Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

«Tages-Anzeiger»: China kann mit EU-Vorschlag leben

ZÜRICH: Zur Jahrestagung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) heißt es am Dienstag im Zürcher «Tages-Anzeiger»:

«Lange hatte es so ausgesehen, als wäre der Dank an alle, die im Gesundheitswesen an der Bekämpfung der Seuche arbeiten, das Einzige, worauf sich die 194 Mitgliedsstaaten angesichts des Streits zwischen China und den USA über die Pandemie und ihren Ursprung einigen könnten. Doch eine von der Europäischen Union vorgelegte Resolution könnte dem als Videokonferenz abgehaltenen Treffen den Knall ersparen.

Chinas Präsident Xi Jinping erklärte, er unterstütze eine darin vorgesehene internationale Untersuchung der Ursprünge der Pandemie - allerdings erst, wenn der Kampf gegen das Virus gewonnen sei. Die aber dürfte sich US-Präsident Donald Trump anders vorgestellt haben. Nach dem Entwurf der EU, der laut Diplomaten von mindestens 116 Staaten mitgetragen wird, soll zwar auch mit einer Vor-Ort-Mission der Frage nachgegangen werden, wie das Virus vom Tier auf den Menschen übergegangen ist, nicht aber mögliches Fehlverhalten einzelner Staaten untersucht werden. Damit kann China vorerst leben.»


«Berliner Morgenpost» zu BND-Gesetz

Für Deutschlands Auslandsspione ist es ein harter Schlag.

Mit einem Grundsatzurteil legen die Karlsruher Verfassungsrichter dem BND bei der Überwachung und Auswertung von Handy- und Internetdaten in aller Welt Fesseln an. In der Welt der Spione ist das Geben und Nehmen überlebenswichtige Normalität. Jetzt hat Karlsruhe einen solchen Ringtausch an Informationen, die In- und Ausland betreffen, explizit verboten. Die Politik muss bei der Neugestaltung des BND-Auftrags darauf achten, dass die deutschen Schlapphüte handlungsfähig bleiben. Wichtig ist, dass Karlsruhe im BND-Urteil die Sonderrechte von Journalisten und Rechtsanwälten gestärkt hat. Ohne Whistleblower wären manche Kriegsverbrechen unentdeckt geblieben. Unterm Strich sollte für die BND-Zukunft deshalb gelten: Maß und Mitte bei der Spionage.


«El Mundo»: Antisemitismus getarnt als Kampf für Bürgerrechte

MADRID: Die spanische Zeitung «El Mundo» befasst sich am Dienstag mit den Protesten gegen die Corona-Politik in Deutschland:

«Die Verschwörungstheorien rund um das Coronavirus machen sich auch in Deutschland breit. Das Bedürfnis, einen Schuldigen für das von einem unkontrollierbaren Virus ausgelöste Unheil zu finden, entlädt sich in immer gewalttätigeren Demonstrationen. Nicht, weil Covid-19 die Illusion der Unsterblichkeit zerstört, die die Wissenschaft doch eigentlich zugesichert hatte, sondern um demokratische Rechte einzufordern, die angesichts der Pandemie auch in Quarantäne geschickt wurden. Die Behauptung ist immer dieselbe: Die Gesundheitsbehörden stellen die Gefahr übertrieben groß dar und die Regierung nutzt das aus, (...) um ihre Tentakeln nach den Bürgerrechten auszustrecken.

Es sollten nicht alle Proteste gegen die Corona-Maßnahmen über einen Kamm geschert werden, aber es gibt doch Gemeinsamkeiten. Schon bei der Flüchtlingskrise 2015 und auch heute wieder hat die extreme Rechte ihre Hände im Spiel. Deutsche Experten für rechtsextreme Gewalt haben bereits vor dem radikalisierenden Potenzial der Proteste gegen häusliche Quarantäne und Abstandsregeln gewarnt, die es in den vergangenen Wochen landesweit immer wieder gab.

