«Sympathien für Petrusamt geweckt»

Zehn Jahre Papst Franziskus 

Papst Franziskus während der öffentlichen Trauermesse für den emeritierten Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz. Foto: Andrew Medichini/Ap/dpa
Papst Franziskus während der öffentlichen Trauermesse für den emeritierten Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz. Foto: Andrew Medichini/Ap/dpa

ROM: Seit zehn Jahren ist Papst Franziskus das Oberhaupt der Katholiken. In dieser Dekade wollte er der Kirche mehr Bescheidenheit lehren, mehr Nächstenliebe, mehr Empathie für die Schwachen. Von Konflikten und Kritik blieb er nicht verschont - und er konnte auch austeilen.

Mit einem freundlichen «Buonasera» begann vor zehn Jahren die Ära von Papst Franziskus. Schon bei der Begrüßung auf dem Balkon des Petersdoms am Abend des 13. März 2013 deutete sich an, dass der Argentinier Jorge Mario Bergoglio für die katholische Kirche einen etwas anderen Plan hatte als sein deutscher Vorgänger Benedikt XVI. Mitgefühl, Bescheidenheit und ein Herz für Arme, Vertriebene und Schwache zeichneten sein Pontifikat bisher aus. Frei von Kontroversen und Misstönen ist es aber freilich nicht. Auch dieser Papst hat sich einige hohe Geistliche zu Gegnern gemacht.

«Papst Franziskus hat durch sein Auftreten und seine Worte in den zehn Jahren viele Sympathien für das Petrusamt und die katholische Kirche geweckt, und das in einer für die Kirche herausfordernden Krisensituation, die durch Missbrauchsaffären und schwindende Identifikation mit kirchlichem Leben gekennzeichnet ist», sagt Kirchenhistoriker Johannes Grohe von der päpstlichen Universität Santa Croce in Rom im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Franziskus ist ein Papst der Symbole. Nachdem er im fünften Wahlgang des Konklaves die nötige Zweidrittelmehrheit der Stimmen erhalten hatte, trat er - anders als Vorgänger Benedikt nach dessen Wahl - im schlichten weißen Papst-Gewand vor die Gläubigen. Bescheidenheit ist seine Maxime, Franziskus lehnt Prunk und Luxus entschieden ab.

Die erste Reise als Oberhaupt der katholischen Kirche unternahm er auf die Insel Lampedusa als Zeichen seiner Verbundenheit zu Flüchtlingen und Migranten. Bei Auftritten und Reisen spricht er immer über jene und mit jenen, die ihre Heimat verlassen mussten. Dies hänge damit zusammen, dass Franziskus selbst Sohn von Migranten ist, erklärt der Franziskus-Vertraute Antonio Spadaro. Die Bergoglios waren wegen des Faschismus von Italien nach Argentinien geflohen.

Nach dem Rücktritt von Papst Benedikt Anfang 2013 übernahm Franziskus eine von Krisen gezeichnete Kirche. In vielen Teilen der Welt wurde aufgedeckt, dass Geistliche jahrzehntelang Kinder missbrauchten. Vor allem in Europa kehrten die Gläubigen der Kirche den Rücken. An der Kurie wirkten Finanzeklats nach, neue Skandale wurden aufgedeckt. «Franziskus hat sicher mit weniger Schwierigkeiten gerechnet», erzählt einer, der sich im Vatikan gut auskennt, im Rückblick.

Die Kurie war für viele ein Teil des Problems. Franziskus bemühte sich um eine Reform der katholischen Zentrale und schloss diese 2022 ab. Er baute Dikasterien - so etwas wie die Ministerien des Vatikans - um und öffnete die Leitungsebenen auch für Nicht-Geweihte und Frauen. Einst einflussreiche Kardinäle fanden sich irgendwann ohne wichtiges Amt wieder. «Machtansprüche und Karrieredenken sind dem Papst ein Gräuel», erklärt der Vatikan-Professor Grohe.

Einige Konservative gingen in harte Opposition. Der jüngst gestorbene George Pell - einst eigentlich ein Vertrauter von Franziskus - soll seinen Kardinalskollegen Anfang 2022 ein Memo ausgehändigt haben, in dem er Franziskus' Pontifikat als «Katastrophe» bezeichnete.

Bei der Auswahl neuer Kardinäle, die irgendwann einen Nachfolger wählen, entschied sich Franziskus in den zehn Jahren für viele Kirchenmänner aus eher entlegenen Gegenden auf der Welt. Der Papst geht an die Ränder, geografisch und gesellschaftlich. Er besuchte Länder wie Myanmar, Irak, Madagaskar; bald will er in die Mongolei. Bei fast all Reisen trifft er Migranten und Flüchtlinge, jüngst im Kongo auch Kinder und Erwachsene, die Opfer brutalster Gewalt wurden. An jedem Gründonnerstag wäscht er Häftlingen im Gefängnis die Füße.

«Es stimmt, dass ich eine Vorliebe für die Verstoßenen habe», sagte er dem Schweizer TV-Sender RSI am Wochenende anlässlich seines Jubiläums. «Aber das bedeutet nicht, dass ich andere ausstoße.»

Franziskus kann aber auch hart und unnachgiebig sein - wie etwa die deutsche Kirche zuletzt erlebte. Den Synodalen Weg kanzelte der Pontifex mehrfach ab. Die Verantwortlichen des Reformprojekts in Deutschland beklagen den Unwillen des Papstes zu einem Dialog.

Franziskus ist progressiver als sein Vorgänger Benedikt - aber nicht in allen Belangen. Lockerungen des Zölibats, eine Segnung von Homosexuellen und Priesterweihen für Frauen lehnt er etwa ab. Und er lässt sich nicht gern bei wichtigen Entscheidungen reinreden: Köln etwa wartet seit Monaten auf eine Entscheidung über das Rücktrittsgesuch von Erzbischof Rainer Maria Woelki. Obwohl die Situation in der Domstadt immer unerträglicher wird, lässt der Pontifex die Zukunft des umstrittenen Kardinals weiter offen.

Wenn Medien oder die Öffentlichkeit bei Themen oder Personalien drängen, ist dies für den Papst kein Grund zur Eile - im Gegenteil. Der Pontifex hasst Klatsch und Tratsch, wie er immer wieder sagt.

Dabei ist Franziskus selbst seit geraumer Zeit zum Objekt vieler Spekulationen geworden. Weil er wegen eines schweren Knieleidens kaum noch gehen oder länger stehen kann, sitzt er die meiste Zeit im Rollstuhl. An einen Rücktritt denke er deshalb aber nicht, sagt er. Erst wenn er müde werde und Dinge nicht mehr klar sehe oder Situationen nicht mehr richtig bewerte, dann könne es so weit sein. Vertraute und Kardinäle versicherten ihm, dass alles gut sei.

Und ein großes Vorhaben will Franziskus noch abschließen: Die von ihm erdachte Weltsynode, bei der seit Oktober 2021 alle Orts-, Landes- und Kontinentalkirchen Eindrücke, Sorgen und Wünsche für einen Wandel äußern können, soll Ende 2024 zu einem Abschluss kommen. Auf dem Weg soll die katholische Kirche fit gemacht werden für die Zukunft. Dies könnte das große Erbe von Franziskus werden nach einem Pontifikat, das vor zehn Jahren mit einem «Guten Abend» begonnen hatte.

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