Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Stuttgarter Zeitung» zu Taiwan-Besuch Pelosis

Ob die Stippvisite Nancy Pelosis richtig oder falsch gewesen ist, gehört zu den möglichen historischen Ereignissen.

Natürlich hätte es gute Gründe dafür gegeben, die Reise nicht zu unternehmen. Die Spannungen zwischen den USA und China sind ohnehin so groß wie niemals zuvor. Öl in ein loderndes Feuer zu gießen, ist keine besonders clevere Idee. Und eines ist den Beteiligten klar: Bei allen lobenden Worten, die Pelosi für die taiwanesische Demokratie findet - Sinn und Zweck dieser Stippvisite liegen fast ausschließlich darin, Peking Grenzen aufzuzeigen.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Zawahiri / Stratege des Dschihads

So erfolgreich Zawahiri als Stratege des Dschihads war, so sehr scheiterte er, als er Bin Laden als Anführer von Al-Qaida nachfolgte.

Einmal im Untergrund, konnte der spröde Za-wahiri die Terrorvereinigung nicht zusammenhalten. ... Der Dschihad blieb zwar global, seine Stoßrichtung war aber nicht mehr der Westen. Vielmehr wucherten in vielen Ländern Asiens, Afrikas und des Nahen Ostens regionale Ableger, die sich verselbständigten und einen lokalen Dschihad führen. Zawahiri hat die Dezentralisierung des Terrors nicht aufgehalten. Auch konnte er nicht verhindern, dass mit dem «Islamischen Staat» eine noch brutalere dschihadistische Bewegung herangewachsen ist. Der IS dürfte am meisten von der weiteren Schwächung Al-Qaidas profitieren. Denn innerhalb der Terrororganisation droht nun ein Konflikt über die Nachfolge.


«Handelsblatt» zu Inflationsindexierung von Mietverträgen

Bei Diskussionen über Mietpreisbindungen kommt häufig das Argument auf, zu niedrige Mieten im Bestand würden meist durch entsprechend höhere Sätze bei der Neuvermietung kompensiert.

Das Argument kann ähnlich auch bei höherer Inflation und Verträgen ohne Indexierung zutreffen. Richtig ist: Für Neuankömmlinge in der Stadt erschwert dieser Ausgleich die Situation, er hemmt insgesamt die Flexibilität. Aber beim Wohnungsmarkt ist Flexibilität kein Wert an sich. Menschen hängen an ihren Wohnungen, sie sind das wichtigste Stück Heimat. Außerdem führen allzu flexible Märkte zu einheitlichen Mieten und damit unter Umständen zu einer gleichförmigen Bevölkerungsmischung. Und viele Menschen leben lieber in lebendigen, bunt gemischten Quartieren - gerade auch Gutverdiener.


«Denik»: Wiedereinführung der Wehrpflicht wäre unzeitgemäß

PRAG: Zur Diskussion über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine schreibt die Zeitung «Denik» aus dem Nato-Mitgliedstaat Tschechien am Dienstag:

«Eine Wehrpflicht würde die Widerstandsfähigkeit des Landes gegen einen Angriff nur geringfügig oder gar nicht erhöhen. (...) Kriege gewinnt heute derjenige, der über eine technische Übermacht verfügt. Doch die modernen Superwaffen müssen von Supersoldaten bedient werden. Deswegen ist es der beste Weg, eine hervorragend bewaffnete, ausgezeichnet ausgebildete und gut bezahlte Berufsarmee aufzubauen. Wichtig sind zudem ein guter Plan für die Zusammenarbeit mit den Verbündeten und Politiker, die sich nicht fürchten, die Armee im Ernstfall auch einsetzen. Zugleich sollte jeder, der das Kriegshandwerk freiwillig erlernen möchte, die Möglichkeit dazu erhalten.»


«La Repubblica»: EU muss im Serbien-Kosovo-Konflikt schnell handeln

ROM: Zum Streit zwischen Serbien und dem Kosovo schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Dienstag:

«Die Entscheidung des Kosovos, auch auf der Grundlage starken internationalen Drucks, das Inkrafttreten der neuen Rechtsvorschriften für Autokennzeichen und Ausweisdokumente der serbischen Minderheit auf den 1. September zu verschieben, ermöglicht es allen betroffenen Akteuren, einen Aktionsplan zu erstellen, der darauf abzielt die Spannungen abzukühlen und einen Weg der einvernehmlichen Lösung zu öffnen. Trotzdem entgeht es niemandem, dass einen ganzen Tag lang das Schlimmste befürchtet wurde. Das Wiederaufflammen eines bewaffneten Konflikts zwischen Serbien und dem Kosovo. (...)