Denn bei diesen Demonstrationen gegen den angeblichen Plan der Behörden, die Bevölkerung zu kontrollieren, werden Slogans gegen vermeintlich seit Jahrhunderten aktive geheime Eliten einschließlich der Familie Rothschild oder der neuen Imperialisten Chinas beschworen (...). Die Angriffe auf Menschen asiatischer und jüdischer Herkunft haben zugenommen, obwohl diese nicht Rothschild heißen oder Maos Doktrin anhängen. Die extreme Rechte benötigt keine Ausweispapiere, um ihre antisemitischen und rassistischen Stereotypen zu rechtfertigen. Sie kaschieren sie als das Recht, ihre Bürgerrechte auszuüben, ohne die Demokratie nicht möglich wäre.»


«Hospodarske noviny»: Krise ist Chance für Wandel

PRAG: Die liberale Wirtschaftszeitung «Hospodarske noviny» aus Tschechien sieht am Dienstag in der Krise eine Chance für Veränderungen:

«Die Corona-Krise hat in Zahlen einen Rückgang des Wirtschaftswachstums und eine stärkere Verschuldung des Staates verursacht. Dennoch muss sie nicht in allen Aspekten eine Tragödie sein. Viele Ökonomen und Politiker sprechen davon, dass die Krise auch Positives gebracht hat. Für Städte ohne Touristen hat sich das Problem mit den Ferienwohnungen von selbst gelöst. Die Mieten sinken damit für alle deutlich. Die Schließung der Fabriken hat die Luftqualität verbessert, was sich positiv auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirkt. Zudem dürfte nun der Druck wachsen, umweltfreundlichere Technologien einzusetzen. Vorgeschriebene Mindestabstände am Arbeitsplatz dürften die Automatisierung der Produktion vorantreiben. Das Homeoffice wird zur Normalität, ebenso wie Einkäufe über das Internet. Die Corona-Krise könnte tatsächlich zu einer Gelegenheit werden, die Welt zu verbessern.»


«Jyllands-Posten»: Freiheitsdrang in den USA hat auch Schattenseite

AARHUS: Die rechtsliberale dänische Tageszeitung «Jyllands-Posten» (Aarhus) wirft am Dienstag einen Blick auf die Lage der Demokratie in den USA:

«Während die Dänen an der Schwelle zur Corona-Krise Hefe und Klopapier hamsterten, hamsterten die Amerikaner Waffen. Viele und starke Waffen. Der Hang zur Schusswaffe ist bei den Amerikanern kulturell bedingt, aber in jüngster Zeit haben wir gesehen, dass das weit über sinnlose Massenmorde durch verwirrte Personen hinausgeht. Überall in den USA, dieser großen Demokratie, gibt es eine Menge kleiner, schwer bewaffneter Milizen, die außer Kontrolle scheinen. Und als eine Gruppe massiv bewaffneter Demonstranten vor dem Kapitol in Michigan auflief, um gegen die Anordnung zum Zuhausebleiben zu protestieren, bekam man ein Gefühl dafür, dass der amerikanische Freiheitsdrang auch eine bedrohliche, gefährliche Seite hat. Und Präsident Trump? Unterstützte die Demonstranten auf ihrem Weg.»


«Libération» : Corona-Plan von Macron und Merkel ist Meilenstein

PARIS: Den milliardenschweren Wiederaufbau-Plan der Bundeskanzlerin Angela Merkel und des französischen Präsidenten Emmanuel Macron kommentiert die französische Tageszeitung «Libération» am Dienstag:

«Tag der Trauer für die Anti-Europäer. Die Covid-Krise, so dachten sie, gepaart mit einer wirtschaftlichen Katastrophe, würde sie von dieser katastrophalen Gemeinschaftsutopie befreien (...). Endlich würde die gesegnete Zeit der Nationen - jede für sich - zurückkehren: (...) Abschied von Brüssel! (...) Pech: Gerade ist genau das Gegenteil eingetreten. Unter der Leitung des deutsch-französischen Paares - von dem gesagt wurde, es existiert nicht - bekräftigt die Europäische Union ihren Willen, gemeinsam gegen die Krise vorzugehen (...).

Entgegen aller Traditionen deutscher Kleinmütigkeit schlagen (Bundeskanzlerin Angela) Merkel und (Frankreichs Präsident Emmanuel) Macron vor, dass die Union einen massiven Kredit von 500 Milliarden (...) aufnimmt, der für die von der Krise am stärksten betroffenen Regionen und Branchen bestimmt ist. Abgesehen von den technischen Details ist dieser Vorschlag ein Meilenstein in der Geschichte der Union: Zum ersten Mal handelt es sich um einen massiven Ressourcentransfer von den stärksten Volkswirtschaften in die am stärksten betroffenen Regionen oder Länder. Zugegeben, die Zurückhaltung einiger Länder des Nordens muss noch überwunden werden. (...) Aber am Ende ist es das Gegenteil von Untätigkeit.»


