Wenn ein Regenbogen Hass auslöst

Foto: dpa/Benno Schwinghammer
Foto: dpa/Benno Schwinghammer

KAIRO (dpa) - «Wenn ich eine IS-Flagge geschwenkt hätte, wäre mir nicht das passiert», schreibt der junge Ägypter bei Facebook. Der Mann befindet sich seit Samstag inmitten eines Sturm des Hasses. Er hat Angst, dass ihm jemand etwas antut. In Tausenden Online-Kommentaren beleidigen Nutzer ihn und fordern Vergeltung. Was war passiert am Nil? Der junge Mann hatte Bilder veröffentlicht, die ihn mit einem Symbol der Toleranz zeigen sollen: der Regenbogenflagge.

Mehrere der Fahnen, die auch für die sexuelle Vielfalt und den Respekt gegenüber Homosexuellen stehen, wurden am Freitagabend bei einem Konzert der bekannten libanesischen Rockband Mashrou Leila in Kairo gehisst. Doch was nach dem Auftritt der Band an Empörung in den ägyptischen Medien folgt, hat nichts mit Toleranz, sondern nur noch mit offener Diskriminierung zu tun. Am Sonntag nehmen Sicherheitskräfte schließlich sieben angeblich beteiligte Konzertbesucher fest. Ihnen drohen Strafen wegen unmoralischen Verhaltens und der Förderung von Homosexualität.

Der Volkszorn gegenüber den Fahnenschwenkern lässt sich im Internet nachlesen: «Dieses Land braucht etwas wie Hiroshima, um es von diesem Dreck zu reinigen», schreibt ein Nutzer etwa. Die Welle der Entrüstung hat weite Teile des Landes erfasst. Es geht um Anstand und Moral - Werte, die in Ägypten manchmal streng und manchmal lax ausgelegt werden. So stößt sich beispielsweise kaum jemand daran, dass ein Kleidungsverkäufer in Kairo seinem Laden den Namen «Hitler» gab.

An gleichgeschlechtlichen Partnerschaften erhitzen sich die Gemüter am Nil weit mehr. Auch wenn Homosexualität gesetzlich gar nicht verboten ist, bleibt es ein gesellschaftliches Tabu. Schwule, Lesben und Transgender werden in Ägypten als abnormal angesehen. In der Vergangenheit wurden angebliche Homosexuelle deshalb zum Beispiel wegen der Verachtung des Islam eingesperrt.

Umso überraschender scheint es im Nachhinein, dass die Band Mashrou Leila bisher überhaupt Konzerte in Ägypten spielen durfte. Die Gruppe ist die wohl berühmteste Indie-Rockband in der arabischen Welt, auch international bekannt und spielt regelmäßig Konzerte in den USA und Europa. Ihrem schwulen Sänger Hamed Sinno schlägt aber vor allem in Ländern des Nahen Ostens viel Ablehnung entgegen. So erließ Jordanien ein Auftrittsverbot gegen die Band.

Das soll nun auch in Ägypten folgen, wie der zuständige Verband der Musiker auf Anfrage mitteilte. «Das ist verdorbene Kunst», sagt der stellvertretende Vorsitzende, Reda Ragab. Die Werte der Gesellschaft würden von der Band nicht unterstützt. Mashrou Leila hatte nach dem Auftritt vor Tausenden Menschen in Kairo auf ihrer Facebookseite noch geschwärmt, es sei eine der schönsten Shows der Gruppe jemals gewesen: «So viel Liebe!».

Der Parlamentarier Mustafa Bakri erklärte unterdessen einer regierungsnahen Zeitung zufolge, das Abgeordnetenhaus müsse diesem «Phänomen» entgegentreten. Er witterte eine internationale Verschwörung, die die ägyptische Jugend schlecht darstellen solle. Schließlich wollten westliche Staaten Druck auf Ägypten ausüben, damit dieses die gleichgeschlechtliche Ehe anerkenne.

Der jungen Ägypter dürfte jedenfalls kaum mit diesem Echo gerechnet haben, als er die Bilder mit der Fahne veröffentlichte. «Ihr habt gewonnen», schreibt er in einem neuen Post, «Ich habe Angst, auf die Straße zu gehen». Er selbst - der offenbar nicht zu den Festgenommenen gehört - sei gar nicht schwul, wie ihm von so vielen Leuten unterstellt werde, sondern habe nur sein Weltbild zum Ausdruck bringen wollen.

Anderen allerdings den eigenen Glauben aufzudrängen, sei barbarisch, schreibt er weiter. «Ihr könnt zum IS gehen. Die werden euch willkommen heißen.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.