Es obliegt Europa, unverzüglich eine Dialoginitiative zwischen zwei Ländern einzubringen, deren Schicksal in Europa liegt. Es liegt mehr oder weniger fernab, ist aber unvermeidlich. Man darf sich nicht mal für einen Augenblick erlauben, daran zu denken, dass sich das Feuer, das in der Ukraine ausbrach, morgen auf den Balkan ausbreiten könnte. Es wäre unkontrollierbar. Ein neues Sarajevo. Europa hat das Bewusstsein und die diplomatische Stärke, schnell zu handeln; in dem Wissen, dass der 1. September naht. Er ist quasi morgen.»


«Wall Street Journal»: Schlag gegen Al-Sawahiri Warnung für Taliban

NEW YORK: Zum gezielten und tödlichen Drohnenangriff der USA auf den Anführer des Terrornetzwerks Al-Kaida, Aiman al-Sawahiri, in Afghanistans Hauptstadt Kabul schreibt das «Wall Street Journal»:

«Biden lobte die Operation als einen Triumph der US-Geheimdienste, aber Al-Sawahiri entging mehr als zwei Jahrzehnte lang der Entdeckung. Der Präsident sagte, er sei vor einigen Monaten in der afghanischen Hauptstadt Kabul aufgespürt worden, als er sich mit seiner Familie wieder vereinen wollte. Vielleicht ließ seine Wachsamkeit nach, nachdem die Taliban Kabul erobert und die USA im August vergangenen Jahres aus Afghanistan vertrieben hatten.

Ein Sprecher der Taliban verurteilte den Schlag, aber die Entdeckung Al-Sawahiris in Kabul deutet auf eine enge Zusammenarbeit zwischen den Taliban und Al-Kaida hin. Die Taliban gewährten Al-Kaida vor dem 11. September 2001 Unterschlupf, und es ist unmöglich zu glauben, dass Taliban-Beamte nicht wussten, dass Al-Sawahiri in ihrer Mitte war.(...) Der Schlag sollte eine Warnung an die Taliban sein, dass die Unterstützung von Al-Kaida eine schlechte Überlebensstrategie ist. Wenn in Afghanistan ansässige Terroristen Pläne schmieden und US-Amerikaner töten, sollten die Taliban begreifen, dass auch ihre Anführer zur Zielscheibe werden.»


«Le Figaro»: Energieknappheit fördert Umdenken

PARIS: Zu den Folgen des russischen Angriffskrieg in der Ukraine auf Verhaltensweisen in Europa schreibt die konservative französische Tageszeitung «Le Figaro» am Dienstag:

«Die Party ist vorbei. Behörden, Industrie, Privatpersonen - heute ist die Zeit der «Enthaltsamkeit» gekommen. Selbst die Lichter der Stadt sollen ausgehen ... Unserer Energieverbrauch soll so schnell wie möglich von 10 Prozent auf 40 Prozent bis 2050 senken. Das ist eine Revolution.

Die letzten Generationen wurden von zwei Lebensgrundlagen der westlichen Gesellschaft genährt: Befriedigung der Bedürfnisse und unbegrenzter Konsum. (...) Wir werden Mäßigung und Ausdauer wieder lernen müssen. Brauchte es erst einen Krieg vor unserer Haustür und düstere Aussichten, damit wir unsere Lebensweise hinterfragen und in Frage stellen?»


«Aftonbladet»: Kein Frieden ist nachhaltig, ehe Putin verloren hat

STOCKHOLM: Die schwedische Tageszeitung «Aftonbladet» kommentiert am Dienstag den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine:

«Die Machthaber in Moskau versuchen, ungünstige Fakten zu verbergen. Das verwundert nicht. Sie wollen uns im Westen dazu bringen, unsere Unterstützung für die Ukraine aufzugeben und von weiteren Sanktionen abzusehen. Noch wichtiger ist ihnen aber, die Wahrheit von der eigenen Bevölkerung fernzuhalten. Weil es ein anderes als Putins Russland gibt. Es gibt ein Russland des Volkes. Eine demokratische Ukraine ist eine Bedrohung für Putin. Weil sie den Traum von einer anderen Art der Gesellschaft am Leben hält, auch in Russland. Aber bevor das russische Volk in Freiheit leben kann, muss der alte Machtapparat zerfallen.»


