Wie die Zeit vergeht: 80 Jahre «Casablanca»

Humphrey Bogart als Rick und Ingrid Bergman als Ilsa in dem Film
Humphrey Bogart als Rick und Ingrid Bergman als Ilsa in dem Film "Casablanca" (1942). Der Filmklassiker hatte vor 80 Jahren Premiere. Foto: Turner Entertainment Co./dpa

CASABLANCA: «As Time Goes By» - wie die Zeit vergeht: «Casablanca» hatte vor 80 Jahren Premiere. Von kaum einem Werk gingen so viele Zitate ins kollektive Gedächtnis. Der Film war auch ein Stelldichein von Stars im Exil.

Erst Selbstmitleid, dann Selbstlosigkeit - mitten in den Wirren des Krieges. Barbesitzer Rick, gespielt von Humphrey Bogart, jammert Ende 1941 nach dem Auftauchen seiner Verflossenen in Französisch-Marokko: «Nicht zu fassen: Von allen Kaschemmen der ganzen Welt kommt sie ausgerechnet in meine.» Doch am Schluss wächst er über sich hinaus, rettet seine geliebte Ilsa (Ingrid Bergman) und deren Mann. Es gibt nun mal Wichtigeres im Leben als eine erfüllte romantische Liebe - zum Beispiel den Kampf gegen die Nazis. Das ist die Story des Filmklassikers «Casablanca». Vor 80 Jahren (26.11.) hatte er Premiere, bevor er am 23. Januar 1943 in die US-Kinos kam.

«Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen» als Ansage des korrupten französischen Polizeichefs Louis Renault (Claude Rains) gehört zu den vielen berühmten Zitaten des Films von Regisseur Michael Curtiz. «Spiel es einmal, Sam - zur Erinnerung an damals» lautet ein weiteres (und nicht «Spiel's noch einmal, Sam», wie viele denken). Ilsa sagt den Satz, als sie mit ihrem Mann Victor László (Paul Henreid) unerwartet in «Rick's Café Americain» in Casablanca auftaucht und den Pianisten Sam (Dooley Wilson) wiedersieht, Ricks guten Freund.

Und dieses «Damals», das sie meint, ist natürlich klischeegerecht Paris, die Stadt der Liebe, in der Ilsa und Rick im Sommer 1940 eine Affäre hatten, kurz bevor die Nazis Frankreichs Hauptstadt besetzten. Und zwar in einer Zeit, in der Ilsa dachte, dass ihr Mann, der Widerstandskämpfer László, längst umgebracht worden sei.

Erst im Laufe der etwa 100 Minuten versteht man, warum das Lied «As Time Goes By» (auf Deutsch also: Wie die Zeit vergeht) so viel Wehmut bei den Beteiligten hervorruft («You must remember this/A kiss is just a kiss/A sigh is just a sigh...»).

In kitschigen Rückblenden erfährt der Zuschauer, wie das damals war, wie sich Ilsa und Rick in den letzten Tagen vor dem Einmarsch der Deutschen das Leben versüßten («Wir haben doch ausgemacht: keine Fragen»). Romantisch fällt hier auch der Satz, den wohl jeder kennt und den Bogart viermal im Film sagt: «Ich seh' dir in die Augen, Kleines» (der Originalsatz lautet «Here's looking at you, kid»).

Die namensgebende Stadt Casablanca ist für den Film zu einem Tummelplatz für Emigranten aus dem eingeschlossenen Europa verklärt, die alle zum großen Auswandererhafen Lissabon wollen und dann nach Amerika. Doch der historische Hintergrund ist ein bisschen konstruiert. Am ehesten kam in Marokko noch Tanger (mit dem Hotel «El Minzah») an das heran, was hier in Casablanca erzählt wird.

Der Ich-halte-für-niemanden-den-Kopf-hin-Rick hat am Ende doch ein Herz. Der vorgebliche Zyniker stellt sichere, unbezahlbare Transitvisa, die er hat, Ilsa und ihrem Mann zur Verfügung - damit die beiden fliehen und weiter für die gute Sache kämpfen können.

Eine Ironie des Schicksals ist, dass zahlreiche Flüchtlinge aus Hitlers Deutschland in diesem Hollywood-Film Nazis spielen mussten. Den deutschen Befehlshaber Major Strasser stellt etwa Filmstar Conrad Veidt («Das Cabinet des Dr. Caligari») dar, der ein entschiedener Nazi-Gegner war und Deutschland verließ, weil seine Frau Jüdin war.

Der Autor Thomas Blubacher schreibt im neuen Buch «Weimar unter Palmen - Pacific Palisades - Die Erfindung Hollywoods und das Erbe des Exils»: «Hans Heinrich von Twardowski und Richard Ryan, unter dem Namen Révy bis 1936 ein renommierter Bühnenregisseur in Deutschland, gehören zu Strassers Gefolgschaft. Lotte Palfi versucht, Schmuck zu verkaufen. Curt Bois stiehlt Brieftaschen. Szöke Szakall kellnert. Helmut Guttmann, nun Dantine, spielt Roulette und Trude Berliner Baccara. Wolfgang Zilzer, bald darauf als Paul Andor berufstätig, hat Probleme, weil seine Papiere abgelaufen sind. Ludwig Stössel und Ilka Grüning radebrechen als rührend hilfloses altes Emigrantenehepaar auf Englisch: «Sweetness heart, what watch?», «Ten watch.», «Such much?»»

Es gibt noch andere schräge Dialoge in diesem Film, der im Sommer '42 innerhalb weniger Wochen gedreht wurde. So heißt es etwa in Gesprächen mit Bogarts Rick: «Welche Nationalität haben Sie?» Antwort: «Ich bin Trinker.» Oder aber: «Wo warst Du letzte Nacht?» Antwort: «Das ist so lange her, ich erinnere mich nicht.»

«Casablanca» ist und bleibt der Liebesfilm aller Liebesfilme. Auch nach acht Jahrzehnten wirkt das mit drei Oscars ausgezeichnete Melodram (Bester Film, Beste Regie, Bestes adaptiertes Drehbuch) noch so, als hätten sich alle Hollywood-Schmonzetten in dieser einen verdichtet.

«Casablanca» und Deutschland

Neben Charlie Chaplins «Der große Diktator» und Ernst Lubitschs «Sein oder Nichtsein» ist «Casablanca» einer der großen zeitgenössischen Hollywood-Filme gegen den Nationalsozialismus. Für den deutschen Markt wurde er noch lange Zeit als zu heikel empfunden.

So kam der Film vor 70 Jahren (29. August 1952) unfassbar geschnitten in deutsche Kinos. Er enthielt kaum noch Hinweise auf den Zweiten Weltkrieg. Die Szenen mit Major Strasser und Nazis waren raus.

Die Deutschen stimmen in Ricks Café «Die Wacht am Rhein» an? Die französischen Patrioten singen sie gerührt mit der «Marseillaise» nieder? Im 50er-Jahre-Deutschland: Fehlanzeige!

Victor László war in jener ersten deutschen Version natürlich auch kein Widerstandskämpfer, sondern ein norwegischer Atomphysiker. Erst Mitte der 1970er (5.10.1975) strahlte die ARD erstmals die ungekürzte und neu synchronisierte Fassung aus. In der DDR wurde der Film erstmals Anfang der 80er im Fernsehen gezeigt (6.9.1983).

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