Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Beschlüssen der G7

Auf G-7-Gipfeln sind noch selten konkrete Beschlüsse gefasst worden.

(...) Einer der wichtigsten bezieht sich auf Preisobergrenzen für russische Energie. Die Skepsis, die Gastgeber Olaf Scholz bei dem Thema durchscheinen ließ, ist berechtigt, es wäre in der Tat ein ambitioniertes Vorhaben. ... Dass die G-7-Staaten es trotzdem ernsthaft in Erwägung ziehen, ist ein Eingeständnis, dass die Ölsanktionen, die noch nicht mal ganz umgesetzt sind, Russland wegen der steigenden Preise derzeit nicht schwächen. ... Die Abhängigkeit von russischem Gas ist immer noch zu hoch, deshalb könnten Deutschland im kommenden Winter schwierige Verhältnisse bevorstehen. Darauf zu vertrauen, dass irgendwie ein Preisdeckel kommt, wäre sicher zu wenig. ... Man kann nur hoffen, dass diese Erfahrung der deutschen Politik und Wirtschaft eine Lehre ist.


«Frankfurter Rundschau» zu Streit über den Verbrennungsmotor

Pkw mit Verbrennungsmotoren stellen Auslaufmodelle dar.

Die Motoren sind energetisch ineffizient, kompliziert zu bauen und brauchen eine aufwendige Abgasreinigung. Europas größter Autobauer, Volkswagen, peilt ein Ende des Verkaufs von Benzinern und Dieseln bereits für 2030 an. Auch Audi, Ford, Mercedes, Opel und Volvo wollen im nächsten Jahrzehnt keine Verbrenner mehr bauen. Doch die EU-Politik traut sich nicht, dieses Umstiegstempo allgemein vorzuschreiben. Schon jetzt ist absehbar: Die Bremser werden von der technischen Entwicklung überrollt werden. Wetten: Längst vor 2035 wird niemand mehr Verbrenner kaufen wollen. Gründe: Die Batterietechnik der Elektroautos, jetzt noch der Knackpunkt, wird so gut sein und der von Verbrenner-Fans favorisierte synthetische Ökosprit noch viel zu knapp und zu teuer.


«Handelsblatt» zu Flughafen-Chaos

Die Regierung hat sich das Flughafen-Chaos lang genug angesehen und greift zur vermeintlich naheliegenden Lösung: Personal aus dem Ausland einfliegen.

2000 Leiharbeiter aus der Türkei sollen in Deutschland nun aushelfen. Was die Politik offenbar nicht wahrheben will: Selbst wenn bürokratische Hürden aus dem Weg geräumt und Fachkräfte im Turbogang für hiesige Flughäfen ausgebildet werden, der Prozess wird Monate dauern, den Sommerurlaubern wird nicht mehr zu helfen sein. Was geschieht außerdem mit den ausländischen Fachkräften, werden sie nicht mehr gebraucht? Arbeitsminister Hubertus Heil beteuerte zwar, jede Form der Ausbeutung von Hilfskräften sollte vermieden werden. Ist es aber nicht Ausbeutung per se, wenn die Regierung marode Strukturen gewissenhaft übersieht - und dann versucht, Lücken mithilfe kurzfristig angeworbener Kräfte aus wirtschaftlich schwächeren Ländern zu füllen? Wirklich helfen würde es nur, neue Anreize zu schaffen und Fachkräften dauerhaft erträgliche Arbeitsbedingungen zu bieten.


«Diena»: Russland hat Eskalationsdominanz im Baltikum

RIGA: Zum Streit über Litauens Transitbeschränkungen gegenüber der zu Russland gehörenden Ostsee-Exklave Kaliningrad schreibt die liberale lettische Tageszeitung «Diena» am Dienstag:

«Russlands erste und wichtigste Taktik besteht darin, Unruhe und Angst zu säen. Und dafür hat es, egal wie optimistisch Szenarien einer Schwächung der militärischen Fähigkeiten des Angreifers und seiner Verluste die Ukraine auch stimmen mögen, theoretisch genug Ressourcen. Damit können die Spannungen im Baltikum eskaliert und aufrechterhalten werden. (...) Angenommen wird, das Moskau weder die Ressourcen noch eine logische Rechtfertigung hat, sich für ein weiteres militärisches Abenteuer in Richtung der baltischen Staaten zu entscheiden. Vergessen wird dabei aber, dass Russlands Ziel in der Region möglicherweise keine militärische Provokation ist, die das Risiko einer Beteiligung von Nato-Truppen birgt. Sondern vielmehr, die Spannungen im Suwalki-Korridor aus Belarus heraus hochzuhalten, das faktisch unter russischer Kontrolle steht.»


