Wer soll das bezahlen?

Queen verliest Johnsons Regierungsprogramm

Foto: epa/Str
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LONDON (dpa) - Zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate muss die 93 Jahre alte Monarchin die Pläne des Premierministers im Parlament vorstellen. Im Zentrum stehen seine Versprechen eines raschen EU-Austritts und massiver Investitionen ins Gesundheitssystem.

Die britische Königin Elizabeth II. eröffnet am Donnerstag das Parlament in London nach der Wahl in der vergangenen Woche. Die 93 Jahre alte Queen verliest dabei das Regierungsprogramm von Premierminister Boris Johnson. Dessen Konservative haben Dutzende Mandate hinzugewonnen und nun einen Vorsprung von 80 Sitzen auf alle anderen Parteien.

Im Regierungsprogramm dürfte neben dem Versprechen von massiven Investitionen in den Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) vor allem der EU-Austritt eine prominente Rolle spielen. Der Regierungschef hat angekündigt, noch am Freitag das Ratifizierungsgesetz für seinen Brexit-Deal ins Parlament einzubringen. Die Zustimmung der Abgeordneten gilt als sicher. Er will das Land am 31. Januar aus der Europäischen Union führen. Eine Verlängerung der bis Ende 2020 vorgesehenen Übergangsphase soll nach Angaben der Regierung per Gesetz ausgeschlossen werden. Bis dahin wollen London und Brüssel ein Abkommen über die künftigen Beziehungen aushandeln.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, hält diesen Zeitplan für «völlig unrealistisch». Der CDU-Politiker kritisierte im Gespräch mit der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft (NBR) aber auch die Entscheidung Brüssels, Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier mit den Verhandlungen über das Anschlussabkommen zu beauftragen. Wenn man «einen Aufbruch der Beziehungen» wolle, sei es «psychologisch besser, frische Leute mit neuer Kraft in die anstehenden Verhandlungen zu schicken», so Röttgen.

Auch Gesetzesvorhaben für die von Johnson angekündigten Finanzspritzen für Schulen, Pflege und Polizei werden erwartet. Seit Langem hat der Premier zudem versprochen, neue Einwanderungsregeln mit einem Punktesystem nach australischem Vorbild einzuführen. Außerdem dürfte er eine härtere Gangart im Umgang mit verurteilten Gewalt- und Sexualverbrechern einlegen.

Johnson hat seinen Wahlsieg vor allem Wählern aus der Arbeiterschicht in den ehemaligen Labour-Hochburgen in Mittel- und Nordengland zu verdanken. Um sie zu locken, kündigte er ein Ende der Sparpolitik an. Der Premier steht unter Druck, diese Versprechen nun einzulösen. Wie das finanziert werden soll, ist unklar. Gleichzeitig versprach er nämlich auch niedrigere Steuern.

Die Sozialdemokraten von Labour verloren bei der Wahl 59 Mandate und fuhren damit das schlechteste Ergebnis seit 1935 ein. Effektiver Widerstand gegen Johnsons Gesetzesvorhaben ist daher von der Opposition nicht zu erwarten.

Trotz des überwältigenden Wahlsiegs der Tories sieht CSU-Europapolitiker Manfred Weber im Modell Johnson kein Vorbild für konservative Parteien. Dessen Erfolg gründe sich «auf den tiefen Ermüdungserscheinungen vieler britischer Bürger mit dem von Johnson mitverursachten Brexit-Chaos», sagte Weber der «Welt».

Erst im Oktober hatte die Queen das Parlament nach einer von Johnson verordneten Zwangspause wiedereröffnet. Die normalerweise pompöse Zeremonie wird dieses Mal nur in vereinfachter Form durchgeführt. Die Königin und ihre Insignien reisen im Auto statt in der Kutsche an, heißt es auf der Parlamentswebseite. Statt Hermelinmantel und Krone trägt die Königin ein Kleid und einen Hut.