«Sme»: Die Schulen sollten schneller wieder öffnen

BRATISLAVA: Die liberale slowakische Tageszeitung «Sme» kritisiert am Dienstag, dass die Schulen des Landes nicht vor dem 1. Juni wieder öffnen dürfen:

«Zwar macht vor allem die Wirtschaft Druck auf die Regierung, die Corona-Maßnahmen zu lockern, aber nahezu gleich wichtig sind auch die Schulen und Kindergärten. (...) Das Gefühl, die Regierung hätte sich auch im Bildungswesen etwas schneller bewegen können, ist unwiderlegbar. Im Großteil Europas öffnen die Schulen schon früher wieder als bei uns, obwohl die epidemiologische Situation fast überall schlimmer ist. Unser Regierungschef lässt keine Gelegenheit aus, mit unserer niedrigen Zahl an Infizierten zu prahlen - aber den Vorteil, den wir daraus ziehen könnten, ignoriert er offenbar. (...)

Es sieht fast so aus, als würde das Lernen auf Distanz bei uns zum Dauerzustand werden. Man muss aber doch auch auf jene Expertisen hören, die sagen, dass angesichts der digitalen Unterversorgung vieler Haushalte das «Home Schooling» die Ungleichheit noch verstärkt. Vor diesem Hintergrund scheint die (von der Regierung beschlossene) Öffnung der Schulen ab 1. Juni wie fünf nach zwölf.»


«De Tijd»: Export für die Wirtschaft wichtiger als private Kaufkraft

BRÜSSEL: Belgiens Sozialistische Partei will zur Ankurbelung der Wirtschaft nach der Corona-Krise die Kaufkraft der Bevölkerung mit Milliarden aus der Staatskasse stärken. Dazu meint die belgische Zeitung «De Tijd» am Dienstag:

«Ob es eine gute Strategie für die wirtschaftliche Wiederbelebung ist, vor allem auf die Stärkung der Kaufkraft zu setzen, ist zu hinterfragen. Natürlich muss verhindert werden, dass Menschen in die Armut absinken. Aber mindestens ebenso wichtig ist es, den Wirtschaftsmotor wieder in Gang zu bringen. Die Ausgaben der Familien sind dabei für die belgische Wirtschaft längst nicht so bedeutend wie die Exportmaschine. Wenn die Wiederbelebung gelingen soll, müssen dementsprechend pragmatische Entscheidungen getroffen werden. Auch wenn dann einige behaupten, es werde der Wirtschaft, aber nicht «den Menschen» mit Geld geholfen. Das ist kein Widerspruch. Denn wenn der Motor nicht anspringen sollte, würden viele Menschen schnell feststellen, dass es bei der Wirtschaft auch um sie geht.»


«Pravo»: Im Urlaub achtsam bleiben

PRAG: Die linksgerichtete Zeitung «Pravo» aus Tschechien schreibt am Dienstag zu den schrittweisen Grenzöffnungen in Europa:

«Die Anzahl der Infizierten steigt zwar weiter, doch immer langsamer. Das wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Leben erwacht allmählich aus dem erzwungenen Winterschlaf. Für die Wiederbelebung ist die Öffnung der Grenzen eine entscheidende Bedingung. Denn nicht zuletzt nähern wir uns der Hauptreisezeit. Selbst die größten Freunde der Exotik hatten vor wenigen Wochen noch geglaubt, dass sie die Ferien an einer Kiesgrube oder einem Stausee verbringen müssen. Doch alles deutet darauf hin, dass Reisen ins Ausland möglich sein werden. Die Frage bleibt nur: Wann, wohin und mit welchem Risiko? In allen Ländern gelten in unterschiedlichem Ausmaß Corona-Regeln. Wir werden sehen, ob wir eine zweite Infektionswelle verhindern können, wenn wir alle achtsam bleiben.»


«Nesawissimaja Gaseta»: Abstimmung über neue Verfassung im Sommer?

