Wilderer und Klimawandel bedrohen wilde Rentiere im Norden Russlands

Foto: epa/Alexey Nikolsky
Foto: epa/Alexey Nikolsky

MOSKAU/BERLIN (dpa) - Die großen Herden wilder Rentiere im arktischen Norden Russlands schrumpfen durch illegale Jagd und den Klimawandel.

Internationale Umweltschützer schlagen deshalb Alarm, aber auch russische Behörden werden aufmerksam. Auf der Taimyr-Halbinsel im Norden Sibiriens habe im Jahr 2000 noch eine Million wilder Rentiere gelebt, teilte die Naturschutzorganisation World Wildlife Fund (WWF) am Mittwoch in Berlin mit. Inzwischen sei diese Population auf geschätzt 380.000 Tiere geschrumpft.

«Die Jagd ist der Faktor, der das Schicksal des freilebenden Taimyr-Rentiers entscheiden wird» - das befürchtet auch die regionale Naturschutzverwaltung in der Stadt Norilsk.

Auf der menschenleeren Halbinsel weit nördlich des Polarkreises spielen sich jedes Jahr Szenen ab, die an die Massenwanderung der Gnus in der ostafrikanischen Serengeti erinnern. Im arktischen Frühjahr ziehen die Rentiere mit ihren frisch geborenen Kälbern aus der waldreichen Taiga nach Norden in die baumlose Tundra. Früher überquerten sie zugefrorene Flüsse einfach. Doch durch die Erderwärmung tauen die Flüsse früher, und die Kälber müssen viel durch Eiswasser schwimmen. Viele von ihnen verenden dabei.

An den Flüssen lauern in Booten die Wilderer. Sie erschießen die Rentiere oder sägen den Hirschen bei lebendigem Leib das Geweih ab. «Es gibt wahre Rentier-Massaker. Die Geweihe werden zu Pulver verarbeitet und vor allem in China als Heilmittel verkauft», sagt die WWF-Aktivistin Eva Klebelsberg. Die Rentierzunge sei ein begehrtes Fleischstück.

Tonnenweise würden Geweihe weggeschleppt, beklagt die örtliche Naturschutzverwaltung. Das Umweltministerium in Moskau listet weitere Verstöße auf: Schonzeiten werden nicht eingehalten; die Wilderer dringen auf modernen Motorschlitten in die Rückzugsgebiete der Rentiere vor und zerschneiden die Wanderrouten.

Die Behörden kommen selber zu dem Schluss, dass eine bessere Aufsicht über den Zustand der Herden nötig ist und ein energischer Kampf gegen Wilderer. Das ist indes aufwendig und teuer in einem Gebiet, das mit 1,5 Millionen Quadratkilometern viermal so groß ist wie Deutschland. Auch der WWF fordert eine effektive Bekämpfung der Wilderei, um die Wanderung der Rentiere langfristig zu sichern.

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