Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Münchner Merkur» zu Corona/Schnelltests/Merkel/Spahn

Deutschland war mal Organisations-Weltmeister.

Jetzt ist es nur noch der Bürokratie-Champion. Wer öffnen will, braucht Ideen, Strategien. Doch die fehlen, weil die Hauptakteure streiten, weil Merkel bremst, wo ihr Gesundheitsminister Gas geben will. Während Österreich schon überall Schnelltests anbietet, müssen bei uns erst Länderzuständigkeiten und -verfahren geklärt werden. An eine scharfe Corona-App zur Kontakt-Nachverfolgung hat sich die Regierung aus Angst vor maulenden Datenschützern erst gar nicht rangewagt. Und nachdem erst die Impfstoffbeschaffung vertrödelt wurde, häufen sich nun die Hinweise darauf, dass das Vakzin zwar jetzt da ist, aber nicht zügig genug verimpft wird. Der Profiteur dieses Gestolpers ist das das Virus.


«Handelsblatt» zum Streit über den Wirtschaftsweisen

Die Hoffnung der SPD ist, dass die Stimme der Freiheit von Lars Feld mit seinem letzten Arbeitstag am Freitag aus der Öffentlichkeit verschwindet.

Das sollte für alle Freunde der Marktwirtschaft ein Warnsignal sein. (...) Der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet sollte die Causa Feld im nächsten Koalitionsausschuss zum Thema machen. Kanzlerin Angela Merkel wird das wahrscheinlich nicht tun. Sie hat jetzt schon zu viele Konflikte mit den Ministerpräsidenten aller Parteien und will weitere Unruhe vermeiden. Merkel geht es verständlicherweise um den Kampf gegen die Pandemie und den Eintrag ins Geschichtsbuch. Armin Laschet muss es um die Zukunft Deutschlands gehen.


«La Vanguardia»: Europa braucht Russland

MADRID: Zu den neuen EU-Sanktionen gegen Russland wegen der Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny schreibt die spanische Zeitung «La Vanguardia» am Dienstag:

«Die entscheidende Frage ist, welche Art von Beziehung die EU zu Russland haben will. Soll sie sich für einen energischen Schutz der Menschenrechte und harte Sanktionen gegen Moskau entscheiden, oder will sie den pragmatischen Weg weitergehen, den sie aufgrund der Abhängigkeit Europas von russischer Energie bisher eingeschlagen hat? Vor einigen Tagen drohte der russische Außenminister Sergej Lawrow mit dem Abbruch der Beziehungen zu Brüssel, falls es grundlegende Bereiche der russischen Wirtschaft bestrafen sollte. (...)

Dass man im Energiesektor von einem Land abhängig ist, mit dem man sich in einem Dauerkonflikt befindet, birgt Risiken, denn das macht die EU verwundbar. Wenn Moskau beschließen würde, den Hahn zuzudrehen, hätte Europa ein ernstes Problem. Die EU bereitet neue Sanktionen vor, wohl wissend aber, dass sie den Kontakt weiter aufrechterhalten muss, weil sie Russland auch zur Lösung von mehreren internationalen Konflikten braucht. Etwa beim Atomabkommen mit dem Iran und bei den Kriegen in Syrien und Libyen, aber auch im Kampf gegen die Klimakrise.»


«De Telegraaf»: Deutschland vehement gegen Stopp von Nord Stream 2

AMSTERDAM: Zu den EU-Sanktionen gegen Russland wegen der Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny schreibt die niederländische Zeitung «De Telegraaf» am Dienstag:

«Die EU-Länder haben sich auf neue Sanktionen gegen Russland geeinigt. Die Frage ist nur, wie viel Eindruck das Paket in Moskau macht, aber die EU will nicht tatenlos zusehen, wie der führende Oppositionelle Alexej Nawalny ins Gefängnis geworfen wird. (...) Das Zurückdrehen der Gaspipeline Nord Stream 2, die russisches Gas nach Deutschland bringt und kurz vor der Fertigstellung steht, gilt noch immer als ein Schritt zu weit. Deutschland ist wegen seiner Abhängigkeit von russischem Gas vehement dagegen. Die Niederlande betrachten es als ein kommerzielles Projekt, an dem sich die Regierung lieber nicht die Finger verbrennen möchte. Außerdem werden auch die Niederlande durch das Einstellen der Gasförderungen in Groningen noch abhängiger von russischem Gas werden.»


«The Times»: EU-Sanktionen werden Putin nicht erschüttern

LONDON: Die Londoner «Times» kommentiert am Dienstag die wegen der Verurteilung des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny beschlossenen neuen EU-Sanktionen gegen Russland:

«Nichts davon wird Putin erschüttern oder ihn dazu bewegen, Nawalny freizulassen. Frühestens nach den Parlamentswahlen im September, bei denen Moskau wegen Massenprotesten zur Unterstützung Nawalnys in Alarmbereitschaft sein dürfte, wird man einen Kurswechsel gegenüber der EU oder der Biden-Regierung in Betracht ziehen. In der Zwischenzeit kann sich Putin darauf verlassen, dass interne Spaltungen in Europa ernsthafte Maßnahmen gegen ihn verhindern.

