Der Westen ist stolz auf seine Werte. Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit und Individualismus werden gerne bemüht, wenn es um die Abgrenzung zu autokratischen Staaten geht. Freiheit, insbesondere freie Meinungsäußerung, werden oft an erster Stelle genannt, wenn es um Errungenschaften westlicher Demokratien geht. Die Tabuisierung von Themen oder gar Zensur galten bisher als No-No.
Umso mehr erstaunt ein Vorstoß des Deutschen Kulturrats, der ernsthaft ein Sabbatjahr für Talkshows fordert, um unliebsame Themen wie die Islamisierung Deutschlands oder die AfD aus der für das breite Publikum wahrnehmbaren Diskussion zu halten. Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, behauptet, „mehr als hundert Talkshows im Ersten und im ZDF haben uns seit 2015 über die Themen Flüchtlinge und Islam informiert und dabei geholfen, die AfD bundestagsfähig zu machen.“ Ein Beitrag von Christopher Lauer im Wochenmagazin „Die Zeit“ vom 21.06.2018 geht ebenfalls in diese Richtung. Er meint, „Talkshows vergiften den Diskurs. Seiner Meinung nach sollte Ziel eines auch zugespitzten politischen Diskurses doch immer eine zivilisierte Debatte sein, die widerstreitende Interessen berücksichtigt, am Ende aber einen Kompromiss, im besten Fall sogar einen Lösungsansatz aufzeigt… Talkshows verhindern durch die Art ihrer Inszenierung und ihres Aufbaus jede Form der sachlichen politischen Auseinandersetzung… Talkshows, die nur noch die eigenen Vorurteile bestätigen, braucht kein Mensch.“ Sandra Maischberger, eine der bekannteren deutschen Talkerinnen, wehrt sich gegen die Forderung, sogenannte politische Talkshows einzustellen. Sie wies vor allem das Argument von sich, Talkshows heizten die gesellschaftliche Debatte erst an und polarisierten damit den Diskurs. Stattdessen, so Maischberger, bildeten solche Formate lediglich einen Streit ab, der in weiten Teilen der Gesellschaft bereits geführt werde. Recht hat sie! Die Kritiker verkennen die Kausalität des Phänomens und bemerken nicht, dass eine bewusste Ausgrenzung von Themen aus der öffentlichen Debatte diese nur größer macht.
Ein anderes aktuelles Beispiel ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz des damaligen Justizministers und heutigen Außenministers Heiko Maas. Ziel des Gesetzes ist es, strafbaren Inhalten und Hass im Netz entgegenzuwirken. Ein legitimes Anliegen. Zum Problem wurde allerdings, dass das Gesetz mit heißer Nadel gestrickt wurde und handwerklich nicht in Ordnung ist. Statt einer Befriedung des Netzes wurde das Gegenteil erreicht. Der Journalistenverband nennt es „gaga“, Linke, Grüne und FDP lehnen es ab. Gegenstand des Gesetzes ist die Verpflichtung von Unternehmen wie etwa Facebook, offensichtlich strafbare Inhalte innerhalb einer Frist von 24 Stunden nach Eingang einer Beschwerde zu entfernen. Doch was sind „offensichtlich strafbare“ Inhalte? Kann es richtig sein, dass private Unternehmen über diese Frage entscheiden? Kritiker sehen dabei die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze und eine Beschneidung der Meinungsfreiheit.
Inhaltsleere Flüchtlingsdebatte
Die wahre Ursache für eine Vielzahl aktueller politischer Probleme wird langsam allerdings immer deutlicher sichtbar: Die Qualität der Arbeit der gegenwärtigen politischen Führung ist nicht ausreichend, um die dringenden Probleme unserer Zeit auch nur qualifiziert anzupacken oder gar zu lösen. Jüngstes Beispiel ist der sinnlose Koalitionsstreit der letzten Wochen in der Flüchtlingsfrage. Eine inhaltsleere Debatte, geführt aus wahltaktischen Gründen, die uns der Lösung des Problems keinen Schritt näherbringt. Tragisch und komisch zugleich, bleiben sogar die Umfragewerte der CSU im Keller, so dass einmal mehr lediglich Zeit verschwendet wurde.
Wo sind die Ansätze in der Sache? Müsste nicht der jetzige Außenminister Heiko Maas in Polen, Ungarn und & Co pausenlos auf der Matte stehen, um mit den Regierungen dort Lösungen für unsere gemeinsamen Probleme in der Flüchtlingsfrage zu finden? Fehlanzeige.
Wir sollten uns bei all diesen Beispielen vor Augen führen, dass die sogenannten westlichen Werte den Kern unserer Art zu leben darstellen. Wenn wir leichtfertig auf Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit Stück für Stück verzichten, unterscheiden wir uns immer weniger von autokratischen Systemen, die unsere Politiker so gerne kritisieren.
Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hongkong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden. Feedback erwünscht! Kontaktdaten von Rechtsanwalt Rasp:E-Mail: cr@cr-management-consulting.com Webseite: www.cr-management-consulting.com Telefon: +66 32 512 253 |