BANGKOK. Es scheint, als hätte Thailand derzeit ein Hauptthema, überspitzt formuliert „eine Obsession‘, den Staatsfeind Nummer 1: Nein, dieses Mal sind es nicht angebliche ausländische Mafiavereinigungen, die der Landessicherheit zusetzen, es handelt sich um ein Millionenheer von Volksschädlingen mit einer Länge von 7,5 Zentimetern – Zigaretten.
Das im Spätsommer dieses Jahres nach einer Strandsäuberung in Pattaya in die Weltagenda gerückte Strandrauchverbot in Thailand schlägt Wellen. Die Schnapsidee übereifriger Aktivisten – die nach dem Ausbuddeln tausender von Kippen im schmuddeligen Sand des Dongtan Beachs geboren worden war – wird zum Entsetzen vieler Urlauber durchgesetzt. Ein generelles Rauchverbot an den Stränden Pattayas und Phukets, das zügig auch in allen anderen Urlaubszentren angeordnet werden soll, scheint unabwendbar. Wer ab Februar 2018 im Liegestuhl zum Glimmstengel greift, soll bis zu 100.000 Baht Geldbuße zahlen oder ein Jahr Vollpension im berüchtigten Knast ‚Bangkok Hilton‘ abbrummen!
Grundsätzlich wäre gegen eine Beschränkung des Rauchens an öffentlichen Plätzen nichts einzuwenden, und selbstverständlich liegt es in der Hoheit und im Souverän eines freien Landes, zu entscheiden, was erlaubt ist und was nicht. Der aktuelle Vorstoß, neben dem Strandrauchverbot auch Zigaretten auf Ausflugsbooten und Fähren zu untersagen, darf als vernünftiger Ansatz bewertet werden. Das wären ein Sicherheitsargument und eine nachvollziehbare gesundheitsbewahrende Initiative.
Wie praktikabel ist dagegen ein Generalrauchverbot an allen Stränden Thailands? Ist die im Sand entsorgte Kippe das Hauptproblem für Umwelt und Mensch? Und: Steht das negative weltweite Echo auf die kategorische Glimmstengel-Verbannung in einer gesunden Relation zur Problematik der Müllplage und den vielen verschmutzten Gewässern in thailändischen Urlaubsgebieten?
Ein Problem liegt sicher in der Wahrnehmung unserer Gastgeber und ihrer krassen Fehleinschätzung der Mentalität der jährlich 35 Millionen Besucher. Geht man davon aus, dass etwa 25 Prozent davon Raucher oder Gelegenheitspaffer sind, erreicht die Hiobsmeldung 7 bis 8 Millionen direkt Betroffene. Wie ist das eigentlich, wenn man auf Phuket am Karon Beach gemütlich im Liegestuhl bei einer Zigarette sitzt und plötzlich ein Uniformierter den Strafzettel zückt? Oder wenn auf Koh Samui am langen Strand von Chaweng Einheiten der Touristenpolizei ausschwärmen und Jagd auf Nikotin-Kriminelle machen? Kommt das gut rüber und fördert das den Tourismus?
Wie so häufig in diesem Land sorgten aktuelle Negativerlebnisse für einen rekordschnellen Sinneswandel. Nachdem zuerst in Pattaya und danach auf Phuket Hunderttausende von Zigarettenkippen aus dem Sand gefingert worden waren, brach sich der Aktionismus seine wilde Bahn. Aus dem Nichts tauchte ein Übereiferer auf und hatte eine Idee: Wenn wir den Rauchern den Qualm absaugen, kehrt der böse Geist in die Flasche zurück und alle sind wieder froh.
Hat es so etwas ähnliches nicht schon einmal gegeben? Zur Erinnerung: 2014 war es die kürzlich abservierte Tourismusministerin Kobkarn gewesen, die nach dem entsetzlichen Doppelmord an zwei britischen Rucksacktouristen auf der Taucherinsel Koh Tao ihres Amtes walten wollte. Sie erwog damals ernsthaft, allen Touristen ein Identifikationsarmband zu verpassen, auf dem persönliche Daten sowie die Unterkunft notiert werden sollten. Welch Glück für das Urlaubsland, dass ihr Vorstoß keine Mehrheit fand und Thailand eine große Peinlichkeit erspart blieb.
Mit dem Rauchverbot sieht es ähnlich aus. Die Begeisterung, das erste rauchfreie Touristengebiet der Welt zu werden, scheint höchste Regierungskreise elektrisiert zu haben. Anders lässt es sich nicht erklären, weshalb ohne erkennbare Not die Strandfreiheit im Land der Freien eingeschränkt werden soll und mit abschreckend hohen Strafen gespickt. Für westliche Beobachter ist es kaum nachzuvollziehen, weshalb sich Thailand damit ein Konfliktpotenzial schafft, das den Tourismus hemmt, Urlauber verschreckt, im Nachklang Millionen von Arbeitsplätzen gefährdet und zugleich das Image ramponiert.
Ginge es nicht eine Nummer kleiner? Zum Beispiel zwei- bis dreimal pro Monat die Strände zu reinigen, die Zigarettenstummel zusammen mit anderem Müll zu entsorgen und dafür eine Art einmaliger Kurtaxe in Höhe von 100 Baht pro Urlaubsgast einzustreichen. Damit könnte man die Touristen mit in die umweltpolitische Verantwortung nehmen. Und als willkommenen Nebeneffekt tatsächlich saubere Badestrände generieren!
Sicher, Nichtraucher werden erst einmal meutern und reklamieren, weshalb sie für etwas bezahlen sollen, das sie nicht verursachen. Andererseits: feiner schmucker Sand an den Stränden, endlich funktionierende Kläranlagen in Urlaubsorten wie Koh Samui, Phuket und Pattaya, eine Wasserqualität die lockt und nicht abschreckt, es gäbe genug zu tun.
Ein ohne Aussicht auf Erfolg durchgepeitschtes Rauchverbot wirkt wie eine Diskriminierung. Mit hohen Geldstrafen oder Gefängnis zu drohen, kann nicht die Botschaft eines der beliebtesten Urlaubsländer der Welt sein. Wo bleibt die viel gerühmte Gastfreundlichkeit?
Auf breiten Beinen scheint dieser Anti-Raucher-Aktivismus ohnehin nicht zu stehen. Allein, dass das Rauchverbot vom 1. November zwischenzeitlich auf den 1. Februar verschoben worden ist zeigt, dass manchen in der Regierung die Nebenwirkungen bewusst sind. Auf Phuket sind schon erste Raucherkabinen aus Plexiglas angeschafft worden. Dass darin noch nicht einmal Aschenbecher enthalten waren, darf als grotesk bewertet werden. Darüber sieht man als langjähriger Thailandkenner mit einem verständnisvollen Lächeln hinweg.
Kritik muss hingegen erlaubt sein, weil ein Thema wie das Raucherbot an Thailands Stränden Abermillionen von Touristen betrifft. Schon allein aus diesem Grund wäre eine ausgewogene Umsetzung von ziel- und planvollen Maßnahmen im Sinne aller Beteiligten. Nur eine sofortige Rücknahme des schlecht durchdachten Verbotes und eine Neuannährung an das Thema mit mehr Fingerspitzengefühl können weiteren Imageschaden abwenden. Stellen Sie sich vor, es gibt Thailand und kein einziger Raucher fliegt hin? Das klingt absurd und drastisch, aber erboste Reaktionen in sozialen Netzwerken dieser Art gibt es ebenso viele wie mutmaßliche Zigarettenkippen im Sande Thailands.