Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

«El Mundo»: Tichanowskaja verdient Unterstützung

MADRID: Die spanische Zeitung «El Mundo» kommentiert am Dienstag die Demonstrationen gegen den weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko:

«Nach mehr als 25 Jahren politischen Stillstands tut sich etwas in Belarus (Weißrussland). Nach Angaben der Zentralen Wahlkommission soll (Amtsinhaber) Alexander Lukaschenko bei der Wahl am Wochenende die Unterstützung von fast 80 Prozent der Wähler erhalten haben, eine Zahl, die die Opposition unter Führung von (Präsidentschaftskandidatin) Swetlana Tichanowskaja als betrügerisch und inakzeptabel bezeichnet. Dies sieht auch ein Teil der Bürger so. Sie gehen seit Sonntagnacht auf die Straßen der wichtigsten Städte des Landes, einschließlich der Hauptstadt Minsk. (...)

Tichanowskaja (...) rief Lukaschenko auf, die Macht abzugeben und einen demokratischen Übergang zuzulassen. Tatsächlich aber wird eine Veränderung schwierig, solange (der russische Präsident Wladimir) Putin weiterhin Lukaschenko stützt. (...) Und es ist auch nicht verwunderlich, dass der Opposition das Beispiel der benachbarten Ukraine vor Augen steht, wo Putin einen demokratischen Wandel und eine Annäherung an die EU verhinderte sowie einen Konflikt auslöste, der Tausende Tote verursacht und das Land gespalten hat. Tichanowskaja (...) scheint eine solide Führung aufgebaut zu haben, die die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft erhalten sollte, um ein seit viel zu langer Zeit bestehendes Regime zu beenden.»


«de Volkskrant»: Libanon steht vor einem schwierigen Weg

AMSTERDAM: Der Libanon stehe vor einer ungewissen Zukunft, meint die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Dienstag:

«Der Rücktritt der libanesischen Regierung ist ein erster Schritt in Richtung politischer Reformen, die dem geplagten Land eine neue Zukunft ermöglichen sollen. Einfach wird dieser Weg nicht. Es ist zu befürchten, dass die alten Clans ihre lukrativen Machtpositionen nicht so leicht aufgeben, zumal sie unterstützt werden durch ausländische Kräfte wie den Iran und Syrien. (...)

Die internationale Gemeinschaft muss dem Libanon helfen. Aus Solidarität mit den Libanesen, die schon viele Schicksalsschläge hinnehmen mussten und die sehr viele Flüchtlinge aufgenommen haben, die in reicheren Ländern nicht willkommen waren. Zudem würde ein weiter wachsendes Chaos im Libanon dazu führen, dass die Instabilität im Nahen Osten nur noch größer wird.»


«NRC Handelsblad»: Belarus ist für Moskau von strategischer Bedeutung

AMSTERDAM: Zur Haltung Russlands angesichts der Krise in Belarus (Weißrussland) heißt es am Dienstag in der niederländischen Zeitung «NRC Handelsblad» (Online-Ausgabe):

«Weißrussland ist für Russland von höchster strategischer Bedeutung und Moskau will das Land um jeden Preis in seiner Einflusssphäre behalten. (...) Moskau dürfte, wie auch immer, bei einem «Maidan-Szenario», in dem eine pro-westliche Regierung an die Macht gelangt, nicht abseits bleiben. Die gegenwärtige politische Krise in Weißrussland kann sich daher leicht zu einer neuen Konfrontation zwischen Russland und dem Westen auswachsen.»


«Corriere della Sera»: Taiwan-Politik der USA ist doppeldeutig

ROM: Zu den Spannungen zwischen den USA und China und dem Besuch von US-Gesundheitsminister Alex Azar in Taiwan, das die kommunistische Führung in Peking als Teil der Volksrepublik ansieht, schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» am Dienstag:

«Die «Rebellen»-Insel ist eine «rote Linie» für Peking, das die Vereinigung mit politischen oder sogar militärischen Mitteln will. Aber es stellt sich die Frage, ob die USA bereit wären, einen Krieg zur Verteidigung Taiwans zu führen. Das Ergebnis, das sich aus den Simulationen in den vergangenen zehn Jahren ergibt, zeigt für die US-Streitkräfte in der Region eine nahezu perfekte (und negative) Bilanz: Sie wurden stets besiegt von den «Roten» aus China. (...) Amerikanische Politikwissenschaftler argumentieren, Washington habe zu Recht seine Linie der «strategischen Doppeldeutigkeit» beibehalten: Nicht klar zu sagen, ob es die Insel militärisch vor einer Invasion der Volksbefreiungsarmee verteidigen würde.»


