Wieder jubelt Slowenien

​Mohoric: «Radsport zum zweiten Mal gekillt»

Der slowenische Fahrer Matej Mohoric vom Team Bahrain Victorious feiert seinen Sieg beim Radrennen Milano-Sanremo 2022 über 293 km zwischen Mailand und Sanremo. Foto: epa/Roberto Bettini
Der slowenische Fahrer Matej Mohoric vom Team Bahrain Victorious feiert seinen Sieg beim Radrennen Milano-Sanremo 2022 über 293 km zwischen Mailand und Sanremo. Foto: epa/Roberto Bettini

MAILAND: Das kleine Slowenien wird immer mehr zur Macht im Radsport. Dieses Mal ist es Tüftler Matej Mohoric, der beim schweren Klassiker Mailand-Sanremo triumphiert. Eine absenkbare Sattelstütze soll bei Tempo 80 den Unterschied ausgemacht haben.

Superstar Tadej Pogacar war gewarnt. «Ich weiß, dass er ein bisschen verrückt ist. Er hat mir beim Start von seiner Sattelstütze erzählt und mir gesagt, ich solle ihm bei der Abfahrt besser nicht folgen», berichtete der Tour-de-France-Champion über seine Unterredung mit Matej Mohoric. Dieser gewann mit großer Waghalsigkeit und technischer Raffinesse den 113. Frühjahrsklassiker Mailand-Sanremo am Samstag. Pogacar folgte dem Rat, und so setzten weder er noch Landsmann Primoz Roglic ihre Siegesserie im Radsport fort, und doch jubelte wieder das kleine Slowenien. Denn Mohoric ist quasi der dritte im Bunde einer goldenen Generation.

Mohoric war jedenfalls stolz über seinen Coup. «Ich habe eine absenkbare Sattelstütze benutzt, wie sie beim Mountainbike schon üblich ist», erklärte der Mann aus Kranj. «Bislang hat man das im Straßenradsport nicht benutzt, weil das Gewicht zu groß war», erläuterte Mohoric weiter. Der Slowene fand auf dem Markt aber eine hyperleichte. Bei der Abfahrt vom Poggio wechselte er bei Tempo 80 mehrfach von der tieferen, aerodynamisch günstigeren Position auf die höhere Normalposition, die ihm mehr Sicherheit beim Steuern bot. So rettete er zwei Sekunden Vorsprung vor dem Franzosen Anthony Turgis.

«Ich habe den Radsport zum zweiten Mal gekillt», sagte Mohoric mit Blick auf seine Experimentierfreude. Vor neun Jahren wurde er mit der mittlerweile verbotenen Supertuck-Position berühmt, als er auf dem Oberrohr sitzend aerodynamisch die Berge herunterraste. Da hatte er, seiner Lesart nach, das erste Mal seinen Sport «gekillt». Nun hat der Weltverband UCI die nächste (Regulierungs-)Aufgabe von ihm bekommen.

Nur schnell den Berg runterfahren, reicht aber auch bei Mohoric nicht aus, um einen 293 Kilometer langen Klassiker zu gewinnen. Der 27-Jährige verfügt über eine beachtliche Ausdauerfähigkeit. Mit zwei Etappensiegen bei der Tour de France, einer davon über fast 250 Kilometer durch die an Weinbergen reiche Bourgogne, ließ er vergangenes Jahr aufhorchen.

Der Sieg in Sanremo sorgte für ein Novum. Es war der fünfte Sieg, der im sechsten WorldTour-Rennen dieser Saison an Slowenien ging. Das sorgt für Aufsehen. Nur zwei Millionen Einwohner, davon sieben Profis in der WorldTour hat Slowenien. Deutschland stellt zum Vergleich 34 WorldTour-Fahrer. Darunter ist allerdings keiner von der Güte Pogacars oder Roglics. Beide sind Ausnahmetalente.

Ihnen kam die gute Ausbildungsinfrastruktur Sloweniens und auch die abwechslungsreiche Topographie des Landes entgegen, wie Mohoric erklärte. Freilich schwebt über dem slowenischen Radsportwunder auch ein Dopingschatten. Radsportler und Manager wurden in Verbindung mit dem bei der Operation Aderlass aufgeflogenen Thüringer Dopingarzt Mark S. gebracht. Milan Erzen, slowenischer Ex-Radsportler und Gründer des Rennstalls Bahrain Victorious, stand wegen Dopingverdachts schon unter besonderer Beobachtung der UCI. Belastbares Material gegen ihn oder einen der slowenischen Spitzenfahrer kam dabei aber nicht heraus.

Bei einer Razzia im Teamhotel von Bahrain Victorious bei der vorigen Tour de France wurden Spuren des Muskelmittels Tizanidin gefunden. Das Mittel stand damals aber noch nicht auf der Dopingverbotsliste und wird aktuell von der Weltantidopingagentur WADA auf seine möglicherweise leistungssteigernden Effekte untersucht.

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