Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Rundschau» zu EuGH-Urteil zum Dieselskandal

Die Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) haben klargestellt, was überfällig war: Tricksereien mit den sogenannten Thermofenstern bei Dieselautos sind illegal.

Dabei ging es um eine Abschaltung der Abgasreinigung bei niedrigeren oder höheren, aber keineswegs extremen Außentemperaturen. Mercedes und Co rechtfertigten diese Thermofenster mit dem Schutz der Motoren und glaubten dadurch rechtlich unangreifbar zu sein. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Strategie quasi indirekt bestätigt: Was für die geprellten Autokäufer bedeutet, dass ihnen Schadenersatz verwehrt wurde. Der EuGH hat diese Auslegung nun kassiert. Gut so. Endlich Gerechtigkeit. Deutsche Gerichte müssen nun entscheiden, was das EuGH-Urteil für Tausende anhängige Schadenersatzklagen konkret bedeutet. Es könnte passieren, dass Autobauer mit ganz kleinem Geld für ihre Betrügereien davonkommen - ein Skandal im Dieselskandal.


«Handelsblatt» zur Preiserhöhung von Microsoft

LEIDER IST ES KEIN APRILSCHERZ: Ab dem 1.

April steigen die Preise der Cloud-Produkte von Microsoft in der Euro-Zone um elf Prozent. Und das nur ein Jahr nachdem Microsoft seine Cloud-Dienste um bis zu 25 Prozent verteuerte. Das Selbstbewusstsein von Microsoft weckt Erinnerungen an die Neunzigerjahre. Damals nutzte der Konzern seine Marktmacht im PC-Markt und bei Geschäftskunden aus. Die hat Microsoft geschickt in die Cloud-Ära übertragen. (...) Viele Jahre investierte Microsoft in das Start-up OpenAI und kooperierte mit ihm. Dessen Sprachmodell GPT-4 integriert der Konzern in viele Produkte. (...) Die Künstliche Intelligenz wird unsere Abhängigkeit von Microsoft noch dramatisch vergrößern. Es deutet sich eine neue Onlinewelt an, aus der jede Friktion, wie es Ökonomen nennen, verschwindet.


«Stuttgarter Zeitung» zum Tag des Wassers

Der Bund hat sich in seiner Wasserstrategie um klare Entscheidungen herumgemogelt.

Man kann den Bericht als eine Wunsch- oder bestenfalls als eine Aufgabenliste bezeichnen. Er tut niemandem weh, denn die eigentlichen Konflikte, und die wird es zuhauf geben, wurden ausgeklammert. Und dann gibt es das grundsätzliche Problem, dass niemand Wasser herbeizaubern kann. Wie man mit dem ausbleibenden Regen umgeht, wie man Wasser spart und vor allem, wie man garantiert, dass künftige Generationen noch genügend sauberes Wasser besitzen werden, das bleibt insgesamt zu vage. Von Obergrenzen der Entnahme steht jedenfalls nichts im Bericht. Dennoch: Im Kern ist die Strategie richtig. Nur muss sie ernsthaft in Angriff genommen werden. Grund zur Panik besteht nicht. Aber am besten ist es immer, Probleme zu lösen, bevor sie in eine große Krise münden.


«Münchner Merkur» zu Ölheizungen/SPD/Grüne

Lange hat die SPD im Streit um Habecks Ölheizungsverbot geschwiegen.

Jetzt bricht es umso heftiger aus ihr heraus: Kein gutes Haar lassen die Ministerpräsident(inn)en Schwesig, Weil und Dreyer am grünen Herzensthema. Zu teuer, zu unsozial, zu weltfremd. Es rumort, jetzt auch zwischen den Ampelpartnern SPD und Grüne. Auch beim Verbrenner-Aus schlug sich der Kanzler ins Lager der FDP. Und in Berlin will die SPD um Franziska Giffey um keinen Preis mit den Grünen weiterregieren. Bahnt sich da, nach dem Zerwürfnis zwischen Union und FDP, das nächste große Liebes-Aus an der deutschen Politik an? Es sieht so aus. Immer mehr dämmert den Genossen, dass sie es sind, die in der Beziehung mit den hippen urbanen Lifestyle-Grünen leiden. Und dass ihre meist nicht so betuchten Wähler es gar nicht schick finden, wenn ausgerechnet sie das Weltklima retten sollen.


