Linker Petro zieht in Präsidentenpalast ein

​Zeitenwende  

Zeremonie der Amtseinführung von Präsident Gustavo Petro auf der Plaza Bolivar in Bogota. Foto: epa/Mauricio Duenas Castaneda
Zeremonie der Amtseinführung von Präsident Gustavo Petro auf der Plaza Bolivar in Bogota. Foto: epa/Mauricio Duenas Castaneda

BOGOTÁ: Für das konservative Land in Südamerika ist es ein Umbruch: Erstmals in der Geschichte wird ein erklärter Linker die Regierungsgeschäfte führen. Progressive Ideen waren wegen der Gewalt der Guerilla im Bürgerkrieg lange diskreditiert - jetzt muss der Ex-Rebell liefern.

Der neue kolumbianische Präsident Gustavo Petro hat sein Amt angetreten. Der Linkspolitiker legte am Sonntag auf der Plaza Bolívar im Zentrum der Hauptstadt Bogotá seinen Amtseid ab. «Mehr Teilhabe und mehr Demokratie ist das, was ich der kolumbianischen Gesellschaft vorschlage, um der Gewalt in unserem Land ein Ende zu setzen», sagte der 62-Jährige am Sonntag. Mehrere Kollegen wie Chiles Präsident Gabriel Boric, der argentinische Staatschef Alberto Fernández, der bolivianische Präsident Luis Arce und Spaniens König Felipe VI. nahmen an der Feier teil.

Für Ärger sorgte, dass die ausscheidende konservative Regierung im letzten Moment die Herausgabe des Schwerts von Nationalheld Simón Bolívar und der Skulptur «Friedenstaube» des Künstlers Fernando Botero verweigerte, die bei der Amtseinführung des Präsidenten gezeigt werden sollten. Direkt nach seinem Amtseid ließ Petro das Schwert zu der Zeremonie bringen.

«Das Schwert sollte nie wieder vergraben, nie wieder zurückgehalten werden», sagte Petro. «Es sollte nur dann in die Scheide gesteckt werden, wie sein Besitzer, der Befreier, sagte, wenn es in diesem Land Gerechtigkeit gibt. Möge es dem Volk gehören.» Petro gehörte in den 1980er Jahren zur Rebellenorganisation M-19, die das Schwert einst gestohlen und nach ihrer Demobilisierung schließlich zurückgegeben hatte.

Petro hatte sich in der Stichwahl am 19. Juni gegen den populistischen Immobilien-Unternehmer Rodolfo Hernández durchgesetzt. Mit seiner Vizepräsidentin Francia Márquez rückt erstmals eine schwarze Frau an die Staatsspitze.

Petro will die Beziehungen zu Venezuela normalisieren und die Grenzen zu dem Nachbarland wieder öffnen. Zudem will er den vor sechs Jahren geschlossenen Friedensvertrag mit der Guerillaorganisation Farc konsequent umsetzen und auch mit den anderen bewaffneten Gruppen des Landes Gespräche aufnehmen. «Damit Frieden in Kolumbien möglich ist, brauchen wir den Dialog, viel Dialog, um einander zu verstehen, um gemeinsame Wege zu suchen, um Veränderungen herbeizuführen», sagte er in seiner Antrittsrede.

Im Kampf gegen die Drogenkriminalität will Petro auch andere Wege einschlagen. Bislang war Kolumbien im so genannten Krieg gegen die Drogen der engste Verbündete der USA in Südamerika und erhielt Millionen US-Dollar für Polizei und Militär. «Der Krieg gegen die Drogen hat die Staaten dazu gebracht, Verbrechen zu begehen», sagte er nun. «Wollen wir warten, bis eine weitere Million Lateinamerikaner ermordet werden und jedes Jahr 200.000 Menschen in den Vereinigten Staaten an einer Überdosis sterben? Oder tauschen wir Misserfolg gegen Erfolg, damit Kolumbien und Lateinamerika in Frieden leben können?»

Zudem kündigte der Ex-Guerillero an, die Ausbeutung der Rohstoffvorkommen zu bremsen. Das könnte auch Folgen für Deutschland haben, das wegen der Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine künftig mehr Kohle aus Kolumbien importieren will.

Die Herausforderungen für den neuen Staatschef sind groß: Kolumbien ringt mit den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie, großer sozialer Ungerechtigkeit und weit verbreiteter Gewalt. Von der bisherigen konservativen Regierung von Präsident Iván Duque wurde das Friedensabkommen mit den Farc nur halbherzig umgesetzt. Viele Ex-Kämpfer sind deshalb wieder in den Untergrund gegangen und haben sich kriminellen Banden angeschlossen.

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