Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Süddeutsche Zeitung» zur globalen Mindeststeuer

Für die Weltwirtschaft ist das ein Einschnitt, dessen Bedeutung man kaum überschätzen kann.

Schon lange ist es ein Ärgernis, dass große internationale Digitalkonzerne durch das Jonglieren mit Firmensitzen und unterschiedlichen Rechtssystemen ihre Steuerlast minimieren können. Mit dem Ergebnis, dass durchschnittliche deutsche Mittelständler im Verhältnis oft mehr Steuern zahlen als Weltkonzerne wie Google oder Facebook. Im Prinzip ist das Problem als solches erkannt. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), eine Art Thinktank der Industrieländer, arbeitet an konkreten Plänen für eine globale Mindestbesteuerung. Vor allem das Desinteresse der Vereinigten Staaten verhinderte bisher konkrete Ergebnisse. Das hat sich mit Yellens Rede grundlegend geändert. Die US-Regierung will die Globalsteuer durchsetzen. Yellens Vorstoß hat dabei nichts mit Altruismus oder Nettigkeit gegenüber befreundeten Staaten zu tun.


«Corriere della Sera»: Kosovo setzt mit Wahl der Präsidentin Zeichen

ROM: Zur Wahl der 38-jährigen Vjosa Osmani zur neuen Staatspräsidentin des Kosovo schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» aus Mailand am Dienstag:

«Etwas hat sich geändert jenseits der Adria. So hatte Kroatien bereits eine Frau als Präsidentin (...), Serbien hat eine offenkundig lesbische Ministerpräsidentin gewählt, die noch dazu Mutter in einem Land ist, das homosexuelle Adoptionen verbietet, und jetzt umgeht das kleine Kosovo die übliche Konfrontation zwischen serbisch-albanischen Ethnien und setzt plötzlich auf die Geschlechterfrage. (...) Und das vor allem durch die Wahl Vjosa Osmanis (...). Sie ist eine pragmatische Idealistin, geboren in der geteilten Stadt Mitrovica und ausgebildet an amerikanischen Universitäten. Das Neue an Vjosa Osmani besteht nicht nur in ihrem Frausein: Die Mutter von Zwillingen spricht fünf Sprachen, ist Professorin in Pristina, liebt den Westen mehr als den Osten. «Ich werde die Rechtsstaatlichkeit stärken», lautet ihr Motto (...). Und mit den kriminellen Clans, die die Politik dominieren, will sie Schluss machen.»


«Hospodarske noviny»: Haltung zu Moskau spaltet EU-Skeptiker

PRAG: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki und der italienische Ex-Innenminister Matteo Salvini wollen ihre Zusammenarbeit ausbauen. Dazu schreibt die liberale Zeitung «Hospodarske noviny» aus Tschechien am Dienstag:

«Russland verfolgt die Strategie, Europa entlang verschiedener Linien zu spalten, und zwar sowohl innerhalb der Staaten als auch zwischen diesen. Das gleiche Ziel verfolgen auch verschiedene europaskeptische Bewegungen, die den proeuropäischen Parteien ordentlich einheizen könnten, wenn sie sich zusammentun würden. Doch es ist gerade die Haltung zu Russland, welche Europas EU-Skeptiker voneinander trennt, wie zum Beispiel die polnische Recht und Gerechtigkeit (PiS) von der italienischen Liga unter Matteo Salvini. Die Polen können einem Bündnis mit Parteien nicht zustimmen, die dem Kreml unter Wladimir Putin nahestehen. Doch das Brodeln am rechten Rand wird zweifellos weiter andauern. Vor allem Viktor Orban gehört nicht zu denjenigen, die leicht aufgeben, wenn es um die Verwirklichung der eigenen Machtziele geht.»


«DNA»: Astrazeneca: Von der Wunderwaffe zum Alptraum

PARIS: Über die Debatte um die Nebenwirkungen des Astrazeneca-Impfstoffes schreibt die ostfranzösische Regionalzeitung «Dernières Nouvelles d'Alsace» am Dienstag:

«Es wird immer wahrscheinlicher, dass der Kommunikationskampf um das Serum ins Irrationale abdriftet. Impfzentren sind verwaist, während die Krankenhäuser übervölkert sind: Das Wunder eines Impfstoffes, der so schnell verfügbar war, wandelt sich zum Alptraum eines jeden Epidemiologen. Der schwierigste Teil steht noch bevor, nämlich die widerstrebenden Franzosen zur Impfung zu bringen.»


