Weltmeister beschwören historischen Tag

​«Man spürt die Energie»

Der 2. Juli 2016 soll in die deutsche Fußballgeschichte eingehen. Käpt'n Neuer und seine Kameraden fühlen sich bereit zur Premiere gegen den Angstgegner. «Jeder ist heiß auf dieses Spiel», sagt Bierhoff. Foto: epa/Christian Charisius
Der 2. Juli 2016 soll in die deutsche Fußballgeschichte eingehen. Käpt'n Neuer und seine Kameraden fühlen sich bereit zur Premiere gegen den Angstgegner. «Jeder ist heiß auf dieses Spiel», sagt Bierhoff. Foto: epa/Christian Charisius

BORDEAUX (dpa) - Italien-Trauma? Italien-Fluch? Finito lautet die Antwort der aktuellen Weltmeister-Generation. Deutschlands Fußball-Asse um den unbezwungenen Torwartgiganten Manuel Neuer oder den super-coolen Champions-League-Sieger Toni Kroos lassen sich in ihrem Viertelfinal-Optimismus nicht von der düsteren deutschen Turniervergangenheit schrecken. «Zuversicht haben wir natürlich, wir wissen um unsere eigenen Stärken, die Mannschaft hat Selbstbewusstsein», erklärte auch der schon total fokussierte Joachim Löw gut 24 Stunden vor dem Anpfiff.

Der Bundestrainer wies noch einmal eindringlich auf die Stärken der Italiener hin. Seine Stars aber sind längst auf Sieg gegen den Angstgegner programmiert. «Italien ist verwundbar», erklärte Sami Khedira - basta! Der Italien-Experte möchte seine extrem geschätzten Vereinskollegen von Juventus Turin am Samstag (21.00 Uhr/ARD) in Bordeaux auf die Heimreise nach Bella Italia schicken.

«Man spürt die Energie, und dass wir erfolgshungrig sind. Jeder hat das Ziel. dass wir Europameister werden wollen», sagte Mesut Özil am Freitagabend in Bordeaux. «Wir wollen beweisen, dass wir die Italiener schlagen können.» Die erste Begegnung hatten beide Teams schon auf dem Rollfeld in Bordeaux, nachdem sie fast zeitgleich landeten.

54 Jahre dauert der Negativlauf der deutschen Nationalelf gegen die Squadra Azzurra bei WM- und EM-Endrunden schon an. Vier Niederlagen, vier Unentschieden, kein Sieg seit 1962. Aber Joachim Löws 23 EM-Spieler in Frankreich fokussieren sich allein auf die Aussicht, am 2. Juli 2016 die deutsch-italienische Turnierhistorie umschreiben zu können. «Warum sollte ich ein Italien-Trauma haben?», entgegnete der 26 Jahre junge Kroos locker.

«Die Vergangenheit ist eh nicht mehr zu ändern. Für uns ist es entscheidend, wie es am Samstag ausschaut. Es wäre unheimlich wichtig zu gewinnen, weil das Turnier für uns dann noch weitergeht», führte Kroos weiter aus. Die Weltmeister glauben fest an ihre Stärke, «jeder ist heiß auf dieses Spiel», berichtete Teammanager Oliver Bierhoff. Sechs Tage Wettkampfpause waren genug. Die Zuversicht ist groß. «Jetzt freuen wir uns, dass es weitergeht und die Spiele eng aufeinander folgen», sagte Abwehrchef Jérôme Boateng zu den vorgesehen Schlussetappen der Frankreichtour mit den Zielorten Bordeaux, Marseille und Paris.

Mit dem geheimen Abschlusstraining im Basisquartier in Évian, an dem am Freitagvormittag alle 23 Akteure teilnahmen, startete Joachim Löw den finalen Countdown für den geplanten Vorstoß ins Halbfinale gegen eine italienische Mannschaft. «Die Mannschaft hat konzentriert trainiert und die notwendige Lockerheit gezeigt», berichtete Löw. Das DFB-Team hat Respekt - «aber keine Furcht», wie Manager Bierhoff versicherte. «Italien wird der schwerste Gegner bis dato», prophezeite Khedira.

Umgekehrt gilt jedoch dasselbe. «Sie sind die Nummer eins der Welt», erklärte Trainer Antonio Conte. Er und Torwartlegende Gigi Buffon kamen später zu ihrer Pressekonferenz und ließen damit Löw und Özil erstmal warten. «Es wird ein Spiel, bei dem es um Leistung, Blut und Tränen geht», klang Conte martialisch.

Thomas Müller, der Tor-Schreck in den Champions-League-Spielen des FC Bayern gegen Juventus Turin, sprach lockerer von einem «guten Zeitpunkt», dem Angstgegner zu begegnen, «weil wir gut in Form sind». Große Geheimnisse gibt es nicht voreinander. Trotzdem kann jedes Detail, jeder taktische Kniff, jede personelle Maßnahme entscheidend sein. Und Bundestrainer Löw will sich mit seiner ebenfalls gereiften Mannschaft nicht noch einmal wie beim Halbfinal-K.o. 2012 dem Gegner zu sehr unterordnen.

Der Bundestrainer hat intensiv getüftelt. Auch am Freitag steckte er auf dem Trainingsplatz wieder mit seinen Assistenten Thomas Schneider und Marcus Sorg die Köpfe zusammen. Soll Löw die gut harmonierende Siegerelf aus dem Slowakei-Spiel tatsächlich sprengen? Oder sogar das System wechseln, weil es Ende März in München mit einer Dreierabwehrkette ein 4:1 im Test gegen die Italiener gab? «Es ist die Aufgabe des Trainers, für die besonderen Momente besondere Lösungen zu finden», erläuterte Tüftler Löw.

«Wir haben natürlich eine Rechnung offen. Wir haben genügend Spieler hier, die bei der EM 2012 dabei waren», sagte Torwarttrainer Andreas Köpke. Zehn Spieler, die damals in Warschau zum Einsatz kamen, als Muskelprotz Mario Balotelli beim 1:2 die deutschen Titelhoffnungen mit seinem Doppelpack zertrümmerte, zählen auch zum EM-Aufgebot 2016. «Wir hatten damals auch einen Plan - der ist nicht ganz so aufgegangen», erinnerte Kroos. Diesmal soll es besser laufen.

Der Squadra Azzurra des an der Seitenlinie extrem engagierten Trainers Antonio Conte dürfte im Mittelfeld der angeschlagene Fixpunkt Daniele De Rossi fehlen. Effizienter Ergebnisfußball zeichnet das Team um Kapitän Buffon immer noch aus. «Der Italiener ist, was das Ergebnis angeht, minimalistisch eingestellt», bemerkte der frühere Italien-Legionär Bierhoff.

Herzstück bleibt das Juve-Bollwerk mit der Dreierkette Barzagli, Bonucci und Chiellini vor Buffon. «Alle Vier sind Weltklasse, sie spielen es wirklich perfekt», urteilte Kenner Khedira. Eine Woche vor dem großen EM-Finale im Stade de France möchte keiner im DFB-Tross die Koffer packen. Italien-Trauma? Italien-Fluch? