Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

«The New York Times»: Enttäuschte Senioren tendieren zu Biden

NEW YORK: Drei Monate vor der Präsidentenwahl in den USA droht Amtsinhaber und Kandidat Donald Trump der Verlust von Stimmen unter den älteren und von der Corona-Pandemie besonders bedrohten Senioren, schreibt die Zeitung «The New York Times» am Montag (Ortszeit):

«Weniger als 100 Tage vor der Wahl heizt sich der Kampf um Amerikas verlässlichste Wählergruppe auf. Von Krisen bedrängt, läuft Präsident Trump Gefahr, ältere Wähler zu verlieren (...). Das Team Biden ist bestrebt, diesen Wählern eine tröstlichere Alternative zu bieten.

Ältere Amerikaner wählen. In großer Zahl. Konsequent. Unabhängig davon, ob die konkreten Kandidaten ihr Herz höher schlagen lassen. Senioren sind eine politische Kraft, die Kandidaten vernachlässigen oder, schlimmer noch, vor den Kopf stoßen. (...) Vergangenen Monat merkte NBC News an, der Durchschnitt der aktuellen Wählerumfragen zeige, dass die Wähler in der Altergruppe 65 und älter Biden um 15 Punkte bevorzugen.

Diese Verschiebung bei der Wählergunst wird von vielen Faktoren angetrieben, von Trumps Grobheit bis hin zu seiner harten Antwort auf die Proteste gegen Rassismus. Aber es steht außer Frage, dass sein desaströser Umgang mit dem Coronavirus ihn Stimmen bei den Senioren gekostet hat, die ein erhöhtes Risiko haben, an Covid-19 zu sterben.»


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Krise im spanischen Königshaus

(...) Zu Recht hat Ministerpräsident Pedro Sánchez daran erinnert, dass Spanien dringender denn je robuste und vorbildliche Institutionen benötigt.

Felipe hat vor sechs Jahren bei seiner Krönung versprochen, er wolle für die Bürger Spaniens nützlich sein. Aber das Königshaus war seitdem zu oft mit sich selbst und eigenen Affären beschäftigt. Felipe muss nun zeigen, dass eine Monarchie auch für das 21. Jahrhundert taugt. Die großen Parteien und einen Großteil der Bürger hat er noch auf seiner Seite. Aber in Katalonien, dem Baskenland und unter den Linken hat man die Krise im Königshaus längst zum Anlass genommen, um die Staatsform in Frage zu stellen. Über Reformen ließe sich debattieren. Aber politische Grabenkriege kann sich Spanien nicht leisten. Gerade bricht die zweite Corona-Welle herein.


«Frankfurter Rundschau» zu DFL / Rückkehr von Fußballfans in Stadien

Es droht - analog zum Leben in Zeiten der Pandemie - eine Spielzeit mit Fragezeichen zu werden.

Einen Vertrauensvorschuss bei Politik und Bevölkerung hat sich die vielkritisierte Bundesliga redlich erarbeitet: Der Probespielbetrieb mit dem Re-Start nach zweimonatiger Pause von Mitte Mai bis Anfang Juli funktionierte nahezu komplikationslos. Und doch ist der Druck auf den Profifußball wieder enorm. Gesundheitlich, weil die Fallzahlen steigen und niemand weiß, ob im spätherbstlichen Dauerspielbetrieb nicht wieder zugemacht werden muss. Gesellschaftlich, weil das Land genau hinschauen wird, wie diszipliniert Fans und Vereine den Weg in eine neue Normalität gehen. Auch der finanzielle Druck ist immens, weil jedem Bundesligisten zweistellige Millioneneinnahmen zwischen 15 und 50 Millionen Euro wegbrechen.


