Xi Jinping zementiert Macht

Enge Vertraute in Regierung geholt

Der chinesische Präsident Xi Jinping nimmt an der dritten Plenartagung des Nationalen Volkskongresses (NVK) in der Großen Halle des Volkes in Peking teil. Foto: epa/Mark R. Cristino / Pool
Der chinesische Präsident Xi Jinping nimmt an der dritten Plenartagung des Nationalen Volkskongresses (NVK) in der Großen Halle des Volkes in Peking teil. Foto: epa/Mark R. Cristino / Pool

PEKING: In China steht Xi Jinping auf einem neuen Höhepunkt seiner Macht. Mit der Berufung weiterer Gefolgsleute startet der 69-Jährige in seine dritte Amtszeit. Sein Finanzteam überrascht: In wirtschaftlich unsicheren Zeiten soll offenbar um Vertrauen geworben werden.

Mit der größten Umbildung der chinesischen Regierung seit zehn Jahren hat Staats- und Parteichef Xi Jinping seine Macht weiter zementiert. Auf der Jahrestagung des Volkskongresses billigten die knapp 3000 Delegierten am Sonntag in Peking die Berufung weiterer Xi-Vertrauter in die neue Führung. Am Samstag war bereits sein langjähriger Gefährte Li Qiang zum neuen Ministerpräsidenten gemacht worden. Der 63-Jährige übernahm das Amt von Li Keqiang (67), der innerhalb der Kommunistischen Partei einem anderen Lager angehört.

Der neue Regierungschef blickt auf eine lange politische Karriere zurück, vor allem an der wohlhabenden Ostküste des 1,4-Milliarden-Einwohner-Lands. Er gilt als pragmatisch. Erstmals arbeitete Li Qiang 2007 direkt unter Xi Jinping, der damals noch Parteichef der wichtigen Provinz Zhejiang war. Als Parteisekretär in Shanghai setzte sich Li Qiang seit 2017 für die Wirtschaft ein und warb um ausländische Investitionen. Er trug aber auch Verantwortung für den chaotischen Covid-19-Lockdown im Frühjahr 2022 in Shanghai. Seiner Karriere schadete das nicht.

In der Großen Halle des Volkes segnete der Volkskongress mit seinen nicht freigewählten Abgeordneten auch die Vorschläge für die Posten der vier stellvertretenden Regierungschefs und anderer Kabinettsmitglieder ab. Geschäftsführender erster Vize wurde der langjährige Xi-Vertraute Ding Xuexiang (60). Neuer Verteidigungsminister ist General Li Shangfu (65), bisher Leiter der Waffenentwicklung in der Militärkommission und Chef des bemannten Raumfahrtprogramms. Die USA hatten 2018 unter Präsident Donald Trump Sanktionen gegen den General verhängt.

Die Berufung noch weiterer Vertrauter von Xi Jinping in die Regierung stieß auf gemischte Reaktionen. «Es sind Ja-Sager, aber sie sind fähig», sagte Jacob Gunter vom China-Institut Merics in Berlin. «Es könnte eine Echo-Kammer geben, wo es niemanden mehr wie (den scheidenden Premier) Li Keqiang gibt, der in der Lage ist, eine abweichende Meinung zu äußern und andere Perspektiven hinzuzufügen und sich vielleicht für eine moderate Agenda einsetzt.»

Andererseits könne auch argumentiert werden, dass ein Kreis enger Vertrauter «ohne Fraktionen» endlich dazu führe, dass es im Führungsteam «ehrliche Diskussion» geben könne, sagte Gunter. Das sei notwendig, um die vielen strukturellen Probleme der chinesischen Wirtschaft anzupacken. Er neige allerdings eher zu Skepsis und Sorge.

Überraschend war, dass Xi Jinping wichtige Mitglieder seines Finanz- und Handelsteams in ihren Ämtern beließ - offenbar um Stabilität zu wahren. So bleibt der 65-jährige Yi Gang, dessen Abberufung erwartet worden war, doch Zentralbankchef. Auch behielten Finanzminister Liu Kun (66) sowie Handelsminister Wang Wentao (58) ihre Posten.

«Es ist eine pragmatische Wahl, weil die neuen Führer professionelle Experten brauchen, um mit komplizierten wirtschaftlichen und finanziellen Herausforderungen umzugehen», sagte Zheng Zhiwei, Chefökonom von Pinpoint Asset Management der Finanzagentur Bloomberg über die Bestätigung der Finanzverantwortlichen. «Die Führung weiß, dass oberste Priorität die Stärkung des Vertrauens ist.»

Der Volkskongress geht am Montag mit der Billigung des Haushalts und einer - vor dem Hintergrund der Spannungen mit den USA - starken Erhöhung der Verteidigungsausgaben um 7,2 Prozent zu Ende. Nach dem Ende der Null-Covid-Strategie mit Lockdowns und Zwangsquarantäne im Dezember glaubt die Regierung an eine Erholung der zweitgrößten Volkswirtschaft in diesem Jahr mit «rund fünf Prozent» Wachstum.