«Corriere della Sera»: Putin und Xi kommen sich immer näher

ROM: Zum Staatsbesuch von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Russland schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» am Dienstag:

«Seit der Entfesselung der Aggression gegen die Ukraine hat sich der Zar (Wladimir Putin) von allem und jedem distanziert sowie Besucher und Gäste ans andere Ende eines sechs Meter langen ovalen Tisches verbannt. Diese Regel konnte nicht für den «lieben Freund» (Xi Jinping) gelten, der aus Peking gekommen war, um die Isolation des russischen Führers zu durchbrechen. Putin zeigt, dass er nicht allein ist.

Xi hat mehr Botschaften: Er verkleidet sich als globaler Staatsmann; er verhüllt seine Solidarität mit Moskau in zwölf Punkte, die von Waffenstillstand bis Wiederaufbau der verwüsteten Ukraine reichen; er versucht, die Europäer von seinem friedensstiftenden guten Willen zu überzeugen; und schließlich erklärt er Joe Biden, dass China sich immer an Russland wenden kann, um die Umzingelung an der asiatischen Front zu durchbrechen.

Ein chinesisches Sprichwort lautet: «Sie schlafen zusammen, haben aber unterschiedliche Träume.» Das klingt perfekt für die beiden «großen Freunde» Xi und Putin. Man könnte hinzufügen, dass sie einen gemeinsamen Albtraum haben: die Umzingelung durch den Westen.»


«Libération»: Rentenreform zeigt Macrons Dilettantismus

PARIS: Zum Rentenstreit in Frankreich schreibt die französische Tageszeitung «Libération» am Dienstag:

«Die Rentenreform ist verabschiedet, aber Emmanuel Macron und Élisabeth Borne können sich darüber nicht freuen. Zwei Monate lang haben sie durch die schlechte Verteidigung eines schlampigen Projekts ihren Dilettantismus unter Beweis gestellt. Ohne Not werden sie wie selten zuvor das Parlament geschwächt haben. Es war eher notwendig, das Ansehen des Parlamentes aufzupolieren. Erreicht haben sie das Gegenteil.

Präsident und Premierministerin werden auch maßgeblich dazu beigetragen, die Kluft zu vertiefen, die die Bürger Jahr für Jahr von der Politik entfernt. Ganz nebenbei haben sie den Nährboden für die (rechtsnationale Partei) RN und ganz allgemein für rechtsextreme Verschwörungsbewegungen bereitet, die jede politische Krise aufsaugen. Und während diese Reform dazu gedacht war, Macrons Handlungsfähigkeit zu demonstrieren, werden sie ihn quasi zum König ohne Kleider gemacht haben. Wahre Meister.»


«Hospodarske noviny»: Feuer im Bankensektor könnte wieder auflodern

PRAG: Zur Übernahme der angeschlagenen Credit Suisse durch die Schweizer Großbank UBS schreibt die liberale Wirtschaftszeitung «Hospodarske noviny» aus Tschechien am Dienstag:

«Man steigt nicht zweimal in denselben Fluss. Keine Krise ist gleich. Dass die aktuellen Probleme im Bankensektor der Vereinigten Staaten und der Fall der Schweizer Bank Credit Suisse in tausendfacher Hinsicht anders aussehen als der Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008, muss daher kein Grund zur Beruhigung sein. Geändert hat sich seither freilich, dass die Nationalbanken und Regierungen gelernt haben, ein Feuer so früh wie möglich zu bekämpfen. Einstweilen scheint es, dass der schlimmste Brand gelöscht ist. Doch bleibt das unangenehme Gefühl, dass ein paar Funken übrig geblieben sein könnten. Und wie die Geschichte schon oft gezeigt hat, wird aus einem Funken leicht eine Flamme, die nicht auf scheinbar weit entfernte Banken beschränkt bleiben muss.»


«Latvijas Avize»: Moskaus Abhängigkeit vom großen Bruder nimmt zu

RIGA: Zum Staatsbesuch von Chinas Staatschef Xi Jinping in Russland schreibt die lettische Tageszeitung «Latvijas Avize» am Dienstag:

«Chinas Staatschef Xi Jinping ist der wichtigste ausländische Gast, der Moskau seit Russlands Angriff auf die Ukraine einen Staatsbesuch abstattet. Doch selbst die ausgeklügelten Maßnahmen des Protokolls konnten die zunehmende Asymmetrie zwischen beiden Ländern in Sachen militärischer und wirtschaftlicher Macht nicht verbergen. Seit Putin und Xi sich wenige Wochen vor der russischen Invasion das letzte Mal in China getroffen haben, hat sich die politische und wirtschaftliche Lage des Kreml verschlechtert. Russland ist noch abhängiger von seinem großen asiatischen Nachbarn geworden.