«Süddeutsche Zeitung» zu Abschied von Ex-König Juan Carlos

Juan Carlos' Sohn Felipe VI.

will ein moderner König, ein sauberer Monarch sein. Deshalb hat er sich beizeiten von seinem Vater distanziert, ja gewissermaßen selbst enterbt, denn er will nicht von dessen schwarzen Kassen profitieren. Doch die Frage stellt sich natürlich, ob das Prinzip Monarchie den Anforderungen einer Zeit, die auf Transparenz besteht, gewachsen sein kann. Spanien hat in den ersten Jahrzehnten nach der Diktatur ganz gut gelebt mit dieser Staatsform, die das gespaltene Land einigermaßen zusammenhielt. Doch die Zentrifugalkräfte werden stärker, inzwischen ist die Monarchie eher ein Spaltpilz. Katalanen und Basken wollen sich nicht mehr damit abfinden, von einem kastilischen Königsclan regiert zu werden, dessen Mitglieder immer wieder in Korruptionsaffären verstrickt sind.


«Corriere della Sera»: Brücke von Genua mehr Symbol als Bauwerk

ROM: Zur Eröffnung der neuen Brücke in Genua zwei Jahre nach dem folgenschweren Einsturz mit 43 Toten schreibt die italienische Tageszeitung «Corriere della Sera» am Dienstag:

«Die Wunde wurde genäht, aber eine Narbe wird für immer bleiben. Es ist nicht einfach, Erben einer Tragödie zu sein, wie Renzo Piano sagte. Wenn man hochsteigt, wieder von der Höhe auf die Stadt hinunterblickt und die beiden Seiten, Osten wie Westen, endlich wieder auf einer Ebene vereint sind, dann wird noch klarer, dass nur das zählt. Dieser Streifen aus Stahl und Asphalt, diese 1067 Meter, die wir herbeigesehnt haben, über die wir gesprochen haben, die wir uns vorgestellt haben. (...)

Es kommt einem vor, als gebe es eine unsichtbare Wand, die die neue Brücke teilt. Auf der einen Spur stand ein Zelt mit den Offiziellen, den Politikern und den Ingenieuren, die sich gegenseitig Komplimente machten für ihre Arbeit, eine private Feier, um sich zu bestätigen, wie toll sie sind. Auf der anderen Seite (...) waren die Arbeiter, die darauf warteten, dem Staatspräsidenten vorgestellt zu werden. In all ihrer Zufriedenheit, in all ihrem Stolz, hier ein Symbol und nicht nur ein Bauwerk errichtet zu haben, liegt der wahre Sinn dieses Tages.»


«Lidove noviny»: SpaceX-Flug ein technischer und politischer Erfolg

PRAG: Zur geglückten Wasserlandung einer SpaceX-Raumkapsel im Golf von Mexiko schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Dienstag:

«Es war das erste Mal seit 45 Jahren, dass US-Astronauten auf dem Meer gelandet sind. Haben sie es nicht verlernt? Manchmal ist ja zu hören, dass heute niemand mehr eine Saturn-V-Rakete bauen könnte, mit der die Astronauten vor einem halben Jahrhundert auf die Bahn zum Mond geschossen wurden. Doch wie man sieht, ist zumindest die Fähigkeit zur Wasserlandung nicht verlorengegangen. Es war das erste Mal seit neun Jahren, seit dem Ende des Space Shuttles, dass US-amerikanische Astronauten nicht auf russische Trägerraketen angewiesen waren. Das ist nicht nur ein technischer Erfolg, sondern auch ein emotionaler und sogar ein politischer.»


«DNA»: Bei Corona keine nationale Einheit in Deutschland

STRAßBURG: Die Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Berlin am Samstag kommentiert die französische Tageszeitung «Dernières Nouvelles d'Alsace» (DNA) am Dienstag:

«Dieses Mal waren es 20.000, allein in der Hauptstadt des Landes. Eine Beteiligung, die weit von der entfernt lag, die die Organisatoren angekündigt hatten, die aber dennoch nicht belanglos war. (...)

Ob man es nun wahrhaben will oder nicht, sie (die Demonstranten) repräsentieren eine Gesellschaftsgruppe, die nicht ignoriert werden kann. Auch wenn die breite Mehrheit der Deutschen den vorbeugenden Anweisungen (im Kampf gegen die Pandemie) zustimmt, ist das Andauern dieser Demonstrationen in einem Land, das für seinen Gemeinsinn und seine Disziplin bekannt ist, ein Zeichen dafür, dass es in diesem Thema keine nationale Einheit mehr gibt. Das muss man zwangsläufig mitbedenken, da sich die Epidemie wieder auszubreiten scheint und weitere Maßnahmen vielleicht notwendig werden.»


