Wenn Träume zu Taten werden

Wenn Träume zu Taten werden

Wenn ich anfange zu träumen, dann lösen sich alle Grenzen auf, dann wird alles möglich, dann wird die Welt aus den Angeln gehoben, dann öffnet sich das Paradies. „Träume sind Schäume“, sagt der Volksmund, aber was ich in ihnen sehe und erfahre öffnet mir die Augen für eine bessere Welt.

Ich träume von einer Welt ohne Vorurteile, und voll großer Toleranz. Alle Menschen sind gleich, besitzen dieselbe Würde. Um zu dieser Einsicht zu kommen müsste ich nicht träumen, es gehört für mich zur Selbstverständlichkeit. Aber meine Träume führen weiter, führen mich in eine Zukunft ohne Hass und Kriege, in eine Welt ohne Hunger, Durst und Krankheiten. Alle Menschen werden Brüder und Schwes­tern. Ein schöner Traum. Umso schlimmer ist das Erwachen. Nichts von dem, was ich geträumt habe, findet in der Wirklichkeit statt. Mein Sohn arbeitet in der Job-Agentur. Was er mir gelegentlich erzählt lässt mich schaudern: Ein geflüchteter Urologe aus Syrien muss als Zeitungs-Austräger arbeiten, um finanzielle Hilfe zu bekommen. Seine Schwester, früher Zahnärztin mit sechs Mitarbeitern, ist in den Reinigungstrupp einer Firma beordert worden. Ist das etwa, was wir uns unter Integration vorgestellt haben? So wird nichts daraus! Einerseits brauchen wir dringend Facharbeiter, andererseits verbieten wir ihnen, in ihrem Beruf zu arbeiten. Zum Glück gibt es Träume, und manchmal werden sie sogar Wirklichkeit.

Ich will von einem Beispiel berichten. Es ist eine Eloge auf einen Mann, der einst auch einen Traum hatte, ein Mann, der keine Elogen will und braucht. Ihm genügt der Glanz in den Augen der Kinder, die ihm ihr Überleben und ihre Zukunft verdanken, und ihm genügt die Freude der Spender, die es ihm erlauben, dieses außergewöhnliche Hilfswerk immer mehr auszuweiten. Aber der Reihe nach: Kennen Sie Babys, die keiner haben will, die in eine Decke gewickelt morgens vor einem Waisenhaus liegen? Oder kleine Kinder, die von uralten kranken Leuten abgegeben werden, weil sie zu schwach und arm sind, sich um ihre elternlosen Enkel oder Urenkel zu kümmern? Ich habe diese und schlimmere Geschichten von Father Brennan gehört, der vor etwa 40 Jahren das Waisenhaus in Pattaya gegründet hat. Ich lernte ihn bei meinem ersten Urlaub in Thailand kennen und war sehr beeindruckt von seiner selbstlosen Persönlichkeit. Gleichzeitig sah ich Kinder, die sich Touristen anboten, die sich für Geld prostituierten. Damals, um 1985 schien das hier noch völlig normal. Was konnte ich dagegen tun? Der Zufall kam mir zu Hilfe in der Person von Ewald Dietrich, der am 3. Juli 2018 sechzig Jahre alt wird. Er war Controller bei IBM, aber nebenbei spielte er Puppentheater für Kinder, und den kleinen Erlös spendete er für in Not geratene Kinder. Irgendwann kam er ins Mainzer Forum-Theater „unterhaus“ und fragte, ob wir ihm bei seiner Arbeit für Kinder unterstützen könnten. Ich dachte sofort an unsere bekannten Künstler, die von montags bis samstags vor ausverkauftem Haus spielten, und fragte sie, ob sie bereit wären, für die „Aktion Straßen- und Waisenkinder“ noch einen Tag anzuhängen. Fast alle sagten zu. Ich sagte dem damals 30-jährigen Ewald Dietrich: „Wenn Du das Geld dem Waisen- und Kinderhilfswerk in Pattaya zukommen lässt, dann sind wir dabei“. Das ist nun schon lange her. Er hat diese Spenden nicht nur wunschgemäß investiert, er hat inzwischen sogar eine eigene Anlage für Straßenkinder gebaut, fast ein kleines Dorf, das Child Protection and Develepment Center (CPDC) etwas außerhalb von Pattaya, mit vier Häusern für Jungen, fünf Häuser für Mädchen, ein Haus für sogenannte „Neuankömmlinge“ und entsprechende Wirtschaftsgebäude. In jedem Haus leben acht Kinder zusammen mit einem Hausvater oder einer Hausmutter. Die Kosten dafür, die er, wo immer es geht, von Sponsoren einsammelt, betragen pro Jahr etwa 320.000 Euro. Hinzu kommen 150.000 Euro für das Waisenhaus. Das Programm des von ihm gegründeten „Human Help Network“ (HHN) für diese Projekte ist sehr durchdacht aufgebaut. Rund um das CPDC wurde ein Kinderschutzprogramm aufgebaut, welches sich in vier Stufen gliedert. Stufe eins ist die Straßensozialarbeit. Mitarbeiter in Zivil beobachten die Szene und informieren die Polizei, wenn Erwachsene sich an Kinder heranmachen. In der Stufe zwei werden diese Kinder ermuntert, ins Drop-in Center zu kommen, wo sie essen, schlafen, duschen und sich frei entscheiden können, ob sie dieses Angebot auf Dauer annehmen wollen oder nur von Zeit zu Zeit. Falls sie sich für ein dauerhaftes Bleiben entscheiden, können sie nach einer Bewährungszeit ins CPDC umziehen, wo sie ganztägig betreut werden, einschließlich Schulbesuch usw. Human Help Network arbeitet als NGO mit allen wichtigen Organisationen zusammen und zwar nicht nur in Thailand, sondern auch in Ruanda, wo sie Schulen baut, in Sri Lanka, wo sie nach dem verheerenden Tsunami Schiffe für die Fischer finanziert, sowie auch in Kambodscha und mit ECPAT (End Child Prostitution in Asian Tourism) in Bangkok.

Etwa zwei Millionen Euro an Spenden sammelt Ewald Dietrich jedes Jahr ein und investiert das Geld dort, wo es am dringendsten gebraucht wird. Längst hat er neue Pläne und denkt darüber nach, wie er diese verwirklichen kann. Dass er für sein ehrenamtliches Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, ebenso wie seine Mitarbeiterin Nora Weisbrod, die in Mainz die „Aktion Tagwerk“ leitet, ist das Mindeste. Seit 15 Jahren ist er mein Nachfolger als Geschäftsführer im „unterhaus“. Damit er Zeit für seine vielen Auslandsreisen hat, wurde damals bei den Vertragsverhandlungen festgelegt, dass, solange der Theaterbetrieb darunter nicht leidet, er selbst darüber entscheiden kann. Das Gegenteil ist dabei herausgekommen. Er hat dafür gesorgt, dass auf den Konten wieder schwarze Zahlen stehen. Ich bin stolz darauf, damals die richtige Entscheidung getroffen zu haben und schätze mich glücklich, dazu beigetragen zu haben, viele weitere Sponsoren zu finden. Ich gratuliere Ewald Dietrich von Herzen zu seinem 60sten Geburtstag, verbunden mit allen guten Wünschen für seine Zukunft.

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Leserkommentare

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