«The Times»: Westen sollte erneut Sanktionen gegen Belarus verhängen

LONDON: Die Londoner «Times» plädiert am Dienstag für eine klare Reaktion des Westens auf das Vorgehen gegen Demonstranten in Belarus (Weißrussland):

«Auf umfangreiche Proteste in der Hauptstadt Minsk und anderen Städten hat die Bereitschaftspolizei mit Massenverhaftungen reagiert. Die Antwort der westlichen Demokratien sollte unmissverständlich sein. Die Opposition gegen Alexander Lukaschenko demonstriert großen Mut und Zurückhaltung. Die USA und die EU haben in den vergangenen Jahren Sanktionen gegen Lukaschenkos Regime als Reaktion auf eine vermeintliche Liberalisierung erheblich gelockert. Diese Sanktionen müssen wieder in Kraft gesetzt werden. Europa darf Wahlfälschung und Unterdrückung nicht als normalen Bestandteil bürgerlichen Lebens betrachten. Und wenn Belarus sich endlich die Werte einer liberalen Demokratie zu eigen macht, wird das Volk wissen, wer seine Verbündeten waren.»


«Rzeczpospolita»: Lukaschenko muss erneut auf den Kreml setzen

WARSCHAU: Zur Entwicklung nach der Präsidentenwahl in Belarus (Weißrussland) schreibt die konservative polnische Tageszeitung «Rzeczpospolita» am Dienstag:

«Alexander Lukaschenko hat blitzschnell die Seite gewechselt. Sofort nachdem Russland seine Wahl für eine sechste Amtszeit anerkannt hat, kritisierte er den Westen und behauptete, die Proteste nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses würden von Polen, Tschechien und Großbritannien gesteuert. In den vergangenen Monaten hatte sich Lukaschenko um eine Annäherung an die EU bemüht, um angesichts des wachsenden Drucks aus Moskau mehr Manövrierraum zu bekommen.

Angesichts einer existenziellen Bedrohung des Regimes durch die demokratische Opposition hat Lukaschenko indes erkannt, dass er erneut auf den Kreml setzen muss. Es ist nicht schwer vorherzusehen: Wenn in den kommenden Tagen die Ereignisse in Belarus einen noch brutaleren Verlauf nehmen und der Westen Sanktionen verhängt, dann wird der Diktator (...) Wladimir Putin die Souveränität von Belarus anbieten, um die eigene Haut zu retten. Der Kreml könnte auf diese mehr oder weniger formale Annexion eingehen in der Hoffnung, dass diese erneute Expansion - ähnlich wie bei der Krim vor sechs Jahren - die russische Bevölkerung mobilisiert, die von einer schwierigen Wirtschaftslage ebenso ermüdet ist wie von ihrem alternden Führer.»


«Dernières Nouvelles d'Alsace»: Niger - Krieg ohne Berichterstattung

STRAßBURG: Die Ermordung von sechs Franzosen und ihren Begleitern im Niger kommentiert die französische Tageszeitung «Dernières Nouvelles d'Alsace» am Dienstag:

«Die Ermordung von sechs französischen humanitären Mitarbeitern und ihren Begleitern am Sonntag im Niger hat die Westeuropäer an die Realität eines Krieges erinnert, der völlig von der Bildfläche der Nachrichten verschwunden ist, der aber jeden Tag Dutzende Opfer fordert, über die niemand spricht. Ein Krieg ohne Ton, ohne Bild, ohne Mitleid. (...) In diesem speziellen Fall ging es den Angreifern nicht darum, Gefangene zu nehmen und Lösegeld zu verhandeln, wie es bereits in der Vergangenheit vorgekommen ist. Man ist zu einer anderen Logik übergegangen, zum einfachen und simplen Mord. Es geht darum, die Westeuropäer und die humanitären Hilfsorganisationen, die bemerkenswerte (...) Arbeit für die Bevölkerungsgruppen leisten, die von der Regierung im Stich gelassen werden, zu verschrecken. Das Ziel dabei ist, ausländische Zeugen aus dem Weg zu räumen oder abzuschrecken. Um diese Gebiete in ein komplettes Schwarz zu tauchen und dort ungestraft metzeln zu können.»