«Rossijskaja»: Trump will Gerichte zu seinen Gunsten beeinflussen

MOSKAU: Nach der von Donald Trump kritisierten Aufhebung des Todesurteils gegen den Attentäter von Boston, Dschochar Zarnajew, schreibt die russische regierungsnahe Zeitung «Rossijskaja Gaseta» am Dienstag:

«Trumps empörte Kritik gibt Zarnajews Anwalt die beste Chance, seinem Schützling das Leben zu retten. Amerika ist so polarisiert, dass auch die Gerichte in die Umlaufbahn interner Differenzen geraten sind. Heutzutage ist es unmöglich zu behaupten, dass Urteile in solch prominenten Fällen ohne Rücksicht auf Politiker oder die öffentliche Meinung gefällt werden. (...)

Deshalb wundert Trumps Kritik an den Gerichten in den USA eigentlich niemanden mehr. Es scheint normal zu sein, dass der amerikanische Präsident offen Druck auf das Gericht ausübt, es demütigt und verlangt, Urteile zu verhängen, die dem Weißen Haus genehm sind. Trump nennt das Urteil des Berufungsgerichts «unsinnig», nur weil es nicht in seine Wahlpläne passt.»


«Svenska Dagbladet»: Bidens Schwächen werden unterschätzt

STOCKHOLM: Die konservative schwedische Tageszeitung «Svenska Dagbladet» (Stockholm) meint am Dienstag zum demokratischen Herausforderer des amtierenden Präsidenten Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl im November, Joe Biden:

«In Kürze wird Joe Biden seine Vizepräsidentschaftskandidatin bekanntgeben. Er hat den Entschluss aufgeschoben, und eine Erklärung dafür ist, dass sich er und seine Ratgeber schmerzlich bewusst sind, dass die größte Gefahr für einen demokratischen Präsidenten Joe Biden selbst ist. Wenn er seine Vizepräsidentschaftskandidatin aufzeigt, wird garantiert die Frage gestellt: Ist diese Vizepräsidentin eine, die Bidens Platz einnehmen kann? Wenn sich nämlich zeigt, dass er zu alt und gebrechlich ist oder es nicht schafft, den Job über vier Jahre bis zur nächsten Präsidentschaftswahl 2024 zu erledigen. Aus dieser Perspektive handelt es sich nicht um einen demokratischen Präsidentschaftskandidaten, sondern um zwei.

Heute und bis zur Wahl geht alles um die Pandemie und die wirtschaftliche Krise. Das kann bedeuten, dass Donald Trumps Schwächen als Staatschef die Wahl entscheiden werden. Man sollte Biden im Voraus aber nicht zum Sieger erklären. Es gibt diesmal, wie 2016, zwei sehr schwache Kandidaten, die um den Präsidentenposten kämpfen.»


«De Standaard»: USA lassen im Tech-Krieg die Muskeln spielen

BRÜSSEL: Zum Kauf des US-Geschäfts der chinesischen Video-App Tiktok durch eine US-Firma heißt es am Dienstag in der belgischen Zeitung «De Standaard»:

«Tiktok ist das erste chinesische Technologieunternehmen, das als unwillige Braut für eine Übernahme vor den Altar geschleppt werden soll. Die USA scheuen sich nicht mehr, ihre Muskeln im Tech-Krieg, einem integralen Bestandteil des neuen «Kalten Krieges» zwischen den USA und China, spielen zu lassen. (...) Bis 2025 strebt Peking die weltweite technologische Führung in Sektoren an, die bis dahin profitabel sein werden, dazu gehört auch die künstliche Intelligenz. «Deshalb nutzt China die Offenheit der westlichen Marktwirtschaften aus», sagt der Berliner Think Tank für China Studies Merics.

Wenn dieser Plan Erfolg hat, werden andere Länder entbehrlich oder lediglich passive Empfänger chinesischer Technologie sein. Die Fülle der Daten junger Menschen auf Tiktok ist für China ein Traumlabor. Aus diesem Grund hat Indien Tiktok bereits verboten, und auch Japan erwägt einen solchen Schritt. Die USA prüfen, welchen Nutzen sie für eigene Unternehmen daraus ziehen können. Und Europa schlummert weiter zu den Tiktokbeats.»


