Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Rundschau» zu Schischow

Bewahrheitet sich der Verdacht, das belarussische Regime habe etwas mit dem Tod des Oppositionellen Witali Schischow zu tun, würde das erneut den verbrecherischen Charakter der Lukaschenko-Diktatur belegen.

Es würde die Reihe von Fällen wie des Aktivisten Roman Protassewitsch oder der Olympionikin Kristina Timanowskaja verlängern, mit denen Minsk versucht, die Opposition einzuschüchtern. Das olympische Komitee hätte nicht nur der Sportlerin helfen sollen, sondern sollte das belarussische Team von den Spielen ausschließen. Das würde Lukaschenko schmerzen, weil er sich mit sportlichen Erfolgen weder schmücken noch bei seinen Anhängern punkten kann. Die EU prüft zu Recht weitere Sanktionen. Zudem sollten alle Staaten, die Oppositionelle aus Belarus aufgenommen haben, sie intensiver schützen. All das mag Lukaschenko nicht stoppen, schon gar nicht, solange der russische Präsident Wladimir Putin seinen Amtskollegen stützt. Es macht Lukaschenko aber das Leben schwer und hilft der Opposition.


«Trud»: EU-Klimapaket wird Fahren konventioneller Autos erheblich verteuern

SOFIA: Zum EU-Klimapaket und seine möglichen Folgen für die Autofahrer schreibt am Dienstag die bulgarische Zeitung «Trud» unter der Überschrift «Mobilität auf Brüsseler Art - schwierigeres und teureres Reisen»:

«Zum Meer fahren, ohne dass man auf den staatlich betriebenen Bus oder - Gott bewahre - Zug warten muss, und sich frei im eigenen Land oder im Ausland bewegen, ist eines der Wunder, die wir mit Enthusiasmus nach dem Regimewechsel in den 90er Jahren (des 20. Jahrhunderts) entdeckten. Insbesondere in den letzten Jahren machen wir uns überhaupt keine Gedanken über die Freiheit, mit dem eigenen Auto da hinzufahren, wohin man will. Diese Zeiten sind auf dem Weg zu enden - vor allem für die statistischen Durchschnittseuropäer und für den Großteil der Osteuropäer.

Die EU-Kommission entschied, dass, nachdem die Bürger nicht zufriedenstellend Elektroautos wollen und nicht mit dem Preis und der Laufstrecke zufrieden sind, sie die konventionellen Verkehrsmittel einfach «durch die Hintertür» abschaffen wird. (...) Das alles geschieht vor dem Hintergrund der jüngsten Wissenschaftsdaten, die der deutsche Autoclub ADAC bekannt gab, wonach in den großen Städten in Deutschland während des Pandemie-Lockdowns und der enormen Verringerung des Verkehrs es keine spürbare Verringerung der Stickstoffoxide-Emissionen gegeben habe.»


«De Telegraaf»: EU sieht tatenlos zu

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «De Telegraaf» beschäftigt sich am Dienstag mit internationalen Reaktionen auf den Drohnenangriff auf einen Tanker im Persischen Golf, für den der Iran verantwortlich sein soll:

«Israel und der Iran befinden sich in einem Schattenkrieg, in dem regelmäßig (Cyber-)Angriffe durchgeführt werden. Israel will zu Recht verhindern, dass die Beinahe-Atommacht Iran als Zahlmeister der Terrororganisationen Hamas und Hisbollah eine dominante Position im Nahen Osten erlangt, und nimmt militärische Ziele ins Visier.

Für den iranischen Angriff auf die zivile Schifffahrt gibt es jedoch keine Rechtfertigung. Er passt in das Muster kriegerischen Verhaltens. Washington und London arbeiten an einer internationalen Antwort.

Angesichts dessen ist es erstaunlich, dass Brüssel tatenlos zusieht. Spielt die EU auf der Weltbühne keine Rolle oder erachtet man die naive Beschwichtigungspolitik gegenüber dem Iran als wichtiger?»


«De Tijd»: Europa muss Unabhängigkeit stärken

BRÜSSEL: Europa müsse die Abhängigkeit von globalen Lieferketten reduzieren, meint die belgische Wirtschaftszeitung «De Tijd» am Dienstag:

«Wenn Europa nach größerer strategischer Unabhängigkeit strebt, muss es die Vorstellung aufgeben, dass Freihandel und offene Märkte international funktionieren. Das ist nicht so. Die Coronakrise hat gelehrt, dass es manchmal zu schweren Lücken in den Zuliefererketten kommt, auch ohne dass dabei politische Hintergedanken eine Rolle spielen. (...)

