Update: Zahl der Coronafälle steigt

Entwarnung für Deutsche auf Schiff

Foto: epa/ALEX PLAVEVSKI
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PEKING/YOKOHAMA (dpa) - Wieder meldet China einen Rekordanstieg der Virusfälle und Toten. Das neue Virus zieht zunehmend weitere Kreise - und hat auch gesellschaftliche Folgen.

Die Zahl der nachgewiesenen Infektionen und der Toten durch das neue Coronavirus ist in China wieder schneller gestiegen als in den Tagen zuvor. Bis Mittwoch kletterte die Zahl der Patienten mit der neuen Lungenkrankheit innerhalb eines Tages um 3887 auf 24 324, wie die Gesundheitskommission in Peking berichtete. Die Zahl der Toten stieg auf 490. Wegen der Ausbreitung des Virus wächst aus Sicht der chinesischen Botschaft in Berlin die Zahl der Anfeindungen gegen chinesische Bürger in Deutschland.

«Die jüngsten Anfeindungsfälle und die fremdenfeindlichen Äußerungen in einzelnen Medien haben nach dem Coronavirus-Ausbruch zugenommen und sind besorgniserregend», teilte die Botschaft auf Anfrage mit. Nach einem Angriff auf eine Chinesin in Berlin habe man sofort die Polizei kontaktiert.

Wie die Berliner Polizei mitteilte, sollen zwei Frauen am Freitagnachmittag im Stadtteil Moabit eine Chinesin rassistisch beleidigt und attackiert haben. Die 23-Jährige wurde demnach am Kopf verletzt und ambulant in einem Krankenhaus behandelt, ihre Brille zerbrach. Die Angreiferinnen flüchteten. Nach dem Fall habe man die chinesischen Staatsbürger in Deutschland auf sozialen Medien und über die Webseite auf die aktuelle Situation hingewiesen, erklärte die Botschaft. Man habe Ratschläge für den Fall einer Provokation oder Straftat gegeben.

Nach Angaben chinesischer Mediziner können mit dem Coronavirus infizierte Mütter den Erreger an ihr Neugeborenes weitergeben. Ein solcher Infektionsfall sei bei einem Säugling nur 30 Stunden nach der Geburt festgestellt worden, berichtete der Chef der Neugeborenenabteilung des Kinderkrankenhauses von Wuhan, Zeng Lingkong. Das Baby zeige stabile Lebenszeichen, habe aber eine Entzündung der Lungen und eine leicht abnormale Leberfunktion.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rechnet damit, dass die Zahl der nachgewiesenen Infektionen durch das neue Coronavirus weiter steigen wird. «Der Höhepunkt ist noch nicht erreicht. In China nicht, was die Infektionszahlen und die Entwicklung angeht und damit auch für die Welt und für Deutschland nicht», sagte Spahn vor der Quarantäne-Station im pfälzischen Germersheim. Deutschland sei gut vorbereitet und könne mit der «dynamischen Lage» gut umgehen.

In der Bundeswehrkaserne in Germersheim sind rund 120 Menschen untergebracht, die am Samstag an Bord einer Sondermaschine in Frankfurt gelandet waren. Bei zwei der Rückkehrern aus China wurde das Virus bereits nachgewiesen, worauf diese in die Uniklinik Frankfurt gebracht wurden. Außerdem gibt es zehn registrierte Infizierte in Bayern, die in Zusammenhang mit dem Autozulieferer Webasto stehen. Eine infizierte Chinesin, die zu einem Seminar der Firma gekommen war, hatte erst nach ihrem Abflug nach China Symptome entwickelt. Allen zwölf Infizierten in Deutschland geht es nach Angaben ihrer Ärzte den Umständen entsprechend gut.

Für acht deutsche Passagiere auf dem Kreuzfahrtschiff «Diamond Princess», das vor Yokohama in Japan vor Anker liegt, gab es Entwarnung. Zwar wurden zehn Virusfälle unter Passagieren entdeckt, aber die Deutschen waren nicht darunter. Die Infizierten wurden ins Krankenhaus gebracht. Das Schiff bleibt vorerst weiter unter Quarantäne. In Hongkong wurde nach Infektions-Nachweisen am Mittwoch ein weiteres Kreuzfahrtschiff mit mehr als 1800 Passagieren festgesetzt.

Das Coronavirus kann nach Erkenntnissen deutscher Forschungsinstitute auch von Patienten mit nur sehr milden Krankheitssymptomen übertragen werden. Deutsche Mediziner teilten mit, dass einige der derzeit in der Klinik Schwabing in München behandelten Patienten auch bei nur schwachen Symptomen Viren in ihrem Nasen-Rachen-Raum zeigten. Zudem sei festgestellt worden, dass sich das Virus unabhängig von der Lunge auch im Nasen-Rachen-Raum und im Verdauungstrakt vermehrt. Diese Beobachtungen seien deutliche Hinweise für eine Übertragbarkeit bereits bei milder oder beginnender Erkältungssymptomatik wie zum Beispiel Halsschmerzen, einer Nasennebenhöhlen-Infektion oder nur einem leichten Krankheitsgefühl ohne Fieber.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) braucht in den nächsten drei Monaten zusätzlich mehr als 600 Millionen Euro für die Eindämmung des neuen Coronavirus. Nach den Berechnungen sind 675 Millionen Dollar (613 Millionen Euro) nötig, um auch ärmeren Ländern zu helfen, sich auf einen möglichen Ausbruch vorzubereiten, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf. «675 Millionen Dollar ist viel Geld, aber es ist deutlich weniger als das, was auf uns zukommen könnte, wenn wir nicht jetzt in die Vorkehrungen investieren», sagte Tedros. Die WHO verschicke 250 000 Testsets an 70 Labore weltweit. Zudem würden unter anderem eine halbe Million Gesichtsmasken und 350 000 Paar Handschuhe verschickt.

Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, hat sich besorgt über mögliche Auswirkungen der schnellen Ausbreitung des Coronavirus auf die konjunkturelle Entwicklung gezeigt. Nachdem die Bedrohung für den Welthandel durch den Handelskrieg zwischen den USA und China etwas in den Hintergrund getreten sei, sorge das Coronavirus für neue Unsicherheit, sagte Lagarde in Paris.

Nach Berechnungen des Ifo-Instituts wird sich die Corona-Seuche dagegen kaum auf die deutsche Wirtschaft auswirken. Der Ifo-Konjunkturexperte Timo Wollmershäuser sagte der «Zeit», die Infektionskrankheit Sars habe die chinesische Wirtschaft im Jahr 2003 um ein Prozent weniger wachsen lassen und die deutsche um 0,5 Promille. «Wenn die aktuelle Epidemie das chinesische Wirtschaftswachstum doppelt so stark dämpft, wie es bei Sars der Fall war, dürfte es in Deutschland um etwa 0,1 Prozent niedriger ausfallen.» Denn eine Epidemie dämpfe vor allem den Konsum. «Für Deutschland ist es aber praktisch irrelevant, wenn der Konsum in China zurückgeht. Wir liefern kaum Konsumgüter dorthin.»

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