Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Stuttgarter Zeitung» zu Kinderrechten im Grundgesetz

Mit dem Grundgesetz sollte man keine Symbolpolitik betreiben.

Alles, was im Verfassungstext steht, soll Gewicht und eigenständige Bedeutung haben. Union und SPD haben sich darauf verständigt, Kinderrechte in das Grundgesetz aufzunehmen. Das klingt wie eine gute Nachricht, aber eine zwingende rechtliche Notwendigkeit besteht eindeutig nicht. Kinder sind Grundrechtsträger und im Grundrechtekatalog der Verfassung mitgemeint. Das hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt bestätigt. Zudem hat Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert, sie gilt völkerrechtlich verbindlich.


«Frankfurter Rundschau» zu Debatte/Impfpflicht

Man darf annehmen, dass Söder aus der Not heraus agiert.

Doch eine Impfpflicht wäre der falsche Weg. Eine Impfung ist eine vorbeugende Maßnahme, streng genommen ein körperlicher Eingriff an gesunden Menschen - und damit etwas grundlegend anderes als ein Medikament, das man nimmt, um ein Leiden zu behandeln, und deshalb Nebenwirkungen akzeptiert. Dass viele Menschen offenbar noch nicht entschieden haben, ob sie sich gegen Covid-19 impfen lassen wollen, kann man ihnen nicht verdenken. Die Technologie der beiden in der EU zugelassenen mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna ist völlig neu, auch ein Vektorimpfstoff wie der von Astrazeneca wurde bislang nicht in der Breite eingesetzt. Es ist verständlich, dass die Neuartigkeit und schnelle Entwicklung dieser Vakzine ebenso wie deren zügige Zulassung Unsicherheit und Ängste auslösen, unabhängig davon, wie berechtigt sie objektiv sein mögen.


«Münchner Merkur» zu Lockdown/Betriebe/Homeoffice

Wenn man nach einem Jahr deutsches Corona-Krisenmanagement ehrlich Bilanz zieht, lässt sich manche Schwäche nicht wegreden: In den ungeschützten Heimen starben zu viele Menschen, die Warn-App ist ein zahnloser Tiger geblieben, die Organisation des Fernunterrichts war eine Katastrophe, der Impfstart eine Blamage.

Eine Säule immerhin hielt stand: Die Lieferketten konnten rasch repariert werden, die Wirtschaft floriert und finanziert den Staat und die Coronahilfen. Doch ausgerechnet jetzt wird der Ruf lauter, den Lockdown auf die Arbeitswelt auszuweiten, Betriebe zu schließen und ihnen strenge Homeoffice-Vorgaben zu machen. Es wäre der Gipfel der Absurdität, wenn die ob des wirkungslosen Lockdowns ratlose Politik mit den Betrieben auch noch den letzten stabilen Sektor des Staates ins Wanken bringt.


«Hospodarske noviny»: Kann sich der Rechtsstaat behaupten?

PRAG: Die liberale Zeitung «Hospodarske noviny» aus Tschechien schreibt am Dienstag zu einem möglichen zweiten Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump:

«In Europa stand das Thema Rechtsstaatlichkeit bisher vor allem im Zusammenhang mit den Entwicklungen in Ungarn und Polen auf der Agenda. Nun richtet sich die Aufmerksamkeit darauf, wie Donald Trumps Präsidentschaft endet und was das für den US-Präsidenten und seine Verbündeten auf strafrechtlicher Ebene bedeutet. Für Trumps Verbündete in Budapest und Warschau dürfte diese Entwicklung außerordentlich interessant sein, denn sie werden dabei auch ihre persönlichen Zukunftsaussichten im Blick haben. Denn in diesen Tagen entscheidet sich exemplarisch, ob sich der Rechtsstaat gegenüber denjenigen behaupten kann, die ihn jahrelang untergraben haben.»


«La Repubblica»: Biden setzt auch mit Wahl des CIA-Chefs ein Signal

ROM: Zu den Plänen des künftigen US-Präsidenten Joe Biden, den früheren Vize-Außenminister William Burns zum Chef des Auslandsgeheimdienstes CIA zu machen, schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Dienstag:

«Donald Trump hat immer gedacht, dass Außenpolitik eher ein Geschäft für Spione als für Diplomaten ist. Und auf jeden Fall müssten beide dem Präsidenten zur Verfügung stehen, um seine Ziele zu erreichen, auch seine persönlichen. (...) Joe Biden glaubt auch, dass Spione ein grundlegendes Instrument der Außenpolitik sein können. Aber in dem Sinne, dass Geheimdienst und Diplomatie sich ergänzen müssen, um «das amerikanische Volk» zu schützen und nicht um die Interessen des Weißen Hauses zu verfolgen. (...) Laut Biden sind folglich die Vorsorge und die Informationen von Spionen entscheidend, damit die Arbeit der Diplomaten nicht von den Gleisen der Außenpolitik abweicht. Also hat er William J. Burns, besser bekannt als Bill Burns, für die Spitze der CIA ausgewählt und holt ihn zurück von der Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden, einen Diplomaten mit außergewöhnlichen Ehren, der fünf Präsidenten von (Ronald) Reagan bis (Barack) Obama gedient hat und zehn Außenministern (...).»


«De Standaard»: Laxer Ansatz macht Big Tech zu Komplizen

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Standaard» kommentiert am Dienstag die Rolle der Social-Media-Unternehmen:

«Durch die Nutzung ihrer Netzwerke zum Angriff auf das Herz der parlamentarischen Demokratie wird ihr laxer Ansatz plötzlich zur Komplizenschaft. Dadurch kann der Ruf, ihren Handlungsspielraum einzuschränken, nur lauter werden. Solange ihre starke Marktposition ihnen lediglich finanziellen Gewinn brachte, blieb dieses Risiko begrenzt. Jetzt, wo sie den politischen Rubikon überschritten haben, wird aber alles anders. (...)

Der Versuch die Trump-Gefahr einzudämmen, führte sofort zu einer Zensurdebatte. Was darf noch gesagt werden, und wer entscheidet dies? Der Ausgang ist völlig unklar, und das birgt große Gefahren. Die größte Herausforderung besteht im Moment darin, die frustrierten und manipulierten Mitläufer aus den Fängen populistischer Störenfriede zu befreien. Denn die könnten mit dem Aufschrei, dass nicht sie, sondern ihr Anhang mundtot gemacht wird, auf der Gewinnerseite bleiben.»


«Financial Times»: Soziale Netzwerke brauchen klarere Regulierung

LONDON: Zur Sperrung von Social-Media-Konten von Donald Trump meint die Londoner «Financial Times» am Dienstag:

«Die Sperrungen Präsident Donald Trumps durch Twitter, Facebook und Instagram werfen tiefgreifende Fragen auf - zur Redefreiheit und zu den Präzedenzfällen, die sie für weniger freie Gesellschaften darstellen könnten. (...)

Einschränkungen bei Hassreden und Online-Aufwiegelung sind legitim. Obwohl der kulturelle Kontext sehr unterschiedlich ist, meint Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass es für die USA besser wäre, dem deutschen Beispiel zu folgen und Gesetze zu erlassen, die solches Verhalten einschränken, als es den Social-Media-Plattformen zu überlassen, eigene Regeln aufzustellen und zu überwachen.

Bei derartigen gesetzlichen Beschränkungen könnte es in den USA Probleme mit dem ersten Zusatzartikel zur Verfassung geben. Allerdings haben die letzten Tage vor allem die Notwendigkeit einer Debatte über die Grenzen der amerikanischen Meinungsfreiheit und die Macht der Tech-Unternehmen deutlich gemacht. Eine klarere Regulierung muss eine Priorität für die kommende Biden-Administration und für den Kongress haben.»


«de Volkskrant: Tech-Unternehmen müssen Regeln genau formulieren

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» kommentiert am Dienstag die Schließung diverser Social-Media-Konten von US-Präsident Donald Trump:

«Um den Anschein von Willkür zu vermeiden und ihr neutrales Image zu wahren, werden die Tech-Unternehmen sehr genau formulieren müssen, was auf ihren Plattformen erlaubt ist und was nicht. Damit beginnen sie immer mehr den traditionellen Medien wie Zeitungen, Radio und Fernsehen zu ähneln, die für die von ihnen verbreiteten Inhalte einstehen müssen. Und das ist ein Gewinn. (...)

Die Gesunderhaltung der Demokratie kann jedoch nicht den Tech-Unternehmen überlassen werden. Es ist daher höchste Zeit, dass eine breite gesellschaftliche und politische Debatte darüber geführt wird, wie wir verhindern können, dass die gemeinsame Wahrheit auf dem Schlachtfeld bleibt und jeder in seiner eigenen Wahrheitsblase endet.»