«Le Monde»: Härtetest zwischen Russland und Westen beginnt

PARIS: Zum Zusammenhalt der Nato gegenüber Moskau beim russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine schreibt die französische Tageszeitung «Le Monde» am Dienstag:

«Durch den russischen Einmarsch wurde die Allianz brutal von ihrem «Wachkoma» erlöst. Sie hatte wieder einen bedrohlichen Feind und damit ihre Daseinsberechtigung (...) und stellte sich geschlossen hinter die Ukraine.

Zu Beginn des fünften Monats des Konflikts lauern zwei Gefahren für diese starke Einheit. Die erste Gefahr kommt aus dem Inneren: vom türkischen Verbündeten, der immer noch sehr wankelmütig ist.(...) Militärexperten sind sich sicher, dass auch Russland durch das Ausrollen eines Bombenteppichs an die Grenzen seiner Kapazitäten stößt. Im Herbst könnte die Ukraine dank westlicher Waffen sogar in der Lage sein, eine Gegenoffensive zu starten. Doch bis dahin muss sie den Kampf und seine Folgen überstehen. Die Inflation, die Knappheit und die hohen Benzinpreise beschäftigen alle Regierungen. (...) Putin setzt auf die Müdigkeit und die Spaltung des Westens: Jetzt beginnt ein Härtetest zwischen ihm und uns.»


«Svenska Dagbladet»: Historische Tage in Madrid

STOCKHOLM: Die konservative schwedische Tageszeitung «Svenska Dagbladet» (Stockholm) meint am Dienstag zum Nato-Gipfel in Madrid:

«Dass sich die Staats- und Regierungschefs der 30 Mitgliedstaaten gerade in der spanischen Hauptstadt treffen, ist kein Zufall. Dieses Jahr ist es nämlich 40 Jahre her, seit Spanien das 16. Mitgliedsland der Verteidigungsallianz geworden ist. Der türkische Präsident (Recep Tayyip Erdogan) scheint Stoltenbergs Hoffnungen zu einem weiteren historischen Ereignis gestoppt zu haben, wenn die beiden allianzfreien Partnerländer Schweden und Finnland eingeladen würden, als Beobachter Platz zu nehmen und auf die Ratifizierungsrunde in den Parlamenten der Mitgliedsstaaten zu warten.

Aber der Madrider Gipfel 2022 dürfte trotzdem in die Geschichte eingehen, schon weil die Nato endlich ein neues strategisches Konzept bekommt. Das ist ein Schlüsseldokument, das vereinfacht gesagt Bedrohungen in der aktuellen sicherheitspolitischen Lage identifiziert und Leitlinien für die Arbeit des Bündnisses vorgibt. In Madrid tut die Nato also das, was sie immer getan hat: sich an die neuen Zeiten und Feindbilder anzupassen. Und wohl bald zwei weitere Mitgliedstaaten in ihrem Kreis zu begrüßen.»


«Hospodarske noviny»: Westen wird im Sommer kriegsmüde

PRAG: Die liberale Zeitung «Hospodarske noviny» aus Tschechien schreibt am Dienstag zum Abnutzungskrieg im Donbass:

«Es besteht kein Zweifel, dass der russische Präsident Wladimir Putin und seine Generäle darauf setzen, dass nicht nur die Ukrainer, sondern auch ihre westlichen Unterstützer des Krieges müde werden. Immer häufiger ist die Meinung zu hören, dass Kiew einen Frieden mit Moskau schließen sollte - auch um den Preis von Gebietsverlusten. Denn der bequem gewordene Mensch der westlichen Gesellschaften ist es gewohnt, seine Aufmerksamkeit über den Sommer abzuschalten.

