MOSKAU: Zum zehnten Jahrestag der proeuropäischen Proteste auf dem Maidan in Kiew hat das russische Außenministerium einseitig der Ukraine und dem Westen die Schuld am Konflikt mit Moskau zugeschoben. In sehr abfälligen Worten fragte Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa, was der Traum von Europa der Ukraine gebracht habe. «Aus einer wohlhabenden, industriell entwickelten, dicht bevölkerten Ex-Sowjetrepublik hat sich die Ukraine in ein verarmtes, absterbendes Gebiet verwandelt», antwortete sie.
Die Ukraine habe durch die Ereignisse seit November 2013 ihre staatliche Eigenständigkeit verloren; sie werde durchgefüttert «von westlichen Kolonisatoren, die ihre Innen- und Außenpolitik bestimmen», behauptete Sacharowa. Das russische Außenministerium veröffentlichte diese Äußerungen am Montag auf seiner Webseite. Kremlchef Wladimir Putin führt seit fast 21 Monaten Krieg gegen die Ukraine, um das Land wieder unter die Kontrolle Moskaus zu bringen.
Der sogenannte Euromaidan, den Sacharowa kritisierte, hat in der Ukraine im Nachhinein die Bezeichnung «Revolution der Würde» bekommen. Am 21. November 2013 versammelten sich erste Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) in Kiew. Sie protestierten dagegen, dass der damalige ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch auf Druck aus Moskau ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union platzen ließ. Als Janukowitsch den Protest mit Gewalt niederschlagen lassen wollte, schwoll der Unmut nur an. Forderungen nach seinem Rücktritt wurden laut.
Zehntausende Menschen harrten den Winter über in Zelten auf dem Maidan aus. Im Februar 2014 eskalierte die Gewalt, Scharfschützen schossen auf Demonstranten. Es gab mehr als 100 Tote. Unter internationaler Vermittlung wurden die Bildung einer Übergangsregierung und Neuwahlen vereinbart. Janukowitsch floh jedoch nach Russland. Moskau nutzte im März 2014 die Schwächephase der Ukraine und verleibte sich die Schwarzmeerhalbinsel Krim ein. Dann brachte es Teile der Ostukraine unter dem Deckmantel angeblicher Separatisten unter seine militärische Kontrolle.
In Kiew soll am Dienstag an den Beginn der folgenreichen Proteste erinnert werden. Dazu werden auch internationale Gäste erwartet. Trotz der russischen Invasion ist die Ukraine seit 2022 Kandidat für einen EU-Beitritt, die EU-Kommission befürwortet den Beginn von Aufnahmeverhandlungen.