Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Handelsblatt» zum Baukindergeld

Zehn Milliarden Euro hat sich die Politik das Baukindergeld kosten lassen.

Die Bilanz fällt genau so aus, wie es alle vorhergesagt haben: verheerend. Zwar kamen rund 310.000 Familien mit Durchschnittseinkommen in den Genuss der Förderung. Der überwältigende Teil davon hätte sich aber auch so eine Wohnung gekauft. Denn die Förderung spielte im Verhältnis zum Kaufpreis nur eine kleine, in vielen Regionen Deutschlands angesichts der gestiegenen Preise sogar marginale Rolle. Familien, die sich vorher kein Eigentum leisten konnten, können es auch jetzt nicht.


«Trud»: Kampagne gegen Sputnik V in der EU

SOFIA: Zur möglichen Zulassung des russischen Corona-Impfstoffs Sputnik V in der Europäischen Union schreibt am Dienstag die bulgarische Zeitung «Trud»:

«Niemand mehr bestreitet, dass der russische Impfstoff auf hohem Niveau ist und Leben rettet. (...) In der Europäischen Union läuft aber eine nicht verdeckte Kampagne gegen den Import von Impfstoff aus Russland - trotz der Äußerungen, dass Impfstoffe auch aus anderen Staaten außerhalb der EU geliefert werden können. Diese Variante wird als einen Propagandasieg von Moskau aufgefasst, das als Erlöser der EU erscheinen wird. Die EU-Staaten sind angesichts der Nato-Linie im kalten Krieg mit Russland.»


«Hospodarske noviny»: Wer folgt auf den verunglückten Milliardär?

PRAG: Zum Tod des Milliardärs Petr Kellner, der als reichster Tscheche galt, bei einem Hubschrauberabsturz in Alaska schreibt die liberale Wirtschaftszeitung «Hospodarske noviny» aus Prag am Dienstag:

«Frühere tschechische Präsidenten unterstützte er finanziell, den amtierenden nahm er schon mal in seinem Privatflugzeug mit. Mit dem Ministerpräsidenten Andrej Babis hatte er einen stillen Nichtangriffspakt geschlossen. Seine Geschäfte durchzogen nach und nach die kritische Infrastruktur des Landes. Der reichste Tscheche Petr Kellner war der persönliche Beweis dafür, wie eng die Geschäftswelt in Tschechien mit der Politik verflochten ist. Für Tschechien wird es daher entscheidend sein, was mit Kellners Imperiums nach seinem tragischen Tod geschieht. Manche sagen bereits, dass die Nachfolgefrage wichtiger sein wird als das Ergebnis der Parlamentswahl im Oktober. Das dürfte übertrieben sein. Doch wir können nur hoffen, dass die Interessen des Nachfolgers oder der Nachfolgerin zumindest ungefähr mit den Interessen des Landes übereinstimmen.»


«NZZ»: Investoren gehen immer höhere Risiken ein

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Dienstag die erwarteten hohen Verluste bei der Schweizer Großbank Credit Suisse:

«Die neuen Eskapaden der Investment-Banking-Sparte der «Too big to fail»-Bank treiben Regulatoren und Politikern zu Recht Sorgenfalten auf die Stirn. Einmal mehr könnten Wetten von Bankern einer Schweizer Großbank milliardenschwere Verluste bescheren. Dies ist aber nur die eine Seite der Medaille, denn die Ursachen dieser Unfälle am Finanzmarkt liegen tiefer.

Zunächst einmal ist seltsam, dass sie passiert sind, obwohl die Börsen nahe ihren Höchstständen notieren. Dies spricht dafür, dass einige Investoren angesichts der hohen Bewertungen nervös werden. (...)

Die Unsicherheit dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Kunden Investmentgesellschaften wie Archegos Capital, die riskante Geschäfte tätigen und dabei mit hohen Schulden hantieren, schon fast nachlaufen. Die ultraniedrigen bis negativen Zinsen kommen solchen Anbietern entgegen. Schließlich führt die Dürre an den Kapitalmärkten dazu, dass Investoren immer höhere Risiken eingehen.»