Xi Jinping hatte sich am Freitag für eine beispiellose dritte Amtszeit als Präsident bestätigen lassen. Schon auf dem Parteitag im Oktober hatte er sich über bisher respektierte Grenzen für Alter und Amtszeit hinweggesetzt: Der 69-Jährige ließ sich eine andauernde Führungsrolle in der Parteiverfassung verankern. Damit könnte er sogar auf Lebenszeit im Amt bleiben. Er knüpft damit an den Staatsgründer und «ewigen Revolutionär» Mao Tsetung (1893-1976) an.

Damit nie wieder ein Führer so mächtig wird, hatte China seither eigentlich eine Führungsmannschaft aus mehreren Fraktionen verfolgt: «Eine Überkonzentration der Macht ist verantwortlich dafür, Willkürherrschaft durch Individuen heraufzubeschwören», hatte einst der Reformarchitekt Deng Xiaoping (1904-1997) gewarnt. Doch Xi Jinping hat dieses «kollektive Führungsmodell» seit dem Amtsantritt 2012 schrittweise demontiert - und Widersacher ins Abseits gestellt.

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David Ender 15.03.23 17:50
Vom "grossen Glueck" in Unfreiheit.
Es laesst sich trefflich herumdiskutieren ob manche in chinesischer Unfreiheit und Armut "gluecklicher" und "harmonischer" leben als in liberalen Demokratien wie in Taiwan, Japan oder Suedkorea. Ist aber akademisch, da es gar nicht unser Recht ist darueber zu befinden, ob wir solch ein Leben anderen goennen oder nicht. Die grundlegenden Menschenrechte nach der UN-Charta sind universell gueltig und stehen jedem zu. Auch das Recht ihre Fuehrer abzuwaehlen, wie das die Deutschen am Ende der Merkel-Aera getan haben. Ueber das Recht auf Freiheit und Menschenwuerde haben keine deutschen Kommentatoren zu befinden und auch nicht die KP in China zu entscheiden. Tut sie aber, weswegen Millionen an Chinesen in "den Westen" emigriert sind. Man muss nicht die Millionen Uiguren oder Tibeter in China fragen ob sie sich in den Umerziehungs-Camps auch "recht wohl" fuehlen. Oder die chin. Dissidenten im Knast. Man muss auch nicht ernsthaft Suedkoreaner fragen ob sie lieber in Nordkorea leben taeten. Oder Hong Konger neuerdings in China. Oder Taiwanesen in China. An dieser Stelle wird naemlich jede Diskussion entweder reichlich albern - oder einfach bloss grenzwertig zynisch.
Jürgen Franke 15.03.23 09:00
Wir haben es in Deutschland auch
erleben dürfen: Wer einmal an der Macht ist, will auch an der Macht bleiben. Xi Jinping hat diese Ziel, wie Putin, nun auch erreicht. Es wäre ein Fehler, den Menschen in China grundsätzlich zu unterstellen, dass es ihnen schlechter gehen müsse, als uns Europäer. Jedes Land hat nun mal seine eigene Geschichte.
David Ender 14.03.23 21:00
Deutsche Chinabegeisterung ...
... ist ja mainstreamgerecht, zumal sich die deutsche Volkswirtschaft von diesem totalitaeren Schwellenland abhaengig gemacht hat wie keine andere liberale Demokratie weltweit. Und daher aeusserst vorsichtig sein muss mit Kritik. Doch "bewundern" werde ich Mainland-China als Oekonom erst dann, wenn das Kommunistenreich seine Gulags abschafft, die Allgemein. Erklaerung der Menschenrechte achtet und auch bloss annaehernd die Kennzahlen des demokratischen China vor der eigenen Haustuere erreicht: Taiwan. Fuer alle die es nicht wissen - ein Taiwanese verdient das Vierfache eines Chinesen, verfuegt ueber ein zigfaches Vermoegen und kauft (pro Kopf gerechnet) aus Deutschland das 11-fache (!) ein. Nochmal zum Nachdenken: Faktor 11 betragen die Exporte Deutschlands nach Taiwan im Vergleich zu China. Wir lernen: Diktatur macht arm. Manche bewundern Diktatur trotzdem mehr als Demokratie - egal wie vernichtend die Kennzahlen sind ... Ist ein spezifisch deutsches Phaenomen.
Jürgen Franke 13.03.23 14:52
Dieses riesige Land zu regieren,
ist sicherlich nicht einfach, um alle Meinungsunterschiede unter einen Hut zu bringen. Deutschland ist zwar nur ein Klecks auf der Landkarte, wurde jedoch, um riegierbar zu bleiben und Machtmißbrauch zu verhindern in 16 Bundesländer aufgeteilt. Der Föderalismus verhindert Mißbrauch der Macht. Wer die Geschichte Chinas kennt, wird feststellen, dass die Entwicklung dieses Land bewundernswert ist.
David Ender 12.03.23 21:50
2980 von 2980 "Delegierten" fuer den Fuehrer ...
Donnerwetter - was fuer ein demokratischer Akt in diesem "Parlament": Kein einziger der "Delgierten" hat es gewagt sich zu enthalten, geschweige denn gegen den Fuehrer auf Lebzeit zu stimmen. Dagegen war ja die DDR-Volkskammer mit ihren regelmaessig "99kommaIrgendwas" Prozent fuer die Honneckers ja geradezu ein Ort des "politischen Diskurses". Also los China - im Gleichschritt in ein Super-Nordkorea.