Zankapfel TTIP: Hat der Handelspakt nach Obama noch Chancen?

Foto: epa/Stephanie Lecocq
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NEW YORK (dpa) - Clinton springt im Zickzack, Trump will Handelsabkommen am liebsten ganz kappen. Ist TTIP dem Tod geweiht, sobald Präsident Obama aus dem Weißen Haus auszieht? In New York drücken die Unterhändler aufs Tempo. Doch was ihre Arbeit bringen wird, kann keiner genau sagen.

«Die Ära ökonomischer Kapitulation wird endlich vorbei sein.» So beschreibt Donald Trump das goldene Zeitalter der amerikanischen Wirtschaft, das kommen soll, wenn er am 20. Januar 2017 als Präsident ins Weiße Haus einzieht. Die USA würden sich aus internationalen Handelsströmen zurückziehen; Protektionismus lautete das Gebot der Stunde und für das noch unfertige Freihandelsabkommen TTIP mit der EU hätte vermutlich das letzte Stündlein geschlagen.

So manchen der rund 200 Fachleute, die in New York noch bis Freitag erneut über dem mächtigen Vertragswerk brüten, dürfte dieses Szenario Kopfzerbrechen bereiten. Immerhin versuchen die Unterhändler aus Brüssel und Washington, den höchst umstrittenen Deal in den letzten Amtsmonaten von US-Präsident Barack Obama noch so weit wie möglich voranzubringen.

Dessen Nachfolger oder Nachfolgerin sollen so viele ausformulierte Textpassagen wie möglich vorgelegt werden. Denn dass der Vertrag noch vor dem Regierungswechsel unterzeichnet wird, scheint ausgeschlossen. Doch was kommt danach?

Ausführlich haben zu TTIP weder Trump noch seine demokratische Rivalin Hillary Clinton Stellung bezogen. Doch der Baulöwe wettert regelmäßig gegen die Entfesselung des Welthandels, sei es gegen das 1994 unterzeichnete NAFTA-Abkommen der USA mit Mexiko und Kanada oder das transpazifische Handelsabkommen TPP mit elf Pazifik-Anrainerstaaten. Die USA würden durch TPP «vergewaltigt von wohlhabenden Menschen, die uns ausnutzen wollen», sagte Trump im Juni.

Unter dem Protektionismus eines Präsidenten Trump können Verfechter von TTIP wohl kaum hoffen, dass der seit Jahren diskutierte Pakt Wirklichkeit wird. «Trumps Strategie ist im Wesentlichen ein Rückzug von der Weltwirtschaft. Er will weniger Handel und weniger Auslandsinvestitionen auswärts», schreibt Gordon Hanson, Wirtschaftsprofessor der University of California. Wie die USA den Exportweltmeister China einholen wollen, während die US-Exporte weltweit an zweiter Stelle vor Deutschland stehen, sagt Trump nicht.

Unter einer Präsidentin Clinton hätte das 30 Kapitel zählende Vertragswerk da schon bessere Chancen auf Unterzeichnung. Clinton würde in vielerlei Hinsicht in Obamas Fußstapfen treten, der für TTIP geworben hat und auch auf einen TPP-Abschluss drängt. «Wir machen fünf Prozent der Weltbevölkerung aus, wir müssen mit den anderen 95 Prozent handeln. Und wir müssen kluge, faire Handelsabkommen haben», sagte Clinton in der TV-Debatte mit Trump.

Doch ihre Haltung ist zweideutig. Zwar hatte sie TTIP zu ihrer Zeit als Außenministerin im Jahr 2012 als «Wirtschafts-Nato» gepriesen, die dadurch neu entstehenden Jobs und erhofften Wachstum gelobt und das Transpazifik-Abkommen TPP im selben Jahr als «Goldstandard» für internationale Handelsabkommen bezeichnet. Doch dann, vergangenen Herbst, ruderte sie plötzlich zurück. Begründung: Sie habe erst die Verhandlungen abwarten müssen, um TPP genauer zu bewerten.

Ähnlich lief es bei NAFTA. Als ihr Mann Bill Clinton das Abkommen 1994 als US-Präsident mit seiner Unterschrift in Kraft treten ließ, begrüßte sie es, doch 2008 in ihrem erstem Wahlkampf - damals gegen Barack Obama - bezeichnete sie es dann als «Fehler.» Während ihrer acht Jahre als Senatorin stimmte sie sowohl für als auch gegen Handelsabkommen. Das «Time»-Magazin bezeichnete ihre Sprunghaftigkeit beim Thema Handel als «behutsamen Stepptanz».

Die besten - wenn auch geringen - Chancen hätte TTIP wohl, wenn Clinton die Wahl gewinnen sollte, wie nach derzeitigen Prognosen zu vermuten ist. Doch bis dahin muss sie erst einmal ihre eigene Glaubwürdigkeit retten, die nach dem Herumeiern in Sachen TPP einen Kratzer bekommen hat. Kritiker warfen ihr vor, dass sie ihre Haltung nach dem Einzug ins Weiße Haus wieder ändern würde und nur gegen das Handelsabkommen Stimmung mache, um die Gunst der Wähler zu gewinnen.

«Ich werde jedes Handelsabkommen stoppen, das Jobs tötet oder Löhne unten hält, darunter auch die Transpazifische Partnerschaft», bemühte sich Clinton im August klarzustellen. «Ich werde jetzt dagegen sein, ich werde nach der Wahl dagegen sein und ich werde als Präsidentin dagegen sein.» Sollte das auch für TTIP gelten, hätten die Experten aus Brüssel und Washington über 15 Runden umsonst verhandelt.

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