Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
Foto: Adobe Stock/©elis Lasop

«Rzeczpospolita»: Deutschland ist ein fragwürdiger Freund der USA

WARSCHAU: Zum bevorstehenden Besuch von Kanzlerin Angela Merkel im Weißen Haus schreibt die polnische Zeitung «Rzeczpospolita» am Dienstag:

«Amerika hat keinen besseren Partner, ja keinen besseren Freund in der Welt als Deutschland, versicherte vor zwei Wochen US-Außenminister Antony Blinken. Joe Biden scheint gleicher Ansicht zu sein. Am 15. Juli wird Angela Merkel die erste europäische Regierungschefin sein, die im Amtssitz des amerikanischen Präsidenten empfangen wird. Die Gespräche im Weißen Haus sollen nicht nur mehrere Stunden dauern, sondern auch mit einem feierlichen Abendessen unter Teilnahme der Ehepartner gekrönt werden. Dieses Bild soll die Krise im deutsch-amerikanischen Verhältnis unter Donald Trump beenden: Merkel verlässt im September ihr Amt - als Kanzlerin kommt sie nicht mehr nach Washington.

Allerdings werden sich nur oberflächliche Beobachter davon täuschen lassen. Bidens außenpolitische Priorität ist es, die beiden autoritären Mächte China und Russland im Zaum zu halten. In beiden Fällen hat Merkel enttäuscht. Im Dezember forcierte Deutschland, das damals den EU-Ratsvorsitz hatte, ohne Vorwarnung Washingtons einen Vertrag mit China über Investitionen. Die Kanzlerin war auch nicht bereit, in der Frage der Pipeline Nord Stream 2 nachzugeben.»


«De Standaard»: Rutte hat Folgen der Lockerungen falsch eingeschätzt

BRÜSSEL: Wegen eines starken Anstiegs der Neuinfektionen haben die Niederlande ihre Corona-Maßnahmen wieder verschärft. Dazu heißt es am Dienstag in der belgischen Zeitung «De Standaard»:

«Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte musste Abbitte leisten. Er und seine geschäftsführende Regierung haben die Folgen der zum Sommeranfang verfügten Lockerungen völlig falsch eingeschätzt. Sie begriffen nicht, dass es unvernünftig war, Discos die Wiedereröffnung zu erlauben, bevor ein Großteil der Bevölkerung vollständig geimpft ist. Offenkundig mangelte es zudem an der Kontrolle der Partygänger und es waren gefälschte QR-Codes im Umlauf. Es war ein völliges Durcheinander. Dass damit einem mutierten und ansteckenderen Coronavirus die Chance geboten wurde, sich enorm rasch zu verbreiten, hatten sie nicht erwartet.»


«Nesawissimaja»: Unruhen stellen Kubas Regime auf die Probe

MOSKAU: Zu den Protesten in Kuba schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Dienstag in Moskau:

«Solche Ereignisse hat Kuba seit 26 Jahren nicht mehr erlebt: Tausende unzufriedene Bürger sind auf den Straßen Havannas und in anderen Städten. Ein Teil von ihnen fordert ein Ende dessen, was sie «Diktatur» nennen. Aber es gibt auch jene, die mit der Symbolik der Revolution von 1953 auf die Straße gegangen sind.

Die Hauptkritik an der Regierung dreht sich um materielle Fragen und ist damit in gewisser Hinsicht apolitisch: Für die Bevölkerung sind Geld, Lebensmittel und Strom weit wichtiger als Freiheiten.

Die Probleme haben sich durch die Corona-Pandemie verschärft, weil dadurch der Tourismus als Schlüsselzweig der Wirtschaft praktisch zerstört wurde. Dessen ungeachtet ist ein Machtwechsel auf der Insel bisher nicht in Sicht. Aber die Unruhen und Defizite stellen das Regime Kubas auf die Probe.»


«Kommersant»: Berlin steht bei Selenskyj-Besuch zu Nord Stream 2

MOSKAU: Zu den Gesprächen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Deutschland unter anderem mit Kanzlerin Angela Merkel schreibt die russische Tageszeitung «Kommersant» am Dienstag:

«Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Berlin besucht und dort mit Angela Merkel, die bald als Kanzlerin der BRD aufhört, vor allem den Fertigbau der Gasleitung Nord Stream 2 erörtert. Kiew hofft noch darauf, das Projekt zu stoppen, aber die deutsche Position ist da kompromisslos: Berlin ist theoretisch lediglich dazu bereit, eine Frage der Kompensation für die ukrainische Seite zu diskutieren.