«Dziennik»: Digital-Konzerne wollen sich Bidens Gunst erkaufen

WARSCHAU: Zum Ausschluss Donald Trumps von Twitter und Facebook schreibt die polnische Wirtschaftszeitung «Dziennik Gazeta Prawna» am Dienstag:

«Trump wurde in einem Moment aus sozialen Medien verbannt, wo ihm noch wenige Tage bis zum Ende seiner Präsidentschaft bleiben. In den vergangenen Jahren haben die größten digitalen Plattformen alle seine Exzesse toleriert, inklusive der Drohung eines Atomkriegs mit Nordkorea. Trump hat Facebook nicht gestört, als man Geld verdienen konnte mit politischer Reklame, der gezielten Ansprache von Wählern und der großen Reichweite, die er erzeugte. Twitter störte er auch nicht, als er mit dessen Hilfe die Nachrichtenzyklen der ganzen Welt beherrschte. Youtube war nicht irritiert, als seine fanatisierten Anhänger es auf Millionen von Bildschirmstunden brachten. Heute ist es anders. Denn heute ist es ganz einfach leichter, ihn loszuwerden.

Die Plattformen belegen Trump mit einem Bann, weil sie sich mit dieser Geste die Gunst der nächsten US-Regierung erkaufen können. Joe Biden und seine Verbündeten bei den Demokraten reden seit Jahren von der Notwendigkeit, Desinformation, Propaganda und Radikalismus im Netz zu bekämpfen. Das digitale Business, das sich nun dem Kampf mit diesen Problemen zuwendet, indem es mit den Gegnern der neuen Macht beginnt, kann dabei nur gewinnen.»


«L'Alsace»: Reaktion auf Trumps Fake News kam zu spät

MÜLHAUSEN: Zur Schließung mehrerer Social-Media-Konten von US-Präsident Donald Trump schreibt die ostfranzösische Regionalzeitung «l'Alsace» am Dienstag:

«Die sozialen Netzwerke haben sehr lange gebraucht, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden und das Gesetz einzuhalten, indem sie die Fake News und andere alternative Wahrheiten von Donald Trump nicht veröffentlicht haben. Dass sie jetzt einknicken (und seine Konten schließen) ist politische Plakatierung verbunden mit wirtschaftlichem Interesse. Es wäre auf dem Höhepunkt von Trumps Macht gewesen, dass die sozialen Netzwerke hätten handeln müssen, anstatt sich hinter dem Willkürbegriff «öffentliches Interesse» zu verstecken. Donald Trump hat eine tragende Stimme, aber sie ist nur eine unter vielen.»


«NZZ»: Verurteilung Trumps beseitigt nicht den Trumpismus

ZÜRICH: Die Demokraten treiben im US-Repräsentantenhaus die Eröffnung eines zweiten Amtsenthebungsverfahrens gegen Donald Trump voran. Dazu meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Dienstag:

«Wenn der Präsident seine eigene rechtmäßige Abwahl bestreitet und einen Mob von Gefolgsleuten zum Angriff auf den Kongress anstachelt, ist das ein unerhörter Angriff auf die Gewaltenteilung. Das kann der Kongress im Interesse der demokratischen Ordnung nicht akzeptieren. Eine Bestrafung Trumps soll künftige Präsidenten von ähnlichem Verhalten abschrecken.

Als Teil der Sanktionen fordern die Demokraten auch einen lebenslangen Bann Trumps im Hinblick auf alle politischen Ämter. Viele Politiker beider Parteien scheinen mit Erleichterung auf die Möglichkeit zu schielen, auf diese Weise einen mächtigen und erfolgreichen Gegner oder Rivalen zu neutralisieren, der gerade erst die historisch zweithöchste Stimmenzahl in einer Präsidentenwahl erhalten hat. Doch dieses Kalkül dürfte ein strategischer Fehler sein. Selbst eine Verurteilung Trumps würde den Trumpismus nicht beseitigen, sondern eher befeuern. Trump könnte ein politischer Akteur bleiben, der erst recht die Rolle des Außenseiters und Kämpfers gegen das politische Establishment spielt.»