China ist nun zum großen Bruder geworden, auf dessen Gunst das Russland des international sanktionierten Putin angewiesen ist. Dass Peking dem Putin-Russland eine «Freundschaft ohne Grenzen» erklärt hat und gleichzeitig versucht, sich als Vermittler bei möglichen Friedensgesprächen in der Ukraine zu positionieren, zeigt zugleich auch die Widersprüchlichkeit der chinesischen Politik.»


«De Telegraaf»: Haftbefehl für Putin wird kaum vollstreckt werden

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «De Telegraaf» kommentiert am Dienstag den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin:

«Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew droht damit, das Gericht mit Raketen anzugreifen, und Russland leitete eine strafrechtliche Untersuchung gegen den Chefankläger und die Richter des IStGH ein. Diese Untersuchung ist weitgehend symbolisch. Dasselbe gilt für den Haftbefehl, mit dem in erster Linie Putins Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird. Die Aussicht, dass der russische Machthaber jemals vor dem Gericht erscheint, ist minimal.

Der IStGH wurde von Präsident Biden gelobt, obwohl die Amerikaner den Gerichtshof nicht anerkennen (ebenso wie Russland und China) und sich weigern, Erkenntnisse über Kriegsverbrechen in der Ukraine mit dem IStGH zu teilen. Es gibt sogar ein spezielles US-Gesetz - der so genannte The Hague Invasion Act -, das eine Intervention rechtfertigt, wenn US-Soldaten vom IStGH vor Gericht gestellt werden sollen.

Solange die Großmächte den IStGH nicht anerkennen, ist ein solches Vorgehen relativ aussichtslos. Der beste Weg, Putin zu besiegen, besteht darin, die Ukraine mit den Waffen auszustatten, die sie braucht, um sich zu verteidigen. Kriegsverbrechen sollten natürlich untersucht werden, wobei die Strafverfolgung und der Prozess der Ukraine überlassen werden sollten.»


«NZZ»: Weltklimarat sollte sich stärker Lösungen widmen

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» aus der Schweiz kommentiert am Dienstag den Bericht des Weltklimarats:

«Die Autoren haben etwa in dem neuen Bericht die ganze Palette der Optionen für die Minderung der CO2-Konzentration aufgeschlagen. Sie reicht von emissionsarmen Formen der Energieerzeugung - und dazu zählen die erneuerbaren Energiequellen ebenso wie die Kernenergie - über Kohlenstoff speichernde Varianten der Landwirtschaft bis hin zum Schutz und zur Renaturierung von Ökosystemen sowie zum Energiesparen in all seinen technischen Varianten.

Es wäre zu wünschen, wenn der Fokus in den Uno-Klimaberichten in Zukunft von den Alarmsignalen noch stärker auf die Lösungen übergehen würde. (...) Es hat wenig Sinn, teuer ausgebildete Wissenschaftler jahrelang an riesigen umfassenden Berichten feilen zu lassen, die fast niemand im Detail liest. Der am Montag vorgestellte Bericht zählt im Prinzip dazu. Die kürzeren Sonderberichte des Klimarats, in denen es um konkretere Fragestellungen geht, haben sich als ein sinnvolleres Format erwiesen, das ausgebaut werden sollte. Themenbereiche wie die Anpassung an den Klimawandel in Städten oder die Technologien zum CO2-Entzug aus der Luft bieten sich hier an. Es ist zu hoffen, dass der Uno-Klimarat die Zeichen der Zeit erkennt.»


«Irish Times»: Klimaschutz erfordert auch Klimagerechtigkeit

DUBLIN: Angesichts der Erderwärmung hat UN-Generalsekretär António Guterres mehr Anstrengungen für den Klimaschutz gefordert. Dazu meint die irische Tageszeitung «Irish Times» am Dienstag:

«Zu den Maßnahmen, die Guterres unter dem Motto «Alles, überall, auf einmal» vorschlägt, gehören die Aufforderung an die G20-Staaten, ihre Ressourcen und Fähigkeiten zu bündeln, um bis 2050 CO2-Neutralität zu erreichen. Des Weiteren soll der schrittweise Ausstieg der OECD-Länder aus der Kohle bis 2030 und aller Länder bis 2040 angestrebt werden - bei gleichzeitiger Beendigung jeglicher privater und staatlicher Finanzierung von Kohle - sowie ein Stopp für sämtliche Genehmigungen und Finanzierungen zur Erschließung neuer Öl- und Gasvorkommen und die Ausweitung bestehender Reserven.

