KOPENHAGEN: Wer Teenagern über die Schulter blickt, hat oft das Gefühl, dass sie zu viel Zeit in den sozialen Medien und mit stundenlangem Zocken verbringen. Die WHO liefert nun neue Zahlen dazu.
Mehr Jugendliche als zuvor haben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO in Europa Probleme damit, ihre Smartphones zur Seite zu legen. Neuen Daten des WHO-Regionalbüros Europa zufolge zeigt mittlerweile mehr als jeder zehnte Heranwachsende Anzeichen für ein problematisches Social-Media-Verhalten, Mädchen dabei häufiger (13 Prozent) als Jungen (9 Prozent). Mehr als jeder und jede Dritte (36 Prozent) berichtete demnach davon, konstant mit Freunden online in Kontakt zu stehen.
Insgesamt ist die als problematisch eingestufte Social-Media-Nutzung unter Teenagern von 7 Prozent der Jugendlichen im Jahr 2018 auf 11 Prozent im Jahr 2022 angestiegen, wie die WHO Europa auf Basis einer umfassenden Befragung mitteilte. Dem Bericht zufolge lagen deutsche Jugendliche 2022 mit 10 Prozent leicht unter dem Gesamtdurchschnitt.
Hinzu kommt laut WHO die weitere Erkenntnis, dass 12 Prozent der Jugendlichen Gefahr liefen, ein problematisches Gaming-Verhalten zu entwickeln, hierunter Jungen deutlich stärker als Mädchen. Die in Kopenhagen ansässige Organisation sieht in diesen beiden Erkenntnissen Grund zur dringenden Sorge hinsichtlich der Auswirkungen der digitalen Technologie auf die mentale Gesundheit und das Wohlbefinden der Jugend in Europa.
Positive und negative Folgen von sozialen Netzwerken
«Es ist klar, dass soziale Medien sowohl positive als auch negative Folgen für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Jugendlichen haben können», erklärte WHO-Regionaldirektor Hans Kluge. Daher sei die Vermittlung von digitaler Kompetenz so wichtig. Dennoch sei diese in vielen Ländern unzureichend oder halte mit dem Tempo der Entwicklung nicht Schritt.
Mit sofortigen und nachhaltigen Maßnahmen müsse Jugendlichen dabei geholfen werden, die potenziell schädliche Social-Media-Nutzung in den Griff zu bekommen. Sie könne ansonsten zu Depressionen, Mobbing, Angst und schlechten schulischen Leistungen führen, warnte Kluge. Richtig genutzt können soziale Netzwerke demnach aber auch stärkere soziale Bindungen mit sich bringen.
Die neuen WHO-Erkenntnisse sind Teil einer umfassenden Gesundheitsstudie, für die im Jahr 2022 fast 280.000 Kinder und Jugendliche im Alter von 11, 13 und 15 Jahren aus 44 Ländern und Regionen in Europa, Zentralasien und Kanada befragt wurden. Als problematische Social-Media-Nutzung wird dabei ein durch suchtähnliche Symptome charakterisiertes Verhaltensmuster definiert, das sich etwa dadurch äußert, dass man die Nutzung nicht mehr kontrollieren kann, Entzugserscheinungen zeigt oder andere Aktivitäten vernachlässigt.