«De Telegraaf»: Zunehmende Sorgen um US-Wahl

AMSTERDAM: Zu Warnungen des US-Präsidenten vor Wahlbetrug heißt es am Dienstag in der niederländischen Zeitung «De Telegraaf»:

«Trumps Warnungen vor massenhaftem Betrug werden in Washington nicht von vielen geteilt. Es gibt keinen Beweis dafür. Allerdings fragen sich Kongressabgeordnete beider Parteien besorgt, ob der US-Postdienst die große Anzahl von Briefstimmen zeitgerecht zustellen kann. Sollten Briefe in den Postämtern liegenbleiben, könnten Wählerstimmen wohl leicht verloren gehen. (...) Trumps Attacken sorgen dafür, dass das Vertrauen der Amerikaner in ein ehrliches Wahlergebnis schwindet, meinen die Demokraten. Das dürfte zu Spannungen führen, zumal die Auszählung der Stimmen möglicherweise durch die vielen Briefstimmen länger dauern könnte. Damit wird die Wahrscheinlichkeit größer, dass es am 3. November noch kein Wahlergebnis geben wird.»


«The Times»: Spaniens Monarchie ist in Gefahr

LONDON: Der spanische Ex-König Juan Carlos geht mit 82 Jahren ins Exil. Dazu meint die die Londoner «Times» am Dienstag:

«Der frühere König beugte sich öffentlicher Verärgerung indem er einwilligte, das Land zu verlassen, während ein grassierender Skandal um seine finanziellen Geschäfte seinen Sohn, König Felipe VI., mit in den Abgrund zu reißen droht. Mit seiner Zustimmung, im Ausland zu leben, tritt er in die Fußspuren seines Großvaters Alfons XIII., der nach seiner Abdankung 1931 ins Exil ging. Zugleich ist das ein Eingeständnis, dass die Monarchie so beschädigt ist, dass ihr langfristiges Überleben ungewiss ist. (...)

In solch unruhigen Zeiten kann eine konstitutionelle Monarchie eine Quelle der Stabilität und ein Brennpunkt der nationalen Einheit sein. Doch wie die britische Königin so oft gezeigt hat, beruht diese Stabilität nicht nur auf konstitutionellen Regelungen, sondern hängt auch vom Charakter der Person ab, die auf dem Thron sitzt. Das ist eine Lektion, die die spanische Monarchie auf eigene Gefahr hin vergisst.»


«NZZ»: Trump kann von Peking kaum Fairness einfordern

ZÜRICH: Der US-Präsident würde einen Kauf des US-Geschäfts der Video-App Tiktok durch eine US-Firma laut eigener Aussage unterstützen. Dazu meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Dienstag:

«Kommt der Deal zustande, wird sich Trump wohl als Sieger feiern lassen. Doch der Sieg hätte seinen Preis. Wer unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit erfolgreiche chinesische Firmen aus dem Land jagt oder zu einem Verkauf zwingt, kann von Peking kaum Fairness einfordern. Es mag zutreffen, dass der Westen gegenüber Peking zu lange auf Appeasement gesetzt hat. Auch die Vorstellung, dass sich dank der wirtschaftlichen Verflechtung im Reich der Mitte alles zum Guten wenden werde, grenzte schon immer an Selbstbetrug. Trotzdem sollte der Westen nicht in eine Art antichinesischen McCarthyismus verfallen.

Zur Erinnerung: Die Furcht des US-Senators vor kommunistischer Einflussnahme war kein Hirngespinst. Die Sowjetunion leistete tatsächlich Wühlarbeit in den USA. Im Rückblick herrscht dennoch Einigkeit darin, dass die Kommunistenhatz nicht nur übertrieben, sondern ein Verstoß gegen freiheitliche Werte war. Wer nicht zwischen China und dessen autokratischer Regierung zu unterscheiden vermag, begibt sich in ähnliches Fahrwasser.»

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