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Thomas Knauer 23.12.19 18:15
Im Moment verlassen Firmen in großer Zahl die Insel, das produzierende Gewerbe liegt am Boden. Wo das Geld herkommen wird um hier massiv zu Investieren hat BJ nicht mitgeteilt. Das die Erlöse die durch den Wegfall der Beiträge zur EU dafür nicht ausreichen musste er schon eingestehen. Wie die Zukunft von GB sich entwickelt ist noch offen und der Zusammenhalt sehr fragil. Sollte Schottland sich abtrennen wird das Geld aus dem Nordseeöl komplett in Schottland bleiben. Dann wäre England mit Wales und Nordirland ein Handelspartner der wohl kaum von Interesse für die großen Player sein wird. wir können uns aber der Glaskugel bedienen oder einfach abwarten, werden die Entwicklung wohl selbst miterleben.
Eine Partnerschaft wie zwischen Norwegen, der Schweiz und der EU hat BJ ja schon abgelehnt. Ob ein Vertrag bis Dezember 2020 zustande kommt halte ich für unrealistisch. Dann wird es ein harter Brexit ohne Abkommen. Die Zahlungsverpflichtungen GBs für die Zukunft, Renten usw sind auch noch nicht geklärt. Es bleibt spannend und das Chaos auf der Insel wird sicher länger andauern als im Rest der EU
Jürgen Franke 23.12.19 14:40
Die Gespräche mit der EU werden sicherlich
sehr spannend werden, da die Rosinenpickerei erneut beginnen wird, die Frau May begonnen hatte. Das ändert jedoch nichts an dem umwerfenden Wahlerfolg des BJ. Die Briten wollten unbedingt diesen Lügner als Premier.
Rudolf Lippert 23.12.19 13:27
Hallo Herr Swisshai
Ich muss Ihnen widersprechen, ich wäre sicherlich kein guter Politiker... Die 15% / 50% sind in der Tat von mir aus der Hüfte geschossen. Ich dachte das wäre offensichtlich... Es kann auch mehr oder weniger sein oder ganz anders. Die Kernaussage ist, dass GB einmal frei vom EU-Recht, prosperieren wird. Es kann machen was es will, auch sich in direkten Steuerwettbewerb mit der EU setzen. Die Ausgestaltung wird sich zeigen. Firmensitze entstehen dort wo sie steuerliche Vorteile haben, auch wo Anbindung, Infrastruktur usw. stimmen. Firmen in jetzigen Steueroasen sind ja bereits gut lokalisiert, könnten sich aber ggf. dann verbessern. Steueroasen gibt es überall, ja. Ist auch eine Frage der Definition. Ohnehin gibt es weltweit z.Zt. 40 Länder mit Territorialbesteuerung ohne Außensteuergesetze. Auch TH, Phil und Malaysien, Labuan, Langkawi usw. gehören zu steuerlich sehr interessanten Gebieten. Ist bekannt. GB könnte sein Steuerrecht auch komplett umkrempeln, warum nicht? GB hat mit den USA ein Handelsabkommen so gut wie in der Tasche und der Commonwealth lässt sich reaktivieren zum Nutzen von GB. Wie gesagt, ich sehe das Ganze sehr positiv. Mit Ihren Beispielen bestätigen Sie doch eine Affinität GB´s zum Steueroasentum, was sich weiter ausbauen lässt. GB hat das zweitgrösste BIP in der EU, soviel wie die 18 Kleinsten zusammen. So ein Land soll ohne EU Mitgliedschaft eine schwierige Zukunft haben? Sorry, ich sehe das nicht.
TheO Swisshai 23.12.19 00:47
@Rudolf Lippert / Durchdacht, oder dahergeredet
Sie würden einen ausgezeichneten Politiker abgeben. Können Sie mir nun aber auch noch erklären, wie Ihre Theorie funktionieren soll ? 1. Wo und wieviel Gelder werden durch den Austritt an welcher Stelle frei, oder ist das einfach so dahergeredet ohne eine konkrete Ahnung ? 2. Wie kommen Sie auf, nachher 15 % resp.vorher 50 % Steuern, Pi mal Handgelenk ? Glauben Sie etwa, dass alle EU-Länder die selben Steuern haben ? Jedes Land kann seine Steuern grundsätzlich selbst bestimmen. LUX ist auch EU und hat ganz andere Steuergesetze wie D. Übrigens, die grössten Steueroasen gehören jetzt schon zu GB, jedoch nicht zur EU, nämlich; Cayman Island, Bermuda, Anguilla, Britische Jungferninseln, Jersey, Guernsey ! Von D nach GB umziehen um 35 % Steuern zu sparen, wie sind da die Regeln nach einem EU-Austritt von GB. kennen Sie denn das Abkommen schon ?
Rudolf Lippert 22.12.19 10:25
Klingt alles sehr positiv
Meine Zustimmung: massive Investitionen in das Gesundheitssystem und Investitionen in Schulen, Pflege und Polizei. Super. Röttgen sagt im Umkehrschluss, dass die EU Brexit-Chefunterhändler abgestandene, hergebrachte, kaputte, ermüdete (je nach dem was als das Gegenteil von "frisch" angesehen wird) Unterhändler im Feld hatte. Mit solchen Leuten verhandelt die EU über die Interessen und Zukunft ihrer Einwohner? Erschreckend! Durch den Austritt GB´s werden an anderer Stelle Gelder frei und GB wird prosperieren. Allein die Möglichkeit sein Steuerrecht selbst zu gestalten wird Reichtum nach GB bringen. Die Schweiz ist das beste Beispiel wie sowas funktioniert. Bekommt GB von einem Steuerpflichtigen 15% Steuern und DE 50% nicht mehr, hat GB diese 15% mehr als es vorher hatte ohne etwas zu tun, DE verliert seine 50% auch ohne etwas zu tun (Haha) und der Steuerpflichtige hat 35% mehr in der Kasse nur wegen seines Umzugs. Insbesondere DE hat sich mehrfach und laut gegen einen Steuerwettbewerb ausgesprochen - nun kann GB laut lachen: up to them. Also: ganz entspannt angehen. Last but not least:@ Manfred Weber: Ich würde ihm empfehlen mal die Ermüdungserscheinungen seiner EU-Wähler bezüglich der EU Politik anzuschauen...
Jürgen Franke 22.12.19 10:24
Die Engländer werden den Beweis antreten,
dass ein Volk auch ein Chaos wählen kann. Hoch lebe die Demokratie.
TheO Swisshai 21.12.19 23:52
Wer soll das bezahlen?
Diese Frage müsste Johnson klar beantworten können, er hat sich darüber sicherlich vorher Gedanken gemacht, es ist ja sein Plan. Das Sparprogramm zu beenden, sprich mehr Ausgaben und gleichzeitig Steuern zu senken, sprich weniger Einnahmen, jeder Schüler weiss, das geht nicht auf !!! Deshalb kann Johnson die Frage ja auch nicht beantworten. Also wer soll das nun also tatsächlich bezahlen ? Natürlich iemand, das war auch nie geplant, denn wie sagte Merkel mal; "Vor den Wahlen ist nicht nach den Wahlen ! "
Ingo Kerp 20.12.19 13:11
Beim neuen Premierminister muß Lizzy jetzt zum zweiten Mal ran und die Proklamation verlesen. Diesmal wurde es aber schlichter. Lediglich Kleid und Hut und neben ihr im Cut, der ewige Kronprinz. Sieht jetzt alles schon wesentlich bescheidener aus.