Wohin steuert der mächtige Vucic

Foto: epa/Djordje Savic
Foto: epa/Djordje Savic

BELGRAD (dpa) - Dominator, Superman, Übervater - wie soll man einen Politiker nennen, der mehr als jemals zuvor in der Geschichte Serbiens so viel Macht in seiner Hand vereint? Aleksandar Vucic ist Regierungschef, zukünftiger Staatspräsident, Koordinator aller Geheimdienste.

Er baut im Parlament auf eine satte Zweidrittelmehrheit, führt die mit Abstand größte Regierungspartei SNS, beherrscht die Medienlandschaft nach Belieben. Führende Richter und seine Kritiker bemängeln, dass Vucic auch die Justiz für seine Zwecke einspannt, was der 47-Jährige regelmäßig bestreitet. Weder Freund noch Feind bestreiten hingegen, dass er das Maß aller politischen Dinge in diesem zentralen Balkanstaat ist. Jedenfalls trauten ihm die Wähler trotz vieler gebrochener Versprechen und der drastischen Kürzung von Renten und Gehältern im Öffentlichen Dienst zu, Serbien aus der tiefen wirtschaftlichen und sozialen Krise zu führen.

Eine beliebte These lautet, nur ein starker Führer könne Serbien modernisieren. Folgerichtig betrachtet Vucic auch Russlands Präsidenten Wladimir Putin oder Ungarns Regierungschef Viktor Orban als Vorbilder. Jetzt ist der Berufspolitiker, der sich in einem Vierteljahrhundert als Spitzenpolitiker von einem extremen Nationalisten und Extremisten zu einem glühenden Europäer gewandelt haben will, auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen. Mehr geht einfach nicht.

Was Vucic mit dieser absoluten Macht anfangen wird, ist weniger klar. Er hatte sich dem Wirtschaftsaufschwung verschrieben. Schon im letzten Jahr hatte er die folgenden fünf Jahre als «goldenes Zeitalter» für seine Heimat angekündigt. Doch die von ihm versprochenen höheren Löhne von 500 Euro im Monat sind noch in weiter Ferne. Auch der immer wieder angekündigte Kampf gegen die grassierende Korruption - die Bestechung von Politikern und Beamten, der Kauf von Diplomen und Doktortiteln bis zu groß angelegtem Betrug bei öffentlichen Ausschreibungen und bei der Kreditvergabe - lässt immer noch auf sich warten. Nicht ein führender Politiker oder Banker musste bisher für seine Missetaten geradestehen.

Vucic konnte seine einzigartige Karriere mit Unterstützung wichtiger ausländischer Politiker hinlegen. Russlands Putin favorisiert ihn offen, Bundeskanzlerin Angela Merkel lud ihn in der heißen Phase des Wahlkampfs zum Abendessen nach Berlin. Ihr Vorgänger Gerhard Schröder lobte demonstrativ «meinen Freund» bei dessen größter Wahlkampfveranstaltung.

Die zerstrittene und in die Bedeutungslosigkeit gefallene Opposition bemängelt seit Jahren, dass Brüssel und Washington Vucic innenpolitisch alle undemokratischen Schachzüge durchgehen lassen. Als «Gegengeschäft» müsse Vucic im Streit mit dem vor neun Jahren von Serbien abgefallenen und heute selbstständigen Kosovo Zugeständnisse machen.

Doch die Erfüllung dieses Teils der angeblich stillen Abmachung lässt weiter auf sich warten. Trotz jahrelanger Vermittlungsbemühungen der EU sind die Positionen Serbiens und des Kosovos weiter unvereinbar und unüberbrückbar geblieben. Serbische Sicherheitskräfte sind weiter in Nordkosovo tätig, wo die serbische Minderheit lebt. Belgrad finanziert seine Landsleute, die regelmäßig gegen die Regierung des fast nur noch von Albanern bewohnten Kosovos Front machen. Die grenzüberschreitende Wasser- und Stromversorgung ist ebenso wenig geregelt wie die Integration des Kreisgerichts in der Serbenhochburg Mitrovica.

Erst im vergangenen Januar kam es wieder zu neuen Spannungen, weil Belgrad einen neuen Eisenbahn-Triebwagen mit nationalistischen Parolen ins Kosovo schicken wollte. Vucic‘ Amtsvorgänger an der Staatsspitze, Tomislav Nikolic, drohte sogar mit Krieg.

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Jürgen Franke 04.04.17 09:01
Das Ziel ist eigentlich klar definiert,
so schnell wie möglich in die EU zu kommen, denn da gibt es das meiste Geld. Jeder Staatschef versteht unter Demokratie sowieso was anderes.