Xi Jinping will China stark machen

«Große Mauer aus Stahl»

Chinesischer Präsident Xi Jinping. Foto: epa/Mark R. Cristino
Chinesischer Präsident Xi Jinping. Foto: epa/Mark R. Cristino

PEKING: Kräftiges Wachstum, mehr Selbstständigkeit und Ausbau des Militärs: Xi Jinping rüstet China für den Wettstreit mit den USA und dem Westen. Sein neuer Regierungschef schlägt erstmal leisere Töne an.

Im Konkurrenzkampf mit den USA will Chinas Präsident Xi Jinping die Volksrepublik durch eine Modernisierung des Militärs und mehr Eigenständigkeit zu neuer Stärke bringen. Die Volksbefreiungsarmee solle zu einer «Großen Mauer aus Stahl» werden, kündigte der Staats- und Parteichef zum Abschluss der neuntägigen Jahrestagung des Volkskongresses am Montag in Peking an. Die annähernd 3000 Delegierten billigten mit dem neuen Haushalt auch eine erhebliche Steigerung der Militärausgaben um 7,2 Prozent. Zuvor hatten sie Xi Jiping mit viel zusätzlicher Macht ausgestattet.

Als Wachstumsziel für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt gab der Kongress aus nicht frei gewählten Delegierten nach dem Ende der strengen Null-Covid-Politik mit Lockdowns und Zwangsquarantäne «rund fünf Prozent» aus. Xi Jinping kündigte an, China zu einem «starken Land» zu machen und rief zur Wahrung der Stabilität auf: «Sicherheit ist das Fundament für Entwicklung. Und Stabilität ist die Vorbedingung für Wohlstand.» Er plädierte dafür, Innovation und «wissenschaftliche und technologische Eigenständigkeit» voranzutreiben, ging aber nicht auf die Sanktionen der USA ein.

Der neue Ministerpräsident Li Qiang mahnte in seiner ersten Pressekonferenz, ein Wachstum von fünf Prozent sei nicht einfach zu erreichen. Deshalb seien zusätzliche Anstrengungen notwendig. Die Aussichten für die Weltwirtschaft seien «nicht optimistisch». Es gebe viele unsichere und instabile Faktoren. «Das Wirtschaftswachstum zu stabilisieren, ist eine herausfordernde Aufgabe, nicht nur für China, sondern für alle Länder in der Welt.» Li Qiang ist ein langjähriger Vertrauter von Xi Jinping.

Angesichts von Zweifeln über die Rolle der Privatwirtschaft in China sprach sich der neue Regierungschef für eine gleichberechtigte Förderung privater Unternehmer aus. Es solle ein «fairer Wettbewerb» und ein «marktorientiertes Umfeld» geschaffen werden. Damit nahm er Bezug auf wachsende Unsicherheiten wegen staatlicher Eingriffe und der Förderung von Staatsunternehmen. «China hat eine enorm große Marktnachfrage», sagte Li Qiang. Die Privatwirtschaft habe «großes Potenzial».

Mit Blick auf die angespannten Beziehungen zu den USA schlug der Ministerpräsident eher versöhnliche Töne an. Er warnte vor einer Abkoppelung. Die beiden größten Volkswirtschaften seien eng miteinander verbunden, wovon beide profitierten: «China und die USA können und müssen zusammenarbeiten.» Er ging nur indirekt auf Xi Jinpings Vorwurf ein, dass die USA einen Aufstieg Chinas in der Welt durch Eindämmung und Isolation verhindern wollten, und sagte: «Einkreisung und Unterdrückung ist im Interesse von niemandem.»

Die wachsende Konkurrenz zwischen den USA und China wurde in den vergangene Monaten bei verschiedenen Streitpunkten deutlich. Am Montagabend stand in Kalifornien ein Treffen von US-Präsident Joe Biden mit den Premierministern aus Großbritannien und Australien auf dem Programm. Dabei sollte es auch darum gehen, den zunehmenden internationalen Einfluss der Volksrepublik zu begrenzen.

Mit Blick auf den Konflikt um Taiwan rief Xi Jinping zur «Wiedervereinigung» auf. Die Beziehungen sollten «friedlich» entwickelt werden. «Einmischung von außen» und «spalterische Aktivitäten» von Unabhängigkeitskräften müssten aber entschieden abgelehnt werden. Frühere Bekundungen, dass Peking militärische Gewalt nicht ausschließt, wenn andere Bemühungen nicht zum Erfolg führen, wiederholte Xi Jinping allerdings nicht.

Die Spannungen um Taiwan hatten jüngst zugenommen. Die kommunistische Führung betrachtet die demokratische Inselrepublik als Teil der Volksrepublik. Taiwan sieht sich längst als unabhängig an. Nach der Invasion Russlands in der Ukraine sind international die Sorgen gewachsen, dass China ähnlich gegen Taiwan vorgehen könnte. In diesem Fall würden auch die USA in den Konflikt gezogen, weil sie sich der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet haben.

Mit der größten Regierungsneubildung seit zehn Jahren hatte Xi Jinping auf der Tagung seine Macht zementiert. Er scharte weitere Gefolgsleute um sich und sicherte sich eine beispiellose dritte Amtszeit. Der Präsident setzte sich damit über bisher respektierte Grenzen für Alter und Amtszeit hinweg. Seine andauernde Führungsrolle hatte sich der 69-Jährige schon auf dem Parteitag im Oktober in der Parteiverfassung verankern lassen. Damit könnte er sogar auf Lebenszeit im Amt bleiben. Er knüpft damit an den Staatsgründer Mao Tsetung (1893-1976) an, der aber Chaos über das Land gebracht hatte.

«Die Mao-Ära beleuchtet die Gefahren der Überkonzentration von Macht in einem kommunistischen politischen System, was im heutigen China eine zentrale Frage ist», meinte Susan Shirk, China-Professorin der University of California. «Wenn sich niemand mehr traut, die Entscheidungen des Führers infrage zu stellen, neigt der Führer dazu, Fehler zu machen - nicht nur kleine Fehler, sondern solche, die eine gesamte Gesellschaft in Gefahr bringen.»

Russlands Angriffskrieg in der Ukraine wurde am letzten Tag des Volkskongresses mit keinem Wort erwähnt. Da die Fragen bei der Pressekonferenz des neuen Regierungschefs abgesprochen waren, konnte auch niemand danach fragen. Nach Presseberichten will Xi Jinping noch in diesem Frühjahr nach Moskau reisen. In dem Konflikt gibt China Russlands Präsident Wladimir Putin Rückendeckung.

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