Wohin fliegt Condor unter polnischer Führung?

Foto: epa/Armando Babani
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FRANKFURT/MAIN (dpa) - Mit der Übernahme des Ferienfliegers Condor ist der polnischen LOT ein Überraschungscoup gelungen. Aber reicht die staatliche Rückendeckung, um den Konkurrenzkampf mit Lufthansa zu bestehen?

Der Jubel in Frankfurt und Warschau kannte am vergangenen Freitag kaum Grenzen, doch die wirkliche Bewährungsprobe steht dem Ferienflieger Condor noch bevor. Als neuer Teil des polnischen LOT-Mutterkonzerns PGL treten die Frankfurter in verschärfte Konkurrenz mit dem mitteleuropäischen Platzhirsch Lufthansa. Der Kampf um zahlungskräftige Fernreisende wird sich nach Meinung von Experten verschärfen. Auch das Binnenverhältnis zwischen den in der Star Alliance verbundenen Airlines Lufthansa und LOT könnte sich eintrüben.

«Condor wird nicht nur überleben, sondern stark wachsen», hatte LOT-Chef Rafal Milczarski nach Vertragsunterschrift den knapp 5000 Beschäftigten des Ferienfliegers versprochen. Bis zu 20 neue Langstreckenflugzeuge in zwei bis drei Jahren, fast alle Jobs gesichert von einem europäischen Investor aus der Branche: Die Übernahme durch den LOT-Mutterkonzern PGL sieht nach einer perfekten Lösung für die Condorianer aus, die eben noch mit ihrer früheren Konzernmutter Thomas Cook in den Abgrund der Pleite geschaut haben.

Es stellt sich aber die Frage nach dem betriebswirtschaftlichen Sinn des Deals: Branchengerüchten zufolge müssen die Polen rund 600 Millionen Euro für Condor auf den Tisch legen. Die Ablösung des 380 Millionen Euro schweren Überbrückungskredits scheint damit abgesichert zu sein, nicht aber die Modernisierung der stark angegrauten Langstreckenflotte der Condor. «Eine Umflottung kostet weiteren Cash, und der kann nur vom neuen Eigentümer kommen», sagt Gerald Wissel von der Beratungsgesellschaft Airborne.

Bislang galt die LOT nicht als besonders profitabel, so dass nach Einschätzung des Experten der polnische Staat auch hier finanzieren müsste. «Da stellt sich schon die Frage, ob das europarechtlich noch zulässige Beihilfen wären.» Polens rechtsnationale PiS-Regierung sieht den Prestige-Deal als Beleg des wirtschaftlichen Aufschwungs. «Polnische Firmen übernehmen mächtige ausländische Firmen», verkündete Premierminister Mateusz Morawiecki triumphierend.

«Ein starkes Engagement des polnischen Staates dürfte sicherlich zu Diskussionen mit der EU-Kommission führen», erwartet auch Gerd Pontius von der Beratungsgesellschaft Prologis. Er sieht den tieferen Sinn der Übernahme darin, dass sich LOT die Condor-Kompetenz für das stark wachsende Veranstaltergeschäft mit Pauschalreisen aus Osteuropa sichern will. «Das wird in seiner Komplexität häufig unterschätzt, so dass sich derzeit die Billigflieger extrem schwer tun, in dieses Geschäft zu kommen. LOT wird sicher vom Know-how der Condor, von ihren Systemen und ihren Kontakten profitieren.»

Die Gewerkschaften stellen vor allem die Absicherung der fast 5000 Condor-Jobs für vier Jahre in den Vordergrund. «Der beste Bieter hat gewonnen», sagt Nicoley Baublies, Sprecher der Flugbegleitergewerkschaft Ufo. «Sie haben echtes Interesse an den Fähigkeiten unserer Leute.» An eine massenhafte Verlagerung von Jobs ins billigere Polen glaubt er nicht: «Solche Modelle haben schon bei anderen Gesellschaften nicht funktioniert.»

Condor hat im schwierigen Nischenmarkt Touristik zuletzt einen operativen Gewinn von 57 Millionen Euro eingeflogen und war damit deutlich profitabler als Konkurrent Eurowings aus dem Hause Lufthansa, der aus den roten Zahlen nicht herauskommt. Lufthansa plant daher eine organisatorische Neuaufstellung der Touristen-Langstrecke und greift Condor zunächst mit elf Flugzeugen an den Drehkreuzen Frankfurt, München und Düsseldorf an. Die Ziele in Übersee werden sich künftig häufiger überschneiden, heißt es bei Lufthansa mit Blick auf den Sommerflugplan.

Ein weiteres Druckmittel könnten die Zubringerflüge für die Condor sein, die Lufthansa bislang zu Spezialkonditionen anbietet. Im Zweifel werde man eher die konzern-eigenen Langstreckenflüge füllen als die der Konkurrenz, meinen viele im Kranich-Konzern. Experte Wissel erwartet aber keine schnelle Konfrontation: «Die Lufthansa wird sich nach meiner Einschätzung erst einmal anschauen, was LOT und Condor jetzt machen.»

LOT-Chef Milczarski sieht kein Problem darin, dass sein Unternehmen mit dem Condor-Deal künftig auf dem Heimatmarkt von Lufthansa mitmischt. «Wir kommen uns nicht in die Quere.» Das Binnenverhältnis zwischen den Partnern der Star Alliance werde von immer mehr Wettbewerb untereinander belastet, sagt dagegen Experte Wissel. «Das war schon bei der Expansion von Turkish Airlines so. Letztlich könnte die Condor-Übernahme durch LOT zu einem weiteren Sargnagel für die Star Alliance werden.»

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