«El País»: Republikanische Partei risikiert Verlust ihrer Seele

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Dienstag den Zustand der Republikanischen Partei am Ende der Amtszeit von Präsident Donald Trump:

«Die alte Republikanische Partei - mit fast zwei Jahrhunderten Geschichte und außergewöhnlichen Persönlichkeiten wie Abraham Lincoln - ist mit Donald Trump in eine der dunkelsten Augenblicke ihrer Geschichte geraten. Sie hat nicht nur das Präsidentenamt und die Mehrheit im Senat verloren, sondern nach diesem tragischen 6. Januar (der von Trump angefeuerten Erstürmung des Kapitols durch seine Anhänger) mit ihrer Haltung zur Bestätigung des Wahlergebnisses auch ihre Seele aufs Spiel gesetzt.

Es ist jetzt an der Zeit, die Partei und ihre Wähler vor der Verführung durch rechtsextreme Rassisten zu retten. Das Symbol der republikanischen Schande sind die Flaggen der Konföderierten, die einige Demonstranten ungestraft durch die Hallen des Kapitols trugen. Trump muss von einer parteiübergreifenden Vereinigung aller Verteidiger der Demokratie in die Schranken gewiesen werden.»


«Magyar Nemzet»: Nach Trumps Abgang drohen den Ungarn harte Zeiten

BUDAPEST: Über die außenpolitischen Auswirkungen des Endes der US-Präsidentschaft von Donald Trump schreibt die regierungsnahe Budapester Tageszeitung «Magyar Nemzet» am Dienstag:

«Die Nachbeben der amerikanischen Innenpolitik werden nun leider erneut wir (in den rechtsnational regierten Ländern) zu spüren bekommen. Die Peitsche der Demokratischen Partei wird erneut auf uns niedergehen, so wie wir das schon unter der Präsidentschaft von (Barack) Obama erfahren durften (...). Unser «Fehler» war es nämlich, dass uns hier, in Mitteleuropa, der auf dem Slogan «America First» beruhende, die gegenseitigen Vorteile unterstreichende, gegen jede innere Einmischung gerichtete Kurs von Trump sympathisch war. Die Rhetorik dieser Außenpolitik war vielleicht gelegentlich verwirrend, in der Praxis war sie aber weitaus allgemeinverständlicher als die der Zeit vor Trump.»


«Dagens Nyheter»: Trump muss auch Parteiplattform entzogen werden

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Dienstag die Sperrung der Accounts des scheidenden US-Präsidenten Donald Trump auf Twitter und anderen sozialen Netzwerken:

«Aufwiegelung fällt nicht innerhalb des weiten Rahmens der Meinungsfreiheit. Deshalb ist es angemessen, Donald Trumps Konten in den sozialen Medien zumindest vorübergehend zu schließen. Die Plattform, die Trump und seinesgleichen dauerhaft entzogen werden muss, ist jedoch die parteipolitische. Die Hauptverantwortung dabei, mit Trump, seinen autoritären Neigungen und Flirts mit dem Rassismus fertig zu werden, liegt bei den Republikanern. Sie haben die Tür für den Populisten geöffnet und zugelassen, dass er den gesamten Weg ins Weiße Haus und an die politische Macht gehen konnte. Trump hat große Teile der Partei in einen Haufen erbärmlicher Ja-Sager verwandelt, der bereit ist, immer größere Lügen zu schlucken. Diese Plattform muss Trump jetzt entzogen werden, genauso wie anderen Gewaltverherrlichern, Rassisten und Nationalisten.»


«Die Presse»: Amtsenthebungsverfahren ist spaltend und aussichtslos

WIEN: Die Wiener Zeitung «Die Presse» hält ein Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump für überflüssig und schreibt dazu am Dienstag:

«Was Trump mit seinen Hetzreden angestellt hat, ist schlimm genug. Er trägt zweifellos politische Mitverantwortung für das abscheuliche Chaos, das fünf Menschen das Leben gekostet hat. Wie weit seine Schuld reicht, sollten Gerichte klären. Der Bundesstaatsanwalt für Washington sammelt bereits Material. Das Amtsenthebungsverfahren aber, das die US-Demokraten nun anstreben, ist spaltend, aussichtslos und vor allem unnötig. Denn die US-Wähler haben Trump bereits des Amtes enthoben.

Am 20. Januar wird Joe Biden angelobt. Vor seiner Inauguration kann der Impeachment-Prozess gegen Trump nicht abgeschlossen sein. Und ihn nach Ende der Amtszeit abzusetzen, käme dann doch etwas spät und stähle dem neuen Mann im Weißen Haus bloß die Show. So viel Aufmerksamkeit verdient Trump nicht mehr. »

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Leserkommentare

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