«De Standaard»: Handel ist starker Motor für Wohlstand und Frieden

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Standaard» kommentiert am Dienstag die tagelange Blockade des Suezkanals durch einen Riesenfrachter:

«Die Blockade des Suezkanals hat die Debatte darüber neu entfacht, wie viel Abhängigkeit von fernen Kontinenten wir uns leisten können. Vor einem Jahr entdeckten wir, dass es auf der Welt nur noch einen Mundschutz-Produzenten von Bedeutung gab: China. Auch das Telekommunikationsunternehmen Huawei wurde gebrandmarkt, weil es dem Regime in Peking ein wenig zu nahe steht. Dann gab es eine Chip-Knappheit, die Autofabriken auf der ganzen Welt lahmlegte.

Und nun sehen wir mit eigenen Augen, wie ein einziger Fehler eines anonymen Steuermanns beinahe die Weltwirtschaft in Gefahr gebracht hätte. Die Politik fragt sich nun, ob wir diese Handelsströme nicht ein wenig eindämmen sollten. (...) Die Welt braucht mehr Nachhaltigkeit und weniger Verkehr. Dennoch dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass der Handel einer der stärksten Motoren für Wohlstand und Frieden ist, den die Welt je gekannt hat.»


«The Telegraph»: Suezkanal-Havarie zeigt Verletzlichkeit der Welt

LONDON: Zur tagelangen Blockade des Suezkanals durch den quergestellten Riesenfrachter «Ever Given» meint die britische Tageszeitung «The Telegraph» am Dienstag:

«Selbst nachdem das Schiff nun befreit wurde, bleiben gravierende logistische Probleme bestehen. Es wird Wochen dauern, den Rückstau wartender Schiffe aufzulösen, und in der Zwischenzeit werden weitere Schiffe den Kanal ansteuern, um sich ihnen anzuschließen. Sie werden dann in Häfen im Mittelmeer und in der Nordsee ankommen, die darauf eingestellt sind, einen stetigen Strom von Schiffsankünften zu empfangen, nicht aber auf eine große Anzahl Schiffe auf einmal.

Der Schifffahrtsspezialist Lloyd's List schätzt, dass die «Ever Given» den Handel pro Tag in einem Umfang von etwa neun Milliarden Dollar aufgehalten hat - eine größere Störung durch ein festgefahrenes Schiff als durch die Pandemie. Die Folgen werden Hersteller, Großhändler und Einzelhändler treffen, die alle von diesem Warenverkehr abhängig sind. Es ist eine heilsame Erinnerung daran, wie verletzlich die Welt allein schon durch eine Windböe ist.»


«La Repubblica»: Urteil im Floyd-Prozess wird Folgen haben

ROM: Zum Prozess um den Tod von George Floyd in den USA schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Dienstag:

«Eine Familie, eine Gemeinde, eine Stadt warten auf die Justiz. Die ganze Nation wird aus dem endgültigen Urteil folgenschwere Schlüsse ziehen: ob Afroamerikaner der Strafjustiz ihres Landes vertrauen können; ob die Polizei für ihre Handlungen vor dem Gesetz geradestehen muss; ob Rassismus eine unheilbare Seuche ist, weil er in die Institutionen «eingraviert» ist - eine Erbsünde in der DNA der Vereinigten Staaten.

Auf den Geschworenen in Minneapolis und dem Richter lastet eine enorme Verantwortung. Es gibt andere ähnliche Fälle, die auf wichtige Gerichtsverfahren warten, aber der Fall Floyd hat den tiefsten Eindruck hinterlassen. Abhängig davon, wie das Image der Justiz daraus hervorgeht, wird man versuchen können, die Intensität des «permanenten Bürgerkriegs», der das Land erfasst, zu verringern; oder die klaffende Wunde wird im Gegenteil noch unheilbarer sein als zuvor.»


«Le Parisien»: Corona-Impfpass wird im Sommer unverzichtbar sein

PARIS: Zur Debatte um einen digitalen Corona-Impfpass schreibt die französische Tageszeitung «Le Parisien» am Dienstag:

«Diesen Sommer wird man geimpft sein müssen, Antikörper haben oder einen negativen (Corona)-Test besitzen, um reisen zu können. In Israel (...) ist das ebenfalls notwendig, wenn man ins Restaurant gehen oder ein Konzert besuchen möchte. New York hat (das Softwareunternehmen) IBM darum gebeten, ein Hilfsprogramm zu entwickeln. Japan bereitet sein eigenes vor. (...)

(...) Man muss naiv sein, wenn man nicht versteht, dass ein Impfpass, wenn er freiwillig bleibt, bald unverzichtbar sein wird. Das ist eine angemessene Lösung in Krisenzeiten (...). Aus pragmatischen Gründen hat uns das Virus bereits dazu gezwungen, einige unserer Freiheiten einzuschränken. Dieses Mal ist es aber der Schutz unserer Daten, der auf dem Spiel steht.»