«NZZ»: Säulen der Macht Lukaschenkos sind brüchig geworden

ZÜRICH: Zu den Protesten nach der Wahl in Belarus (Weißrussland) meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Dienstag:

«Die große Frage ist, wie es nun weitergeht. Lukaschenko ist angeschlagen, er wirkt wie ein Mann im Spätherbst seiner Herrschaft. Zwei Säulen seiner Macht sind brüchig geworden: Erstens kann er sich der Unterstützung der breiten Bevölkerung nicht mehr sicher sein. Das ist ein großer Unterschied zu früher. (...) Zweitens genießt Lukaschenko nicht mehr vollen Rückhalt im Kreml. Ein Vierteljahrhundert lang half ihm Russland bei der Absicherung seiner Herrschaft, indem es das Nachbarland mit vergünstigter Energie subventionierte. Damit ist es vorbei, zumindest vorläufig. (...)

Noch scheinen die Sicherheitsbehörden jedoch voll hinter dem Präsidenten zu stehen. Die Auszählung der Stimmen ergab das «gewünschte» Resultat, und ebenso beweist die Polizei ihre Loyalität, indem sie hart gegen die vielen tausend friedlichen Demonstranten vorgeht. In dieser Machtprobe sitzt das Regime vorerst am längeren Hebel. Ein Szenario, in dem die Demokratiebewegung der Repression trotzt und standhaft eine Überprüfung des Resultats verlangt, ist gleichwohl nicht auszuschließen.»


«Nesawissimaja»: Lukaschenko unterdrückt Proteste aufs Brutalste

MINSK: Zu den Protesten nach der Präsidentenwahl in Belarus (Weißrussland) schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Dienstag:

«Alexander Lukaschenko hat keine Angst vor dem Zorn der europäischen Nachbarn und unterdrückt auf das Brutalste die friedlichen Proteste der Bürger gegen die Fälschungen der Wahlergebnisse. Es gab Tausende Festnahmen und Dutzende Verletzte. Die Präsidentenkandidatin Swetlana Tichanowskaja hat die Ergebnisse der Wahl nicht anerkannt und will eine Neuauszählung der Stimmen erreichen. Auch die Bürger wollen weiter um ihre Stimme kämpfen.

Experten gehen davon aus, dass sich die Lage weiter verschärft. (...) Lukaschenko ist nicht bereit anzuerkennen, dass das belarussische Volk gegen ihn protestiert. Vor einer Woche sah er noch Russland am Steuerrad der Proteste. Nun hat er die Liste der Länder erweitert, die gegen Belarus sein sollen - und zwar auf Tschechien, Polen und die Ukraine.»


«Nepszava»: Dem letzten Diktator bleibt nur mehr noch der Terror

BUDAPEST: Über die blutige Unterdrückung der Proteste nach dem mutmaßlichen Betrug bei der Präsidentenwahl in Belarus (Weißrussland) schreibt die Budapester Tageszeitung «Nepszava» am Dienstag:

«Die unfassbar brutale Polizeigewalt demonstriert, warum (der amtierende Präsident) Alexander Lukaschenko mit Recht Europas letzter Diktator genannt wird. (...) Ihm bleibt ein einziges Mittel: der Terror. Da er es ist, der die bewaffneten Staatsorgane kommandiert, wird es ihm wahrscheinlich gelingen, die eigene Bevölkerung niederzuringen. Doch was ist dann? Er wird seine Legitimität nicht nur in den Augen der Menschen, sondern auch vor seiner eigenen Nomenklatur verlieren. Die Türen zum Westen sind ihm verschlossen, und auch Russland hat an seinem Schicksal kein Interesse mehr.»