«Nepszava»: Papst gibt Hoffnung auf Zusammenleben mit Mitgefühl

BUDAPEST: Über die Osterbotschaft von Papst Franziskus und den darin enthaltenen Aufruf zur Hoffnung in der Corona-Pandemie schreibt die Budapester Tageszeitung «Nepszava» am Dienstag:

«Zum Osterfest gab sich der Papst nicht komplizierten theologischen Gedankengängen hin, sondern drückte sein Mitgefühl für all jene aus, die leiden. Er erbat die Hilfe des Herrn für alle, die an der Front gegen die Pandemie kämpfen. Braucht es mehr? Der Papst vermag uns allen die Hoffnung zurückzugeben, dass es die Chance für einen Neuanfang gibt. Dass wir eines Tages in einer Gesellschaft leben werden, in der Empathie kein Zeichen der Schwäche, sondern eine der wichtigsten menschlichen Tugenden sein wird.»


«Aftonbladet»: Wie ein Riesenschiff im Sand die Welt lahmlegte

STOCKHOLM: Die sozialdemokratische schwedische Tageszeitung «Aftonbladet» (Stockholm) kommentiert das Ende der Blockade im Suezkanal durch das Containerschiff «Ever Given»:

«Während seiner Tage im ägyptischen Sand hat das 400 Meter lange Schiff «Ever Given» einen der absolut wichtigsten Handelswege der Welt, den Suezkanal, blockiert. Als es wieder los kam, sollen knapp 300 Schiffe darauf gewartet haben, zu passieren. Andere wurden bereits rund um den afrikanischen Kontinent umdirigiert. So sensibel sind die globalen Wertschöpfungsketten, über die man in der globalisierten Wirtschaft von heute spricht. Es braucht nur eine Besatzung eines einziges Schiffs, die zur falschen Zeit am falschen Ort einen einzigen Fehler macht. Ein Stopp auf den Handelswegen zwischen Asien und Europa bedeutet also, dass Fabriken und Ladenregale nicht gefüllt werden können. Das, was wir daraus gelernt haben, sollte sich auch darauf auswirken, wie Handel und Wirtschaft in Zukunft funktionieren sollten.»


«Guardian»: Brasiliens Rechte könnte Alternative zu Bolsonaro suchen

LONDON: Zur politischen Entwicklung in Brasilien meint der Londoner «Guardian» am Dienstag mit Blick auf die im nächsten Jahr anstehenden Präsidentschaftswahlen:

«Ist es möglich, dass Jair Bolsonaro, inspiriert von Donald Trump, darüber nachdenkt, sich durch den Einsatz von Gewalt an der Macht zu halten? Nein. Es ist sogar wahrscheinlich. Die Streitkräfte haben sich schon früher über den Willen des Volkes hinweggesetzt: Brasilien war von 1964 bis 1985 eine Militärdiktatur.(...)

Es gibt Gründe zur Hoffnung. Die bösartigen Attacken des Präsidenten und seiner Kumpane haben es nicht geschafft, eine lebendige Medienlandschaft einzudämmen, die Gerichte einzuschüchtern oder Kritiker in der Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen. Sein desaströser Umgang mit Covid-19 scheint die Wirtschaftselite, die ihn zuvor unterstützte, zum Nachdenken zu bringen. Einige Teile des Militärs scheinen dieses Unbehagen offensichtlich zu teilen.

Zudem reicht schon die Möglichkeit einer Rückkehr von (Brasiliens linkem Ex-Präsidenten) Lula da Silva aus, um die Gedanken der Rechten darauf zu konzentrieren, einen alternativen, weniger extremistischen Kandidaten als Bolsonaro zu finden.»


«de Volkskrant»: USA und Großbritannien haben es besser gemacht

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» kommentiert am Dienstag das Vorgehen der EU bei der Corona-Bekämpfung:

«Rückblickend muss man einfach konstatieren, dass der damalige US-Präsident Trump und der britische Premierminister Johnson bei der Entwicklung und Herstellung eines Impfstoffs entschlossener gehandelt haben als ihre europäischen Kollegen, die zu sehr in alten und bürokratischen Gewohnheiten feststeckten.

Die europäischen Staats- und Regierungschefs laufen Gefahr, dafür einen politischen Preis zahlen zu müssen. Das Image der Europäischen Kommission unter der Führung von Ursula von der Leyen ist angekratzt. Knapp sechs Monate vor der Bundestagswahl ist die Unterstützung für die CDU der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel von über 40 Prozent im März 2020 auf magere 27 Prozent gesunken. In Frankreich steht Präsident Macron unter Beschuss. (...)

Die Umstände sind von Land zu Land unterschiedlich, aber eines ist klar: Die europäischen Staats- und Regierungschefs brauchen einen guten Sommer, um politische Unruhe im Herzen Europas abzuwenden.»


«El País»: EU darf Konflikt in Ostukraine nicht unterschätzen

MADRID: Zum Konflikt mit den prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine schreibt die spanische Zeitung «El País» am Dienstag:

«Obwohl es schwierig ist, die genauen Gründe und Absichten von (Kremlchef) Wladimir Putin zu durchschauen, zeigt die jüngste Geschichte, dass es für seine kurzfristigen Ziele nützlich sein kann, die internationale Agitation zu fördern und einen äußeren Feind zu suchen, um von der internen Kritik abzulenken. Am Pranger stehen sowohl Putins Pandemie-Management als auch die systematische Schikanierung der Opposition. Sollte das Putins Absicht sein, wäre es eine inakzeptable Strategie. Russland sollte es unterlassen, Instabilität in der Ukraine zu schüren (...)

