauer über sein in ihren Augen «kindisches Betragen» beim letzten EU-Gipfel mit physischer Anwesenheit Ende Februar. Damals erklärte der Ministerpräsident bei seiner Ankunft, er habe sich eine Musikbiografie und einen Apfel mitgebracht, um die Sitzung mit seinen Kollegen durchzustehen. Die wussten diesen holländischen Humor jedoch nicht zu würdigen.»


«Libération»: Corona-Schutzgesten bleiben essenziell

PARIS: Die Möglichkeit einer zweiten Coronavirus-Welle kommentiert die französische Tageszeitung «Libération» am Donnerstag:

«Wird es eine zweite Welle geben? (...)Diese Frage liegt allen Menschen in Frankreich auf den Lippen, wo die Lockerungen wieder etwas Röte in die Wangen getrieben und die Wirtschaft aus ihrer tödlichen Lethargie befreit haben. Die Milde der schönen Tage, die dem Virus zu missfallen scheint, wird von einem deutlichen Nachlassen der Wachsamkeit begleitet. (...) Identifizieren, testen, isolieren: Einzig die «Kriegsdoktrin», auf die sich Ärzte und Politiker verständigt haben, behält ihre Gültigkeit, um dieser Krise, die sich in die Länge zieht, entgegenzutreten. Einen Mund- und Nasenschutz tragen, sich die Hände waschen, den Kontakt zu schwächeren Gesellschaftsmitgliedern meiden. (...) Es ist mehr denn je lebenswichtig, die Corona-Schutzgesten anzuwenden. Gesundheitsnotstand hin oder her.»


«Nesawissimaja Gaseta»: Hat Kramp-Karrenbauer zu schnell verzichtet?

MOSKAU: Zu den Plänen für eine verbindliche Frauenquote in der CDU schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Donnerstag:

«Der Vorstoß der CDU-Vorsitzenden kann als Versuch gesehen werden, ihre Haltung im Zusammenhang mit der Aufgabe ihrer jetzigen Spitzenposition zu überdenken. Kramp-Karrenbauer hatte vor mehr als sechs Monaten angekündigt, nicht länger CDU-Vorsitzende sein und nicht den Stuhl von Kanzlerin Angela Merkel übernehmen zu wollen. Das war auf die niedrigen Umfragewerte ihrer Partei bei allen deutschen Meinungsforschungsinstituten zurückzuführen. Vor dem Hintergrund des erfolgreichen Kampfes gegen die Corona-Pandemie stiegen die Werte der CDU jedoch wieder. Deshalb glauben viele Beobachter, dass Kramp-Karrenbauer zu schnell ihren Verzicht verkündet hatte.»


«De Standaard»: Politik steht schwierigste Phase noch bevor

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Standaard» beschäftigt sich am Donnerstag mit den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie:

«Die Börsen stehen ein Stück höher als beim Tiefpunkt von März-April. Die Kurse basieren auf der Annahme, dass die Infektionslage unter Kontrolle ist. Aber selbst wenn die gefürchtete «zweite Coronawelle» ausbleibt, erwartet uns noch immer eine harte Phase der Anpassung an die neue Normalität. Unternehmen, die nur dank ihrer schwindenden Reserven und staatlicher Beihilfen überleben, stehen vor der Stunde der Wahrheit.

Dabei wird ruhig Blut zu bewahren immer wichtiger. Einerseits müssen da, wo neue Corona-Ausbrüche drohen, schnell Maßnahmen ergriffen werden. Andererseits muss, um unnötigen Schaden zu verhindern, darauf geachtet werden, dass diese Maßnahmen nicht zu sehr ausgeweitet werden. Der Politik steht diese schwierigste Phase einer beispiellosen Krise noch bevor.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.