Es ist nötig, das Ruder herumzureißen. Aber besteht dafür in Europa Konsens? Frankreich bemüht sich schon seit langem, die eigene Industrie auszubauen und zu stärken. Deutschland, das vom Export lebt, hat vor allem Interesse an einer offenen Volkswirtschaft. In Europa gibt es einen Flickenteppich unterschiedlicher wirtschaftlicher Interessen. Dadurch wird es sehr schwer, nach einem einheitlichen Plan vorzugehen. (...) Die Regeln der Globalisierung werden neu geschrieben. Es geht darum, damit klug umzugehen. Das ist kein einfacher Auftrag.»


«Politiken»: Demokratische Hoffnung Tunesien am Rande des Kollaps

KOPENHAGEN: Die liberale dänische Tageszeitung «Politiken» (Kopenhagen) kommentiert am Dienstag die Krise in Tunesien:

«Alle Träume des Arabischen Frühlings von Freiheit, Demokratie und Fortschritt haben sich im Grunde zerschlagen. Gut ein Jahrzehnt danach ist das Leben in fast allen Ländern in der arabischen Welt schlimmer als vorher - weniger frei, immer noch undemokratisch und in Ländern wie Syrien, Libyen und dem Jemen herrscht ein wahrer Alptraum aus Krieg, Chaos und Konflikt. Aber in einem Land haben die Freiheit und die Demokratie überlebt: in Tunesien - dort, wo die Aufstände gegen die arabischen Diktatoren begonnen hatten. Etwas, das nicht nur für das Land selbst entscheidend war, sondern auch demonstriert hat, dass sich sowohl Islam als auch arabische Kultur mit Demokratie vereinen lassen. Umso bedrückender und besorgniserregender ist es, dass sich genau diese Demokratie nun in einer tiefen Krise befindet. Tunesien ist die letzte demokratische Hoffnung der Region. Jetzt befindet sie sich am Rande des Zusammenbruchs.»


«NZZ»: Mehr Gelassenheit in Corona-Debatte nötig

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Dienstag die Debatten um staatliche Corona-Maßnahmen:

«Als Ausweg aus dem Corona-Regime gilt nach verbreiteter Auffassung das Covid-Zertifikat, das den Geimpften, Genesenen und Getesteten mehr ­Freiheiten verschafft wie beispielsweise den ­Zugang zu Großveranstaltungen. Schon gibt es Forderungen, dass der Staat das Zertifikat für weitere alltägliche Lebensbereiche obligatorisch erklären müsse, etwa für die Gastronomie. Jeden freiheitlich gesinnten ­Zeitgenossen muss es bei dieser Vorstellung schaudern. Wenn Gastwirte nur Zertifizierte zulassen wollen, dann sei ihnen dies unbenommen, doch der Staat soll sich hier tunlichst heraushalten. Kommt hinzu, dass derzeit noch offen ist, inwieweit auch Geimpfte das Virus übertragen und die Pandemie damit vorantreiben. (...) Überhaupt wäre in der ganzen Corona-Debatte mehr Gelassenheit und weniger Gehässigkeit angezeigt; das politische Klima ist schon vergiftet genug. Das sollten auch jene Politiker bedenken, die sich augenscheinlich in einen regulatorischen Corona-Wahn hineingesteigert haben und ­Druckmethoden gegenüber impfunwilligen Bürgern propagieren, bei denen einem angst und bange werden kann.»


«La Vanguardia»: Europäisches Unwohlsein wegen Corona-Beschränkungen

MADRID: Die spanische Zeitung «La Vanguardia» kommentiert am Dienstag die Demonstrationen unter anderem in Deutschland gegen Corona-Beschränkungen:

«In Deutschland, Frankreich und Italien gibt es Proteste gegen die Beschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie. Im Westen macht sich Überdruss angesichts der Einschränkungen breit, die unser Leben in einer seit dem Ende des Zweiten Weltkrieg beispiellosen Weise verändern. Es ist verständlich, dass es zu solchen Demonstrationen angesichts des Ausmaßes der Einschränkungen kommt. Nicht jedes Mittel ist gerechtfertigt, um die Pandemie zu überwinden. Wir erleben eine Kollision grundlegender Rechtsgüter: die Erhaltung der Gesundheit und des Wohlstandes einer Mehrheit - das oberste Ziel der Regierenden - und die Achtung der individuellen Freiheiten.

Den Bürgern muss aber mehr Geduld und ein Bemühen um Verständnis abverlangt werden. Und es muss eine eindeutige Garantie geben, dass niemand eine Orwellsche Gesellschaft unterwürfiger Individuen anstrebt, denen die Behörden sagen, was das Beste für sie ist. Wichtig wäre eine breite Debatte über die individuelle Freiheit, das Gemeinwohl und den Erhalt der europäischen Lebensweise.»

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