Ihre Hoffnungen richtet die Ukraine vor allem auf die neue Bundesregierung. Allerdings gibt der bisher führende Kanzlerkandidat und CDU-Chef Armin Laschet zu verstehen, dass er den Kurs seiner Vorgängerin fortsetzen will. Und immerhin trat er schon früher mit prorussischen Positionen auf, indem er etwa den Westen für eine «Dämonisierung» Putins kritisierte.»


«The Times»: Proteste in Kuba stellen Biden vor ein Dilemma

LONDON: US-Präsident Joe Biden hat den Demonstranten in Kuba Unterstützung zugesichert. Dazu schreibt die Londoner «Times» am Dienstag:

«Die Proteste und das scharfe Vorgehen dagegen stellen ein Dilemma für die Biden-Administration dar, die bereits damit zu tun hat, auf die Ermordung des Präsidenten von Haiti zu reagieren. Jede Lockerung des Drucks auf Kuba würde nicht nur die kubanischen Amerikaner und die Rechten erzürnen, sondern auch Demokraten verärgern, die das Scheitern von Präsident Obamas Versuch beklagen, die lange Pattsituation zu beenden und die auf der Insel so notwendigen Veränderungen zu ermöglichen.

Washington weiß, dass Verzweiflung und Gewalt sich auf die gesamte Karibik ausweiten können. Es muss daher einen Weg finden, humanitäre Hilfe anzubieten und gleichzeitig die Auswirkungen der Sanktionen zu mildern. Was Washington nicht steuern kann, ist der erwartbare Widerstand der Regierung in Havanna, die in der Krise eine Chance sehen könnte, Kontrollen wieder einzuführen und die kommunistische Zeitschleife fortzusetzen.»


«Svenska Dagbladet»: Die Jungen träumen von einem freien Kuba

STOCKHOLM: Die konservative schwedische Tageszeitung «Svenska Dagbladet» (Stockholm) meint am Dienstag zu den Massenprotesten gegen die Regierung auf Kuba:

«Kuba ist eine der letzten Festungen des Kommunismus in der Welt. Auch wenn es gewisse Liberalisierungen der Wirtschaft gab, gehören Warenknappheit und Stromausfälle zum Alltag. Am Wochenende haben Tausende Demonstranten ihren Unmut über das Regime zum Ausdruck gebracht. Das ist ungewöhnlich - die Kubaner sind ein geduldiges Volk, es ist die größte Protestwelle seit 1994. Regimekritiker gibt es vor allem im jungen Teil der Bevölkerung. Dank des Zugangs zum Internet hat die jüngere Generation eingesehen, dass es Alternativen zu den herrschenden Umständen gibt. Alternativen, die zu Wohlstand und Freiheit führen. Ein Leben, für das es sich lohnt, zu kämpfen. Wenn der Ruf der Freiheit durch die Straßen von Havanna tönt, muss die Welt zuhören.»


«L'Alsace»: Corona-Impfung wird in Frankreich unerlässlich gemacht

MÜHLHAUSEN: Der französische Präsident Emmanuel Macron hat bei einer Fernsehansprache weitere Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus angekündigt. Dazu schreibt die ostfranzösische Regionalzeitung «l'Alsace» am Dienstag:

«Für den Präsidenten als auch für die Franzosen liegt die Priorität darin, einer Welle der Delta-Variante entgegenzutreten, ohne dass dabei die Zahl der Krankenhauseinweisungen in die Höhe schießt. Daher rühren die strengen, einschränkende Ankündigungen Macrons wie die Ausweitung des Gesundheitspasses und die Impfpflicht für Personen, die mit gefährdeten Bevölkerungsgruppen in Kontakt stehen, vor allem Pflegekräfte. Emmanuel Macron setzt immer noch auf die Eigenverantwortung der Franzosen. Auch wenn er die Impfung offiziell nicht für alle zur Pflicht macht, sorgt er doch dafür, dass sie ab nächstem Monat unerlässlich wird.»