Die Schwere, mit der die Pandemie die Ukraine trifft, unterstreicht, dass die Risiken einer Krise und einer Destabilisierung des Landes nicht unterschätzt werden dürfen. Die EU kann es sich nicht leisten, einen Nachbarn wie die Ukraine in einer Spirale von Problemen versinken zu lassen. Das ist ein Thema, das nicht am Rande der europäischen Agenda stehen darf.»


«De Tijd»: Ein Signal für gerechte Besteuerung

BRÜSSEL: US-Finanzministerin Janet Yellen hat sich für eine globale Mindeststeuer für international tätige Unternehmen ausgesprochen. Dazu meint die belgische Wirtschaftszeitung «De Tijd» am Dienstag:

«Haben Janet Yellens Pläne eine Chance? Ob in Amerika Steuererhöhungen durchgesetzt werden können, steht auf Messers Schneide. Die republikanische Opposition lehnt sie strikt ab. Daher müsste sich US-Präsident Joe Biden auf die nur knappe Mehrheit der Demokraten verlassen, um die Pläne durchzudrücken. (...)

Das Vorhaben von Biden und Yellen beruht auf dem Gedanken, dass gerechte und angemessene Steuern gezahlt werden müssen. Dagegen lässt sich schwerlich etwas sagen. Die Frage ist, ob sich das auch durchsetzen lässt. Einfach ist die Aufgabe nicht. Anders gesagt: Die weltweite Unternehmensbesteuerung wird es so schnell nicht geben, wenn sie denn überhaupt jemals kommt. Doch ein Signal ist dies allemal.»


«Tages-Anzeiger»: Hartes Durchgreifen stabilisiert keine Staaten

ZÜRICH: Zu Berichten über einen Umsturzversuch in Jordanien heißt es am Dienstag im Zürcher «Tages-Anzeiger»:

«König Abdullah II. von Jordanien hatte bislang vor allem eines im Angebot: Stabilität. Und er lebte gut davon. Während sich in der Region Staatsoberhäupter in antiisraelischer Rhetorik ergingen, Diktatoren ihre Bürger folterten, Revolutionen scheiterten und Volksgruppen sich bekriegten, war sein Königreich vor allem eines: ein geschätzter Partner. (...) Zuletzt allerdings verdichteten sich die Zeichen, dass das Königshaus hartes Durchgreifen für notwendig erachtet - und es ist zu befürchten, dass sich dieser Trend nach dem angeblichen Umsturzversuch verstärken wird. (...)

Das Beispiel von der Türkei unter Recep Tayyip Erdogan zeigt jedoch, dass sich Staaten mit Härte allein nicht stabilisieren lassen: Heute ist dort die Gesellschaft gespalten, das Verhältnis zu den Partnern zerrüttet - und der Präsident findet kein anderes Mittel mehr, als seinen Kurs immer weiter zu verschärfen.

Dass die Gruppe der Unzufriedenen mittlerweile bis in die königliche Familie reicht, sollte Abdullah besser als Anlass zum Nachdenken nehmen. Vielleicht erkennt er dann mit Blick auf die Türkei: Wenn der Druck steigt, sind flexible Systeme meist stabiler als jene, die nur hart und starr sind.»


«Washington Post»: Auch Hongkongs wirtschaftliche Freiheit gefährdet

WASHINGTON: Angesichts des immer repressiveren Vorgehens der Pekinger Führung in Hongkong sieht die «Washington Post» auch die wirtschaftlichen Perspektiven der Sonderverwaltungsregion düster:

«Chinas Führung glaubt, sie könne die Demokratiebewegung in Hongkong zerschlagen und dabei dessen glitzernden Ruf als Hochburg des asiatischen Kapitalismus bewahren. Aber kann sie das wirklich? In den vergangenen Tagen hat Chinas Marionettenregime in Hongkong entschieden, den Zugang zu einem Regierungsregister abzuschneiden, das Journalisten, Banken und andere nutzen, um die wahren Eigentümer von Unternehmen und Liegenschaften zu identifizieren. Dies ist ein weiterer Schritt rückwärts von Hongkongs viel gelobter Transparenz und ein Zeichen dafür, dass der Autoritarismus auch in das wirtschaftliche Leben eindringt (...) Chinas Präsident Xi Jinping möchte vielleicht fortan unangenehme Enthüllungen schnüffelnder Reporter unterbinden. Indem er diese Tür schließt, zeigt er auch, dass das Versprechen, wirtschaftliche Freiheiten könnten überleben, wenn andere Freiheiten beschnitten werden, pure Fiktion ist.»

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