«Tages-Anzeiger»: Die Credit Suisse hat ein Kulturproblem

ZÜRICH: Die Schweizer Bank Credit Suisse (CS) stellt sich nach eigenen Angaben wegen Problemen bei einem US-Hedgefonds auf Verluste ein. Dazu schreibt der Zürcher «Tages-Anzeiger» am Dienstag:

«Schon wieder die CS. Noch bevor das Debakel aus dem Geschäft mit dem zweifelhaften Handelsfinanzierer Lex Greensill verdaut ist, drohen der Schweizer Großbank weitere Milliardenverluste. Laut Schätzungen von Insidern hat die CS im Geschäft mit dem US-Hedgefonds Archegos Capital Management bis zu vier Milliarden Dollar verloren, bei Greensill bis zu drei Milliarden.

Das zeigt: Die Credit Suisse hat ein erhebliches Kulturproblem. Sind die Gewinnaussichten hoch genug, interessieren die Risiken nicht mehr. Und wie der Fall Archegos Capital zeigt, waren diese Risiken gigantisch. (...) Die Credit Suisse verliert aber mehr als nur viel Geld, schlimmer ist das weiter erodierte Vertrauen in die Spitze der Bank: in Chef Thomas Gottstein und noch mehr in den bald abtretenden Urs Rohner, seit zehn Jahren Präsident des Verwaltungsrates.»


«Nesawissimaja»: Lage um Nawalny ist für den Kreml toxisch

MOSKAU: Zu den gesundheitlichen Beschwerden des im Straflager inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Dienstag:

«Einige russische Ärzte rufen dazu auf, Nawalny medizinische Hilfe zukommen zu lassen. (...) Und auch der Westen macht sich Sorgen um den Gesundheitszustand des Politikers. (...) Doch hat die EU derzeit keine echten Instrumente, um Druck auf Moskau und den Kreml auszuüben. Das bedeutet allerdings keineswegs, dass Russland und die europäischen Staaten keine gemeinsamen Interessen mehr hätten. Im Grunde könnte die russische Führung die Behandlung Nawalnys als politische Karte spielen, wenn es nötig sein sollte, guten Willen zu zeigen (...).

Einige Journalisten und Politologen haben schon die Meinung geäußert, dass der Machtapparat nichts dagegen hätte, Nawalny zur Behandlung im Ausland zu entlassen. Solch eine Variante könnte Teil eines politischen Deals sein, auch wenn das juristisch heikel ist. Andererseits ist es offenkundig, dass die Lage um Nawalny für den Kreml politisch toxisch ist. Für den russischen Machtapparat wäre es wohl bequemer, wenn Nawalny als politischer Emigrant im Ausland bliebe - so würde er aus dem politischen Spielfeld des Landes verschwinden.»


«Dagens Nyheter»: Militärjunta treibt Myanmar Richtung Abgrund

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Dienstag das brutale Vorgehen des Militärs in Myanmar:

«Zwei Monate nach dem Militärputsch in Myanmar schießt die Armee wahllos auf Demonstranten. Trotzdem ist die Kraft des spontanen Widerstandes gegen die Junta imponierend. Hunderttausende trotzen offen dem Militär, um ihre Wut auf der Straße zu zeigen, auch wenn das Lebensgefahr beinhaltet. Angestellte im Staatsapparat und in den Banken organisieren Massenstreiks. Aber die Generäle sind schon immer besser im Erschießen als im Aufbau der Wirtschaft gewesen. Investoren aus dem Ausland sind nicht begeistert über den Putsch, außer möglicherweise die aus Russland und China. Die Möglichkeiten der demokratischen Welt, die Entwicklung umzukehren, sind begrenzt. Das Einreiseverbot der EU für ein paar Generäle dürfte keine Massaker stoppen. Da sind die US-Sanktionen gegen zwei Konglomerate im Besitz des Militärs eine vielversprechendere Methode. Es geht darum, es der Junta und ihren Ja-Sagern schwerer zu machen, sich zu bereichern.»