Man muss sich nur daran erinnern, wie Europa im Sommer 2015 von der Flüchtlingskrise überrascht wurde. Immer häufiger werden nun die ukrainischen Partner von ihren westlichen Kollegen zu hören bekommen, dass sie zurückrufen, sobald ihr Urlaub vorüber ist. Das wird auf die Moral der kämpfenden Ukrainer keinen guten Einfluss haben. Denn die russischen Aggressoren werden mit Sicherheit keine Urlaubspause einlegen.»


«Star Tribune»: Trump war es, der die Wahl stehlen wollte

MINNEAPOLIS: Zu den jüngsten öffentlichen Anhörungen im Untersuchungsausschuss zur Erstürmung des US-Kapitols am 6. Januar 2021 und den Aussagen zur Rolle des damaligen Präsidenten Donald Trump schreibt die in Minneapolis erscheinende US-Zeitung «Star Tribune»:

«Letztendlich war es Donald Trump, der versucht hat, die Wahl zu stehlen. Die jüngsten Anhörungen im Kongress boten hinreichende Beweise dafür. Sie zeigten außerdem, dass es einigen wenigen hochrangigen Trump-Beratern überlassen war, zu versuchen, den ehemaligen Präsidenten davon zu überzeugen, dass das, was er tun wollte, illegal, unmoralisch und ein Affront gegen die Verfassung war, auf deren Einhaltung sie alle geschworen hatten.

Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass Trump bereit war, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um an der Macht zu bleiben. Die Anhörungen im Ausschuss zum 6. Januar waren ein Paukenschlag nach dem anderen, wobei die belastendsten Aussagen von den Republikanern kamen.»


«Financial Times»: Nato muss zu ernsthaften Anstrengungen bereit sein

LONDON: Die Londoner «Financial Times» kommentiert am Dienstag den bevorstehenden Nato-Gipfel in Madrid:

«Die Nato wird in jedem baltischen Staat mehrere Tausend Soldaten stationieren und ihre schnelle Eingreiftruppe von 40.000 auf 300.000 Mann aufstocken, die innerhalb von Stunden nach einem Angriff an bestimmten Orten im Osten einsatzbereit sein werden, wo sie trainiert und Übungen absolviert haben. Es werden mehr schwere Waffen, Logistik sowie Kommando- und Kontrollmittel bereitgehalten. Dies ist zum Teil eine Rückkehr zum Modell aus der Zeit des Kalten Krieges, als der Oberbefehlshaber der Nato genau wusste, welche Streitkräfte wo in Bereitschaft standen und wie schnell sie sich bewegen konnten. Doch viele gesammelte Erfahrungen über Abschreckung, Verteidigung und Signalgebung sind in den vergangenen drei Jahrzehnten in Vergessenheit geraten und müssen neu gelernt werden. (...)

Mit Verspätung nimmt das nordatlantische Bündnis ein strategisches Konzept an, das Russland als die «bedeutendste und direkteste Bedrohung» für seine Sicherheit benennt. Aber wie im Kalten Krieg müssen die Nato-Verbündeten wieder bereit sein, ernsthafte Anstrengungen und Mittel in die Vorbereitung auf etwas zu investieren, von dem sie hoffen, dass es nie eintritt. Mit dem Ziel, sicherzustellen, dass es nie eintritt.»


«De Telegraaf»: Nato kehrt zu Termini des Kalten Krieges zurück

AMSTERDAM: Zum Nato-Gipfel in Madrid heißt es am Dienstag in der niederländischen Zeitung «De Telegraaf»:

«Das Donnern der russischen Waffen in der Ukraine hat die westliche Allianz aus ihrem Winterschlaf wachgerüttelt. Nach dem ruhmlosen Abzug aus Afghanistan im vergangenen Sommer träumte man in Brüssel sogar schon von einer eigenen EU-Armee. Doch infolge der Rückkehr des Krieges nach Europa ist das Nato-Bündnis wie Phönix aus der Asche auferstanden.

Die Staats- und Regierungschefs der Nato-Länder, unter ihnen der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte, werden in Madrid ein neues strategisches Konzept mit allen Herausforderungen für die nächsten zehn Jahre besiegeln. Es geht um Themen wie Terrorismus, Cyberkrieg und Raumfahrt. Sowie die Herausforderungen durch das Abschmelzen der Polkappen. Doch die wichtigste Änderung betrifft den Ton in Richtung Moskau. Russland wurde in der vorigen Version von 2010 noch als «strategischer Partner» betrachtet. Nun kehrt die Nato zu Termini des Kalten Krieges zurück.»