«Washington Post»: Kuba gleicht einer tropischen Dystopie

WASHINGTON: Zu den ersten Massenprotesten gegen die Regierung in Kuba seit Jahrzehnten schreibt die US-Zeitung «Washington Post»:

«Über Jahrzehnte haben der kubanische Führer Fidel Castro und seine Nachfolger durch Angst regiert. (...) Am Sonntag überwanden die Menschen zumindest für ein paar Stunden ihre Angst und eroberten ihre Straßen zurück. (...) Fidel Castros Revolution ist zu einer tropischen Dystopie geworden: eine Insel mit reicher Erde, auf der die Menschen hungern; eine Bevölkerung voller Kreativität und Entschlossenheit, eingeschnürt in eine politische Zwangsjacke; eine alternde Diktatur, die sich ohne Legitimität an die Macht klammert. Präsident Biden unternahm am Montag das Richtige, als er eine zurückhaltende Stellungnahme abgab, in der er seine Unterstützung für das kubanische Volk und dessen Wunsch nach Freiheit bekräftigte. Er sollte Maßnahmen in Betracht ziehen, um die humanitäre Krise zu lindern wie die Aufhebung der (unter seinem Amtsvorgänger Donald) Trump erlassenen Beschränkungen bei Auslandsüberweisungen von Migranten. Vor allem aber sollten die Kubaner wissen, dass die Außenwelt mit Bewunderung dabei zusieht, wie sie versuchen, ihr Schicksal selbst zu bestimmen. Ihr Regime sollte wissen, dass die Welt zuschauen wird, wenn es erneut versucht, die friedlichen Bekundungen des Willens der Bevölkerung zu unterbinden.»


«NZZ»: Dank der Gegner kann Laschet punkten

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Dienstag den Wahlkampf von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet:

«Laschet will die bisherigen Wähler Merkels eingemeinden und sich zugleich von der abtretenden Bundeskanzlerin absetzen. Dass der Spagat einigermassen gut gelingt, liegt an den Gegnern. Je näher sich SPD und Grüne in den Umfragen kommen, desto stärker schiessen sich die Sozialdemokraten auf sie ein - und lassen Laschet vom Haken. Und je stärker sich die grüne Spitzenfrau Baerbock ins Knäuel ihrer Plagiate und Falschauskünfte verstrickt, desto leichter wächst der Vorsprung in den Umfragen für CDU und CSU. (...)

Laschet wird der stabilen Seitenlage treu bleiben, solange die Konkurrenz sich selbst zerlegt, ihn denunziert oder anderweitig beschäftigt ist. Adenauers «Keine Experimente» will die Union mit Merkels «ruhiger Hand» zu Laschets gemütlichem Geruckel fortentwickeln. Das ist nicht aufregend, nicht innovativ, nicht mutig, aber auch nicht verstörend, nicht demagogisch, nicht riskant - sieht man von den Folgekosten einer ermatteten Gesellschaft und dem Aussparen neuralgischer Punkte wie der Migrationspolitik ab.»


«El Periódico»: Soziale Explosion in Kuba

MADRID: Die spanische Zeitung «El Periódico» kommentiert am Dienstag die Demonstrationen in Kuba:

«Die soziale Krise, die durch den Mangel an Lebensmitteln und Medikamenten und die Heftigkeit der Corona-Pandemie verschärft wird, bringt das kubanische Regime in eine schwierige Lage. Seit 1994 waren nicht mehr so viele Demonstranten auf den Straßen und die Regierung und die Kommunistische Partei Kubas (PCC) haben seither keinen solch beunruhigenden Aufruf verbreitet: «Der Kampfbefehl ist gegeben: Revolutionäre auf die Straße.»

Die PCC geht davon aus, dass die Fäden von den USA gezogen werden. Tatsächlich haben die noch von Donald Trump gegen Kuba verhängten Sanktionen und der Rückgang des Tourismus wegen der Pandemie Kubas Wirtschaft in die Tiefe gerissen. Seit der Zeit nach dem Ende der Sowjetunion hat es keine Krise wie diese mehr gegeben. Es fehlt an allem, nur 15 Prozent der Menschen sind geimpft, die Entwicklung des Privatsektors stagniert und für die Jüngeren ist der revolutionäre Mythos nichtssagend und ignoriert ihre Sehnsüchte.

Das Castro-Modell auch nach den Castros aufrechtzuerhalten, ist nur durch härtere soziale Kontrollen möglich. Es ist ein Fall politischer Blindheit, die Konfrontation anzuheizen, um ein Gesellschaftsmodell zu retten, auf das sich keine Zukunft bauen lässt.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.

Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.