Die mächtigste Sanktion wäre die Einstellung der Gaspipeline Nord Stream 2. Sie steht kurz vor der Fertigstellung und stellt eine direkte Energieverbindung zwischen Russland und Deutschland her. Als solche bringt sie Polen und die baltischen Staaten, die die Gefahr der Energieabhängigkeit von Moskau sehen, in Konflikt mit Berlin. Der deutsche Außenminister Heiko Maas unterstützte zwar die gestrigen bescheidenen Sanktionen, betonte aber gleichzeitig, dass sie den Dialog mit dem Kreml nicht behindern dürften.»


«DNA»: Frankreich kann nicht unter ständigem Hausarrest stehen

STRAßBURG: Die Ankündigung eines Teil-Lockdowns für die Küstenregion im Südosten Frankreichs kommentiert die ostfranzösische Regionalzeitung «Dernières Nouvelles d'Alsace» (DNA) am Dienstag:

«Es ist gut, den wirtschaftlichen Puls der Regionen an ihren Gesundheitszustand anzupassen. Aber das kann nicht ewig nur in die eine Richtung weitergehen - nämlich in die der Sanktionen. Ohne die Aussicht auf einen Lichtblick besteht die Gefahr, dass die erwartete dritte Welle die Psyche hart, zu hart trifft. Wenn man territorial unterschiedlich auf Corona reagiert, bedeutet das auch, dass man nicht überall das gleiche Maß an Zwang ausüben kann. Nach diesem Prinzip kann nicht ganz Frankreich auf die gleiche Weise unter ständigen Hausarrest gestellt werden. Ansonsten werden extreme Ermüdung und Unverständnis dazu führen, dass es zu noch mehr missbräuchlichen Verhaltensweisen kommt und die Missachtung der Abstandsregelungen sich häuft.»


«La Stampa»: Kultur wird nach der Corona-Krise wichtiger werden

ROM: Zur langen Schließung von Theatern und Kinos zum Corona-Schutz schreibt die italienische Zeitung «La Stampa» aus Turin am Dienstag:

«Jetzt müssen wir nach vorne schauen. (...) Es muss nicht nur an die vielen Menschen gedacht werden, die in diesem Sektor arbeiten, die keine berühmten Gesichter haben und die sehr oft unsichtbar bleiben, sondern auch an den Schaden, der der gesamten Gesellschaft zugefügt wurde, weil sie ein wesentliches Angebot nicht mehr in Anspruch nehmen darf. Die Kultur besitzt ein weit gefasstes Konzept, das eine Ober- und eine Unterseite hat: Es existiert ein Bedarf an Tiefe, an Engagement, aber auch ein Bedürfnis nach Leichtigkeit und Unterhaltung. (...)

Theater, Kinos und Live-Shows werden, wenn sie künftig wieder öffnen dürfen, Momente großer Freude und Beteiligung der Öffentlichkeit erleben. Es wird einen großen Wunsch geben, dorthin zurückzukehren, um eine Theateraufführung, einen Film, eine Ausstellung, ein Konzert zu sehen. Und vielleicht werden wir all dies als etwas weniger «selbstverständliche» Ereignisse betrachten, als wir es zuvor erlebt haben.»


«Dagens Nyheter»: Atomabkommen mit Iran verdient neues Leben

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert die Lage des Atomabkommens mit dem Iran:

«Der Iran hat seine Versprechen aus dem Atomabkommen gehalten, bis sich Donald Trump entschloss, es zu stürzen. Ob der gute Wille von US-Präsident Joe Biden für eine Neuauflage ausreicht, bleibt abzuwarten. Im Wahlkampf hat er versprochen, die Vereinbarung zu erneuern, aus der sich Trump zurückgezogen hat. Der Weg dorthin führt jedoch durch ein Minenfeld. Es gibt immer Probleme bei Verhandlungen mit einem verschlossenen, autoritären Regime. Der Iran hat eine lange Tradition darin zu vertuschen, zu betrügen und zu verzögern. Die heutige Situation wird weiter verkompliziert durch die Präsidentenwahl, die im Juni abgehalten werden soll und der ein Kräftemessen zwischen den Flügeln der herrschenden Clique vorausgeht. Das Atomabkommen hat funktioniert und verdient ein verlängertes Leben. Aber auf iranische Garantien muss vertraut werden können - und sie müssen überprüft werden können.»


«LA Times»: Corona-Tote dürfen nicht zur Normalität werden

LOS ANGELES: Die USA haben die Schwelle von mehr als einer halben Million Corona-Toten überschritten. Dazu schreibt die «Los Angeles Times» am Dienstag:

«Es ist ein jeder Hinsicht gewaltiger Verlust an Menschenleben; 500.000 Tote entsprechen (von der Größenordnung her) der gesamten Stadtbevölkerung von Miami plus einem guten Stück des benachbarten Miami Beach. Wahrscheinlich ist es auch eine zu niedrige Zahl, wenn man berücksichtigt, dass die Zahl der gemeldeten Corona-Todesfälle in verschiedenen Verwaltungsgebieten nachweislich zu niedrig ausfällt.

Präsident Biden ordnete am Montag an, dass die Flaggen zu Ehren der Covid-19-Toten auf Gebieten des Bundes auf halbmast gesetzt werden, und er sollte am Montagabend bei einer Kerzenzeremonie sprechen. Es ist angemessen, an tragischen Meilensteinen wie diesem der Toten zu gedenken, um zu verhindern, dass der Verlust zur Normalität wird und man vergisst, warum all die aufreibenden Pandemie-Vorsichtsmaßnahmen immer noch notwendig sind.»

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