«NZZ»: Scholz wird Verhältnis zur Linken klären müssen

ZÜRICH: Zur Nominierung von Vizekanzler Olaf Scholz als SPD-Kanzlerkandidat meint die «Neuen Zürcher Zeitung» am Dienstag:

«Wer Politik auch nach ihrem Unterhaltungswert beurteilt, wird mit diesem Kandidaten eher wenig und mit seinem Spottnamen «Scholzomat» viel anfangen können. Doch inhaltlich ist er ein angenehmer Kontrast zu vielen anderen Führungsfiguren seiner Partei, die bis heute das Oxymoron des «demokratischen Sozialismus» bemühen, gegen die USA poltern, Antifa-Gruppen zum Bündnispartner erklären oder laut über die Vergesellschaftung großer Unternehmen nachdenken. (...)

Auch das «progressive» Regierungsbündnis, von dem die Parteiführung träumt, wirft mehr als nur taktische Fragen auf. Die Linkspartei, die neben den Grünen zu einer solchen Koalition gehören würde, hat in ihren Reihen zwar einige moderate Köpfe. Aber sie duldet auch DDR-Verklärer und Linksextremisten. Ihre außenpolitischen Ziele sind mitunter aberwitzig. Dem Kandidaten Scholz ist hierzu am Montag auch auf mehrfaches Nachfragen nicht mehr eingefallen als ein Zitat des früheren SPD-Chefs Sigmar Gabriel: «Es hängt an den anderen.» Das ist zu wenig. Wenn dieser Realo bei Realo-Wählern eine Chance haben will, wird er sein Verhältnis zur Linkspartei klären müssen.»


«Lidove noviny»: USA fordern mehr Abstand zu China und Russland

PRAG: Zur am Nachmittag im westböhmischen Pilsen (Plzen) beginnenden Mitteleuropa-Reise des US-Außenministers Mike Pompeo schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Prag am Dienstag:

«Nach neun Jahren kommt erstmals wieder ein US-Außenminister nach Tschechien. Doch er will mit den Vertretern des Landes hauptsächlich über Russland und China sprechen. (...) Die Vereinigten Staaten betrachten diese beiden Staaten als ihre strategischen Rivalen. Washington würde es gerne sehen, dass Prag noch stärker eine vergleichbare Haltung einnimmt und zum Beispiel im Umgang mit chinesischen Firmen mehr Umsicht walten lässt. Für die tschechische Regierung wäre das kein Problem, denn es steht in Übereinstimmung mit ihrer Außenpolitik. Doch sollte man versuchen, die günstige Situation zu nutzen, um von den USA wenigstens etwas im Gegenzug zu erhalten - etwa wenn es um den gegenseitigen Handel oder einen künftigen Impfstoff gegen Covid-19 geht.»


«Washington Post»: Pekings autoritäre Zwangsjacke für Hongkong

WASHINGTON: Zur Festnahme des bekannten Hongkonger Medienmoguls und Aktivisten Jimmy Lai schreibt die US-Zeitung «Washington Post»:

«Nach Jahren des langsamen Aushöhlens ist China nun dabei, im Eiltempo Hongkongs legendärer Freiheit und Unabhängigkeit ein Ende zu setzen. Präsident Xi Jinping scheint sich entschieden zu haben, dass jetzt, wo das neue nationale Sicherheitsgesetz in Kraft ist, Hongkong rasch in Chinas autoritäre Zwangsjacke gesteckt werden sollte - keine Verzögerungen mehr. Dies ist die beunruhigende Botschaft der Festnahme des Demokratie-Aktivisten und Tycoons Jimmy Lai am Montag. (...)

Der Vorwurf der «Absprache mit ausländischen Mächten» ist ungeheuerlich, aber die Razzien signalisieren die Entschlossenheit, die Pressefreiheit auszulöschen, lange Zeit eine von Hongkongs Kronjuwelen der Freiheit - ein Prinzip und eine Praxis, die es im Einparteienstaat auf dem Festland nicht gibt.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.