«De Telegraaf»: China verhilft Iran zu Ausweg aus der Isolation

AMSTERDAM: Der Iran und China haben ein langfristiges Kooperationsabkommen unterzeichnet. Dazu meint die niederländische Zeitung «De Telegraaf» am Dienstag:

«China bekommt durch den gigantischen Deal mit dem Iran ein festes Standbein im Nahen Osten. Im Austausch für eine kontinuierliche Versorgung mit billigem Öl beginnt Peking eine Reihe großer Infrastrukturprojekte im Iran. Das Land kommt langsam aus seiner internationalen Isolation heraus, zum Ärger der Vereinigten Staaten.

Im Iran, der den Einfluss der Großmächte stets fürchtet, sind nicht alle begeistert. Darüber hinaus hat China einen schlechten Ruf, wenn es um die Behandlung seiner muslimischen Minderheit geht, und es hat schon des öfteren weniger starke Länder übervorteilt. Aber die Ajatollahs konnten kaum anders: Sie stehen wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand.

Es sieht nicht so aus, als würde der Atomdeal in nächster Zeit wiederbelebt werden. Infolgedessen werden die US-Sanktionen noch einige Zeit in Kraft bleiben. Der Deal mit China macht es noch weniger wahrscheinlich, dass der Iran den Forderungen der USA nachkommt, zuerst seine nuklearen Aktivitäten zurückzufahren.»


«LA Times»: Kampf gegen Corona ist ein Rennen gegen menschliche Natur

LOS ANGELES: Zum erneuten Anstieg der täglich erfassten Corona-Neuinfektionen in den USA schreibt die «Los Angeles Times» am Dienstag:

«Es ist wie die Erinnerung an einen schlechten Fiebertraum. Ein Jahr, nachdem Covid-19 in New York City wütete, steigen die Infektionszahlen dort und in anderen Hotspots im ganzen Land wieder - trotz der größten Impfkampagne, die das Land je unternommen hat. (...) Auch wenn man nur ein bisschen zurückfällt, hat das schwerwiegende Folgen. Und das nicht nur wegen der damit verbundenen Krankheit und Todesfälle. Wie Wissenschaftler seit Monaten warnen, erhöht die anhaltende Ausbreitung des Virus die Wahrscheinlichkeit neuer Varianten, die eine höhere Resistenz gegen Medikamente aufweisen oder tödlicher sind. Obwohl die USA bei den Impfungen bemerkenswerte Fortschritte gemacht haben (...), ist jetzt nicht der Zeitpunkt zum Nachlassen. (...) Präsident Biden, der die Gouverneure und Bürgermeister, die ihre Maskenpflicht aufgehoben haben, dazu auffordert, sie wieder einzuführen (viel Glück dabei), beschrieb diesen Moment als ein Rennen gegen die Zeit, um die Überflutung der USA durch eine weitere schlimme Covid-19-Welle zu verhindern. Er liegt halb richtig. Es ist ein Rennen, aber gegen die menschliche Natur.»


«Der Standard»: Stunde der Patrioten in Hongkong

WIEN: Zum Vorgehen Chinas in Hongkong schreibt die Wiener Zeitung «Der Standard»:

«Jetzt hat also endgültig die Stunde der Patrioten geschlagen. Zumindest in Hongkong, wo nach dem Gesetz, das Dienstag endgültig verabschiedet wurde, nur noch Menschen zu Wahlen antreten dürfen, die Chinas Führung billigt. Gemeint sind «chinesische Patrioten», nicht solche der Stadt Hongkong. Letztere befinden sich, sofern sie ihre Meinung öffentlich kundtun, zunehmend mit einem Fuß, manchmal aber auch schon ganz in Haft. Corona sei Dank hat die Führung auch die Proteste in den Griff bekommen. (...) Mit immer giftigeren Worten tönen Chinas selbstbewusste Diplomatinnen und Diplomaten gegen Länder wie Australien, immer öfter aber auch gegen die EU. Dabei wagt diese, mit Blick auf den Handel, ohnehin nur weichgespülte Sanktionen.

Bleiben die USA, da sind alle Augen auf Joe Biden gerichtet. Das erste Treffen seines Außenministers Antony Blinken mit dem US-Spezialisten im chinesischen Außenamt, Yang Jiechi, verlief vergangene Woche noch frostiger, als die Außentemperatur am Verhandlungsort Anchorage war. Härte ist also schon einmal demonstriert. Daran muss Biden auch gelegen sein. Nun aber heißt es, einen Weg zu finden, damit aus den vielen Stellvertreterkonflikten nicht doch eines Tages ein Krieg wird.»

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