Wikileaks-Gründer Assange zu 50 Wochen Gefängnis verurteilt

Foto: epa/Neil Hall
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LONDON (dpa) - Seit 2012 hatte sich Assange seiner Verhaftung in London durch Flucht in die Botschaft Ecuadors entzogen. Nun bekommt er dafür ein knappes Jahr Haft aufgebrummt, nachdem ihn die Botschaft im April vor die Tür gesetzt hatte. Doch es könnte noch viel schlimmer kommen für Assange.

Der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, ist wegen Verstoßes gegen seine Kautionsauflagen in Großbritannien zu 50 Wochen Haft verurteilt worden. Das entschied das Southwark Crown Court in London am Mittwoch.

Der gebürtige Australier war am 11. April von der britischen Polizei in der Botschaft Ecuadors in London festgenommen worden, nachdem das südamerikanische Land das politische Asyl aufgehoben hatte. Er war 2012 in die diplomatische Vertretung geflüchtet. Damals lag ein europäischer Haftbefehl wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden gegen ihn vor. Assange, der die Vorwürfe immer zurückwies, fürchtete, via Schweden in die USA ausgeliefert zu werden.

Obwohl seine Auslieferung an die schwedischen Behörden bereits gerichtlich angeordnet war, durfte Assange gegen Zahlung einer Kaution während der Berufung auf freiem Fuß bleiben. Nachdem er dann auch in zweiter Instanz scheiterte, flüchtete er sich in die Botschaft Ecuadors. Indem er sich dem Zugriff der Polizei entzog, verstieß er gegen die wichtigste Kautionsauflage. Andere Auflagen waren beispielsweise, sich bei der von ihm angegebenen Meldeadresse aufzuhalten und sich täglich bei der örtlichen Polizeiwache zu melden.

Lange Zeit hatten die amerikanischen Justizbehörden nicht bestätigt, dass eine Anklage gegen Assange vorliegt. Doch nun könnte seine Befürchtung bald wahr werden: Bereits an diesem Donnerstag soll es erstmals eine Anhörung zum Auslieferungsgesuch der USA geben, das inzwischen vorliegt. Experten zufolge ist aber noch nicht mit wesentlichen Entwicklungen zu rechnen.

«Die Verurteilung Julian Assanges ist genauso schockierend wie von Rache geleitet. Wir haben große Bedenken, ob er eine faire Verhandlung über seine Auslieferung in Großbritannien bekommen wird», teilte Wikileaks per Kurznachrichtendienst Twitter mit.

In einem Brief, der am Mittwoch vor Gericht verlesen wurde, brachte Assange Bedauern zum Ausdruck. «Ich entschuldige mich uneingeschränkt bei denen, die der Meinung sind, dass ich sie respektlos behandelt habe in der Weise, wie ich mich verhalten habe», so Assange. Seine Anhänger im Zuschauerraum begrüßte er jedoch trotzig mit erhobener Faust.

Assanges Anwalt hatte argumentiert, sein Mandant habe sich den Behörden entziehen müssen, da ihn kein fairer Prozess erwarte. Die Angst vor der Auslieferung in die USA habe den Wikileaks-Gründer im Griff gehabt.

Die Richterin befand bei der Urteilsverkündung, Assange habe seine «privilegierte Stellung ausgenutzt», um sich über Recht hinwegzusetzen. «Es ist schwer, ein schlimmeres Beispiel dieses Vergehens vorzustellen.» Mildernde Umstände sah sie nicht gegeben.

Die USA werfen Assange Verschwörung mit der Whistleblowerin Chelsea Manning vor. Manning hatte Wikileaks 2010 - damals noch als Bradley Manning - hunderttausende geheime Militärdokumente zukommen lassen. Es geht dabei um die US-Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan. In Schweden hatte die Staatsanwaltschaft im Mai 2017 ihre Ermittlungen eingestellt. Die Anwältin der Frau, die Assange beschuldigt, hat aber die Wiederaufnahme beantragt.

Im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 veröffentlichte Wikileaks von Hackern gestohlene E-Mails der Demokratischen Partei. Dies schadete Hillary Clinton, die später Donald Trump unterlag.

Der linksgerichtete ecuadorianische Präsident Rafael Correa hatte Assange 2012 das Botschaftsasyl aus humanitären Gründen gewährt. Correas Nachfolger Lenin Moreno wollte diesen Zustand jedoch beenden. Assange war zunehmend eingeschränkt, zuletzt konnte er nur noch selten Besucher empfangen, Telefon- und Internetzugang waren zeitweise gekappt.

Die Aufhebung des Asyls für Assange in der Londoner Botschaft Ecuadors begründete Moreno mit wiederholtem Fehlverhalten des Wikileaks-Gründers. Der 47-Jährige habe unter anderem gegen die beim Asyl übliche Auflage verstoßen, sich nicht in innere Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen. So seien zuletzt von Wikileaks im Januar Dokumente aus dem Vatikan veröffentlicht worden - und Assange habe zuvor Kontakt zu wichtigen Mitgliedern der Enthüllungs-Plattform gehabt.

Assange sei außerdem im täglichen Umgang «unhöflich und aggressiv» gewesen, er und Wikileaks hätten Drohungen gegen Ecuador ausgesprochen. Die Geduld Ecuadors mit Herrn Assange habe ihre Grenze erreicht, sagte Moreno. Der Wikileaks-Gründer habe unerlaubte technische Ausrüstung installiert, Überwachungskameras blockiert, Wachleute angegriffen, sich unerlaubt Zugang zu Sicherheits-Daten der Botschaft verschafft, zählte der ecuadorianische Präsident auf.

Ein ehemaliger ecuadorianischer Diplomat widersprach dieser Darstellung. Assanges Verhältnis zu allen Angestellten der Botschaft sei respektvoll gewesen, sagte der frühere Konsul der Landesvertretung, Fidel Narvaez, dem britischen Nachrichtensender Sky News nach Assanges Festnahme im April.

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