«La Vanguardia»: Hilfe für EU-Wirtschaftslok Deutschland

MADRID: Zum Energie-Sparplan der spanischen Regierung gegen die drohende Gasknappheit in der EU in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine schreibt die spanische Zeitung «La Vanguardia» am Dienstag:

«Das Hauptziel besteht darin, jenen Ländern zu helfen, die am stärksten vom russischen Erdgas abhängig sind, wie Deutschland und einige osteuropäische Länder, in denen die Winter zu allem Übel oft sehr kalt sind. Die europäische Solidarität darf nicht gefährdet werden. Wir müssen uns alle gemeinsam der Herausforderung des Energiekriegs gegen (Kremlchef Wladimir) Putin stellen, der zuletzt Lettland - das völlig von ihm abhängig ist - den Gashahn zugedreht hat. Diesem Land wird man bald helfen müssen. Und diese Hilfe wird bereits die Solidarität der EU auf die Probe stellen. In allererster Linie muss aber verhindert werden, dass Deutschland, die Wirtschaftslokomotive des Kontinents, durch einen möglichen Energiekollaps in eine Rezession abgleitet. Dies würde auch das übrige Europa, einschließlich Spanien, in eine schwere Krise stürzen.»


«De Standaard»: Getreideabkommen führt nicht zu Waffenstillstand

BRÜSSEL: Zum Auslaufen des ersten Getreideschiffs aus dem Hafen von Odessa meint die belgische Zeitung «De Standaard» am Dienstag:

«Wladimir Putin und sein reisendes Sprachrohr Sergej Lawrow werden zweifellos behaupten, dass dank ihnen eine massive Hungerkrise vermieden wird. Kurzum: Wir dürfen uns auf die x-te Ladung von Lügen einstellen, die unter anderem verschleiern sollen, dass Russland tatsächlich nichts weiter übrig blieb, als Getreidelieferungen aus der Ukraine durchzulassen. Denn auch den mit ihm befreundeten Diktatoren in Ländern wie Syrien, dem Sudan, Mali und der Zentralafrikanischen Republik wäre mit Nahrungsmittelunruhen nicht gedient. (...)

Insofern ist es müßig zu glauben, dass der Erfolg des Getreideabkommens ein erster Schritt zu neuen Verhandlungen ist, die eventuell zu einem Waffenstillstand oder zum Auftakt für ein Friedensabkommen führen könnten. Alles deutet darauf hin, dass Putin bereit ist, bis zum Äußersten zu gehen, um die Ukraine in die Knie zu zwingen: die Misshandlung von Kriegsgefangenen, der Einsatz von sexueller Gewalt als Kriegswaffe und der Einsatz von Streubomben auf zivile Ziele, wie unser Korrespondent in Charkiw mit eigenen Augen sehen konnte. Das Putin-Regime denkt nur an den rohen Krieg, alles andere ist Illusion.»


«de Volkskrant»: Getreidetransporte sind kein Vorbote für Frieden

AMSTERDAM: Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskriegs hat ein Schiff mit Getreide an Bord die Ukraine verlassen. Dazu meint die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Dienstag:

«Die Hoffnung ist, dass die Wiederaufnahme der Lieferungen zu einem Rückgang der Getreidepreise auf dem Weltmarkt führen wird. Die waren nach Beginn der russischen Invasion in die Höhe geschossen, wenngleich sie in letzter Zeit wieder etwas gesunken sind. Dass das erste Getreideschiff in den Libanon fährt, hat Symbolcharakter: Die Getreideknappheit hatte dort zu besonders hohen Preisen geführt.

Auch wenn der Transport ein Hoffnungsschimmer inmitten des monatelangen Krieges ist, scheint die (unter Flagge des westafrikanischen Staates Sierra Leone fahrende) «Razoni» kein Vorbote eines Friedensabkommens oder eines Waffenstillstands zwischen Russland und der Ukraine zu sein. Kremlchef Wladimir Putin ist fest entschlossen, den Krieg fortzusetzen, damit er große Teile der Ukraine für Russland annektieren kann.»


«The Times»: Putin gibt seine Kriegsziele nicht auf

LONDON: Zum Auslaufen des ersten Getreide-Schiffs aus dem Hafen von Odessa meint die Londoner «Times» am Dienstag:

«Putin erlaubt, dass ein Rinnsal von Weizen und Mais die ukrainischen Häfen verlässt und setzt dabei zynisch darauf, dass er als Retter des globalen Südens angesehen wird. Zugleich rechnet er damit, dass die Sanktionen gegen russische Düngemittelausfuhren gelockert werden und dass die Ukraine gezwungen sein wird, ihr Netz von Seeminen an ihrer Küste offenzulegen, die Russland von Angriffen mit Amphibienfahrzeugen abschrecken sollen. (...)

Die Türkei profitiert davon, dass sie sich als diplomatischer Vermittler und einflussreicher Staat am Schwarzen Meer präsentiert. Die Ukraine kann den Zusammenbruch ihres Agrarsektors verhindern, Einnahmen erzielen und westliche Unterstützung gewinnen, falls Russland versuchen sollte, die Kontrolle über die Häfen zu übernehmen. Großbritannien hat diese von den jeweiligen Interessen geleitete Diplomatie unterstützt. Aber es wäre leichtsinnig, darauf zu setzen, dass Putin nun seine Kriegsziele überdenkt.»

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