MOSKAU: Russlands Präsident Wladimir Putin hatte die für April geplante Abstimmung über die Verfassungsänderung wegen der Corona-Epidemie verschoben. Einen neuen Termin gibt es nicht. Dazu schreibt die Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Dienstag:

«Für die herrschende Elite ist die Frage nach dem Zeitpunkt der Abstimmung wichtig. Es gibt keine Garantie für stabile Zustimmungswerte. Es ist auch schwer, positive Trends vorherzusagen. Die Abstimmung kann nicht zusammen mit den Regionalwahlen in Herbst abgehalten werden, weil die Gouverneure nach dem Coronavirus gefragt werden. Und das kann sich direkt auf das Ergebnis der Volksabstimmung auswirken. Gewinnversprechend ist auch nicht, das Verfahren auf die lange Bank zu schieben. Die Krise kann lange dauern.

Deshalb könnte die Formel lauten «im Sommer: Parade und Abstimmung, im Herbst: Regionalwahlen». Das eigentliche Referendum wird dann mit der Lockerung der Quarantänemaßnahmen verknüpft.»


«The Times»: Großbritannien braucht ausländische Pflegekräfte

LONDON: Das britische Unterhaus hat das Gesetz zur Beendigung der Freizügigkeit für europäische Arbeitskräfte verabschiedet. Dazu merkt die Londoner «Times» am Dienstag an:

«Die Regierung muss erst noch die Einzelheiten der neuen Zuwanderungsregeln veröffentlichen, aber es wird erwartet, dass sie eine Mindestlohn-Schwelle beinhalten werden, um den Zustrom von «niedrig qualifizierten» Arbeitskräften einzudämmen. (...) Es ist jedoch bereits klar, was das für die sozialen Dienste bedeutet. Fast ein Fünftel der dortigen Beschäftigten wurde außerhalb Großbritanniens geboren. Die nationale Statistikbehörde schätzt, dass in diesem Bereich bereits jetzt 110.000 Stellen nicht besetzt sind. Um eine Personalkrise zu vermeiden, sollte die Regierung alle ausländischen Pflegekräfte und tatsächlich auch alle Beschäftigten des Gesundheitswesens dauerhaft von Visagebühren und von der Mindestlohn-Schwelle ausnehmen.»


«De Telegraaf»: Niederländisches «Nein» wird schwieriger

AMSTERDAM: Der von Deutschland und Frankreich vorgeschlagene Wiederaufbauplan für die europäische Wirtschaft in der Corona-Krise ist in der EU auf Zustimmung, aber auch auf Widerstand gestoßen. Dazu heißt es am Dienstag in der niederländischen Zeitung «De Telegraaf»:

«Bevor sie mit ihrem Vorschlag an die Öffentlichkeit traten, berieten sich Merkel und Macron mit der Europäischen Kommission. Auch verschiedene Mitgliedsstaaten, darunter die Niederlande, wurden in Kenntnis gesetzt. Die «deutsch-französische Achse» wollte nicht nur zeigen, dass man sich einig ist, sondern auch, dass Europa in dieser Krise handlungsfähig ist.

Merkel war zuvor - genau wie die Niederlande - beim Griff zum Portemonnaie eher zurückhaltend. Dass sie jetzt dazu bereit ist, wird es Den Haag schwerer machen, «Nein» zu diesem neuen Plan zu sagen.

Ein Sprecher von Finanzminister Hoekstra sagte, dass der deutsch-französische Vorschlag derzeit geprüft werde. Für eine inhaltliche Antwort war es am Montagabend zu früh. Es ist jedoch klar, dass die Niederlande immer noch nicht begeistert darüber sind, in der EU gemeinschaftliche Schulden aufzunehmen.»