Das ist eine mutige Aussage in einer Woche, in der US-Präsident Joe Biden das riesige Willow-Ölprojekt in Alaska genehmigt hat. Zudem müssen diese Maßnahmen durch Klimagerechtigkeit untermauert werden, indem Mittel von den reicheren, umweltverschmutzenden Ländern an die armen Länder transferiert werden, die am meisten unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden. Eine derart radikale Agenda wirkt beschwerlich und einschüchternd. Aber sie nicht umzusetzen, ist keine Option mehr, wenn wir überleben wollen.»


«Sydney Morning Herald»: Bei Klima ist noch Zeit zu handeln

SYDNEY: Zum jüngsten Bericht des Weltklimarats schreibt die australische Zeitung «Sydney Morning Herald» am Dienstag:

«Dieser Bericht ist das Werk Tausender Wissenschaftler, die mehr als ein halbes Jahrzehnt lang geforscht und analysiert haben. Sein Wortlaut wurde vor seiner Genehmigung und Veröffentlichung von Vertretern fast aller Regierungen der Welt sorgfältig ausgehandelt. Es handelt sich um die gründlichste Einschätzung der Klimawissenschaft, die die Welt im letzten Jahrzehnt sehen wird, in dem wir noch Zeit haben, zu handeln, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels aufzuhalten. Und dies ist ein weiterer wichtiger Punkt des Berichts und seiner Autoren - es ist noch Zeit zu handeln. Die Schritte dahin sind weder einfach noch billig, aber sie sind notwendig und jetzt absolut klar.»


«Magyar Nemzet»: Annäherung zwischen Russland und China

BUDAPEST: Zum Besuch des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping in Moskau schreibt die ungarische Tageszeitung «Magyar Nemzet» am Dienstag:

«Die russisch-chinesische Annäherung, der zu Zeiten des Kalten Kriegs noch ernsthafte Gegensätze entgegenstanden, umfasst eine Landmasse, die vom Baltikum bis zum Pazifischen Ozean und Korea reicht. Nimmt man den (moskau-freundlichen) Iran hinzu, hat man neben zwei Atommächten noch eine potenzielle dritte. Ist das gut für die Welt? Nicht sicher, aber das im Ukraine-Wahn versunkene Europa hat sich selbst eliminíert, um bei diesen Umgestaltungen mitzureden.

Die Briten, die Franzosen und die Deutschen zeigen auf jeweils unterschiedliche Weise Krisenerscheinungen. Die anderen europäischen Länder machen - zumindest in weltpolitischer Hinsicht - das Kraut nicht fett. Schlechte Zeiten kommen auf jene zu, die glauben, dass die Welt nur von Los Angeles bis zur Slowakei reicht, die den Ukrainern bereits Kampfflugzeuge liefert.»


«Guardian»: Staaten müssen Klimaschutz stärker finanzieren

LONDON: Zum Bericht des Weltklimarats (IPCC) meint die britische Zeitung «Guardian» am Dienstag:

«Die reiche Welt hat das Geld und die technischen Möglichkeiten, um die weitere Aufheizung des Planeten zu verhindern. Doch die finanziellen Mittel für den Klimaschutz reichen bei weitem nicht aus, um den Klimanotstand wirksam zu bekämpfen. Der IPCC schätzt, dass die Investitionen in Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel drei- bis sechsmal zu niedrig sind, um das Ziel der Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius zu erreichen.

Ein Grund dafür ist, dass die Welt davon abhängig ist, dass die Finanzinstitute Geld bereitstellen. Wir können es aber nicht dem Privatsektor überlassen, die Probleme der globalen Erwärmung zu lösen. Zur Rettung der Menschheit sind mehrjährige Investitionen in Höhe von Billionen Dollar erforderlich, aber Unternehmen werden keine Ausgaben riskieren, wenn die Amortisation Jahre dauern kann oder nie erfolgt. Deshalb muss sich der Staat in viel größerem Umfang engagieren - aber ohne dabei die Risiken zu vergesellschaften und den Banken zu erlauben, den Gewinn zu privatisieren.»

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