Wirbel in Spanischer Hofreitschule um neue «First Lady der Pferde»

Foto: Srs.at
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WIEN (dpa) - Die Spanische Hofreitschule in Wien ist für das traditionsbewusste Österreich ein Nationalheiligtum. Eine Personalie macht nun Schlagzeilen: Die neue Chefin soll zu wenig Fachkunde haben. Die wehrt sich und will dank Netzwerk den Touristenmagneten aufpolieren.

Pirouette, Levade, Piaffe - ausgeführt in Perfektion von den Lipizzanern der Spanischen Hofreitschule in Wien. Mehr als 300 000 Touristen im Jahr verfolgen dort oft staunend die Hohe Schule der Reitkunst. Jetzt ist eine der angesehensten österreichischen Institutionen in die Schlagzeilen geraten. Der Aufsichtsrat hat die 55-jährige Ex-Kanzlergattin Sonja Klima als Nachfolgerin der respektierten Elisabeth Gürtler zur Chefin auserkoren.

Das Problem: Der vor allem durch ihr Engagement als Charity-Lady bekannten Klima fehle trotz ihrer umfänglichen Erfahrung als Reiterin die fachliche Qualifikation, die Bestellung sei auf politischen Druck erfolgt, meinte der Fachbeirat - und trat geschlossen zurück. Die Reitexperten des Gremiums hatten den hocherfahrenen Bereiter Herwig Radnetter favorisiert. Der Wirbel um die Personalie offenbart den wirtschaftlichen Erfolgszwang, unter dem das Unternehmen Hofreitschule steht. Jetzt sitzt eine Marketing-Expertin im Sattel.

Der 2001 ausgegliederte ehemalige Staatsbetrieb schleppt in der Bilanz Verluste in Höhe von 25 Millionen Euro mit und hat sich erst in der elfjährigen Ära Gürtler wirtschaftlich konsolidiert. «Auf ähnliche Weise soll es weitergehen. Wir können mit der Entscheidung gut leben», sagt ein Sprecher des zuständigen Landwirtschaftsministeriums. Zugleich weist er jede Einflussnahme zurück. «Unsere Rolle war eine rein passive.»

Der Aufsichtsrat jedenfalls hat sich für eine Kandidatin entschieden, die in Gesellschaft und Wirtschaft über beste Verbindungen verfügt und als Geschäftsführerin der Ronald-McDonald-Kinderhilfe Österreich soziales Engagement für schwerkranke Kinder bewiesen hat.

Die Volksschullehrerin Klima, einst mit dem damaligen sozialdemokratischen Kanzler Viktor Klima verheiratet, ist inzwischen vertraut mit Polit-Stars der konservativen ÖVP, wie Kanzler Sebastian Kurz und Ministerpräsidentin Johanna Mikl-Leitner. Der heutige Kanzler habe ihre sozialen Projekte schon lange unterstützt, sagt Klima.

Auf ihren Lebenslauf als Reiterin ist sie stolz. Pferdenärrin von Kindesbeinen, fuhr sie nach eigenen Worten Trabrennen («Ich habe auch gewonnen»), managt seit drei Jahren ein Pferdegestüt mit 50 Tieren und besitzt selbst zehn Pferde. «Ich kenne mich mit der Reitkunst aus, aber ich bin keine Grand-Prix-Reiterin», sagte sie im TV-Sender «oe.24» über sich. Ziel sei es, Sponsoren zu finden. «Das ist ganz wichtig. Die Hofreitschule hat bisher kaum Sponsoren», so Klima über den künftigen Kurs. Fachlich wolle sie sich obendrein ein Team aus angesehenen Reitern zusammenstellen, das sie berate.

Die Hofreitschule ist ein Unternehmen, das an drei Standorten rund 200 Mitarbeiter beschäftigt und zuletzt elf Millionen Euro umsetzte. «Die Hengste in Wien verdienen locker, was der Standort kostet», sagt Pressesprecherin Andrea Kerssenbrock. Das Trainingszentrum am Heldenberg und das Gestüt in Piber seien aber ebenfalls zu unterhalten, und gerade der Zuchtauftrag für die Lipizzaner koste Geld. Insgesamt stehen 360 Tiere im Stall der Hofreitschule.

Die aus finanziellen Gründen betriebene Ausweitung der Zahl der Vorführungen auf inzwischen 90 pro Jahr ruft Kritiker auf den Plan, die die Güte der Reitkunst durch eine zu hohe Belastung der Pferde in Gefahr sehen. Kerssenbrock kontert mit dem Hinweis, dass eine zweite Equipe mit 28 Pferden und acht Bereitern aufgebaut wurde. «Mal gelingt ein Sprung, mal gelingt er nicht. Es sind nach wie vor ganz hochwertige Vorführungen», so die Sprecherin.

Geld will die Hofreitschule, die seit mehr als 450 Jahren besteht und zum Unesco-Kulturerbe gehört, nun im arabischen Raum verdienen. Erstmals wird die Truppe am 14. und 15. Februar in Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten auftreten. Die Kosten in Höhe von 350 000 Euro für den Transport der 27 Pferde per Flugzeug trage ein Sponsor, so Kerssenbrock. «Es gibt dort zwei Vorführungen, eine für die Herrscherfamilie und geladene Gäste, eine für die Öffentlichkeit.»

Die Wogen um die Bestellung der 55-jährigen Klima könnten sich bald wieder glätten. Der Sprecher des zurückgetretenen Fachbeirats, Michael Enzinger, zeigte Klima allerdings bereits Grenzen auf. «Die Dressurpferde-Community ist ein geschlossener Kreis. Wer zu ihm keine Zugänge hat, wird dort nicht wahrgenommen, selbst wenn man Leiterin der Hofreitschule ist», sagte er der Zeitung «Die Presse». Die Pädagogin will mit dem Gegenwind klug umgehen und meint selbstbewusst: «Ich glaube, dass die Bereiter hinter mir stehen.»

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