«La Repubblica»: Starkes Signal von Merkel und Macron

ROM: Zu dem Plan für ein 500-Milliarden-Wiederaufbaupaket in der Corona-Krise, den Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vorgestellt haben, schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» am Dienstag:

«Deutschland und Frankreich senden ein starkes und lang erwartetes Signal der Führung in Richtung Europa und auf die Märkte. (...) Zusammengefasst bedeutet es, dass Italien Geld erhalten kann, das den eigenen Schuldenstand nicht aufbläht, das aber dabei helfen kann, das wirtschaftliche Gefüge zu reformieren. Und dieses Geld wird nicht als nationale Beiträge eingezogen, wie dies bisher für den EU-Haushalt geschehen ist, sondern kommt aus einem gemeinsamen Kredit, für den alle EU-Mitgliedsländer gemeinsam garantieren. Wir stehen damit vor einer Umkehr von bisher diskutierten Regeln und vor der Geburt einer «Transfer-Union», die von Teilen der nordeuropäischen Öffentlichkeit wie eine Geißel abgelehnt wurde. Natürlich muss der deutsch-französische Vorschlag noch viele Hindernisse überwinden. Doch die Kanzlerin und der Präsident haben bereits durchblicken lassen, dass sie grünes Licht von Italien und Holland erhalten haben - und natürlich das der Europäischen Kommission. Die Nordländer jedoch und die Österreicher, die jetzt paradoxerweise darauf beharren, dass es besser wäre, Kredite zu vergeben, als Finanzierungen zu gewähren, müssen weiterhin überzeugt werden.»


«El País» zum Wiederaufbauplan: Die Richtung stimmt, aber...

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Dienstag den deutsch-französischen Plan zur wirtschaftlichen Erholung innerhalb der EU:

«Der gestern vorgelegte französisch-deutsche Vorschlag für einen europäischen Wiederaufbauplan enthält positive Elemente (...), aber auch fragwürdige, zweideutige und ungünstige Teile. Wie man in diesen Fällen im diplomatischen Jargon zu sagen pflegt: «Es geht in die richtige Richtung», hat der Vorschlag doch mehr Tiefe als nur eine reine «Arbeitsbasis», aber der Plan muss vervollständigt, konkretisiert und besser umrissen werden.

Das Beste ist zweifellos, dass der Vorschlag sich dafür stark macht, den Wiederaufbaufonds mit einer gemeinsamen Schuldenaufnahme zu finanzieren (...), die von der Kommission verwaltet und vom europäischen Haushalt garantiert wird. Und positiv ist auch die beispiellose Höhe des Betrages von einer halben Billion Euro. Damit ist es ein Vorschlag von historischer Bedeutung (...).

Allerdings ist noch vieles unklar. Hinsichtlich der Laufzeit und der Art und Weise der Rückzahlung der Schulden (...) werden im Plan neue Eigenmittel, der digitale Steuersatz und andere Steuern erwähnt, jedoch ohne viele Einzelheiten.

Der umstrittenste Punkt ist zweifellos die Forderung, dass die Empfänger «eine klare Verpflichtung» eingehen sollen, «eine gesunde Wirtschaftspolitik zu verfolgen». Wenn dies den alten und grausamen «strengen Bedingungen» entspricht, die schutzbedürftigen Ländern auferlegt werden, wäre dies inakzeptabel. Wenn es um symmetrische und neutrale Forderungen an alle geht - um das öffentliche Defizit im Süden, aber auch um den übermäßigen Überschuss im Norden -, würde dies einer Logik folgen, die für alle sinnvoll ist.»


«NZZ»: Alte Bekannte an den Schalthebeln der Macht

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Dienstag das Abkommen zur Machtteilung in Afghanistan zwischen dem Präsidenten Aschraf Ghani und seinem Wahlrivalen Abdullah Abdullah :

«An den Schalthebeln der Macht sitzen die altbekannten Figuren: ehemalige Mudschaheddin, Warlords und Regionalfürsten, die das Land seit dem Sturz der Taliban 2001 dominieren. Das eklatanteste Beispiel ist General Abdul Raschid Dostum, einer der schlimmsten Kriegsverbrecher der neunziger Jahre. 2016 war der mächtige Usbeke, damals Vizepräsident unter Ghani, der Entführung, Folterung und Vergewaltigung eines rivalisierenden usbekischen Politikers angeklagt und musste vorübergehend fliehen. Als Verbündeter von Abdullah gehört er nun wieder zum engsten Machtzirkel.

Solch einflussreiche Strippenzieher einzubinden, schafft Stabilität. Afghanistan vergibt sich damit aber einmal mehr die Chance auf die Bekämpfung der chronischen Korruption und Günstlingswirtschaft und auf eine Aufarbeitung des traumatischen Bürgerkriegs.»

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