«The Guardian»: Westen muss Druck auf Putin verstärken

LONDON: Der Londoner «Guardian» kommentiert am Dienstag das Vorgehen der G7 angesichts der russischen Aggression gegen die Ukraine:

«Während Moskaus Aggression der ukrainischen Bevölkerung und den Streitkräften des Landes einen furchtbaren Tribut abverlangt, müssen die westlichen Staats- und Regierungschefs nach Möglichkeiten suchen, den Druck auf Putin zu erhöhen und dabei zugleich sicherzustellen, dass die Nato nicht direkt in den Krieg hineingezogen wird. Bei der Vorstellung eines neuen Unterstützungspakets für die Ukraine haben die Staats- und Regierungschefs der G7 in Bayern den richtigen Ton getroffen und «finanzielle, humanitäre, militärische und diplomatische Unterstützung» zugesagt, und zwar «so lange es nötig ist». Diese Rhetorik in wirksame Maßnahmen umzusetzen, wird alles andere als einfach sein.

Am dringendsten ist die rasche Bereitstellung der militärischen Verteidigungshilfe, die die Ukraine dringend benötigt, insbesondere die modernen Luftabwehrsysteme, die Präsident Selenskyj bei seinem (virtuellen) Treffen mit den Staats- und Regierungschefs der G7 gefordert hat. Da Putins Regime jedoch weiterhin von den weltweit in die Höhe schießenden Energiepreisen profitiert - was die Wirkung der westlichen Sanktionen gefährdet -, sind auch neue Formen wirtschaftlichen Drucks und der Taktik erforderlich.»


«NZZ»: Westliche Entwicklungspolitik ist oft gescheitert

ZÜRICH: Die G7-Staaten wollen China mit einer globalen Infrastruktur-Initiative im Umfang von fast 600 Milliarden Dollar Konkurrenz machen. Dazu meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Dienstag:

«China hat bei Entwicklungsexperten den Ruf, bei der Gewährung von Geldern, mit denen es andere Staaten an sich bindet, vermeintlich großzügig vorzugehen. Während die Europäer noch über der Wirtschaftlichkeit eines Projekts brüten, Hilfe zur Selbsthilfe bieten und über Umweltauflagen verhandeln würden, seien das chinesische Geld und nicht selten auch ein chinesischer Bautrupp längst vor Ort, ist zu hören.

Damit liegt die Versuchung für den Westen nahe, im Wettlauf mit China gelegentlich ein Auge zuzudrücken und einen Kredit lieber schnell als gar nicht zu gewähren. Doch dieser Versuchung sollten die EU und die G7-Staaten widerstehen. Die Geschichte der Entwicklungspolitik strotzt vor Projekten, für die reichlich Geld zur Verfügung stand, die aber an Unwirtschaftlichkeit, Fehlern im Design oder fehlender «Ownership» der Empfängerländer scheiterten - oder schlicht in einem Sumpf von Korruption und Misswirtschaft versanken.»


«El Mundo»: Nato auf dem Weg zu einer neuen Weltordnung

MADRID: Die spanische Zeitung «El Mundo» kommentiert am Dienstag den bevorstehenden Nato-Gipfel in Madrid:

«Bei dem Gipfel soll die geostrategische Weltordnung im dramatischen Kontext eines Krieges auf europäischem Boden neu definiert werden. Die von der Atlantischen Allianz auf diesem Gipfel unterzeichneten Verpflichtungen werden den Kurs der Verteidigungspolitik der westlichen Demokratien markieren und die neuen Bedrohungen, denen die freien Nationen der Welt ausgesetzt sind, identifizieren. Europa, das sich seit langem daran gewöhnt hatte, die Verantwortung für Sicherheit letztlich den USA zuzuschieben, ist sich der Notwendigkeit bewusst geworden, die eigenen Militärausgaben zu erhöhen, um sich gegenseitig schützen zu können. Es wird notwendig sein, sich gegen den russischen Autokraten Putin - einen Verbündeten Pekings und aller illiberalen Regime der Welt - bis zu dessen Niederlage zu wehren.»

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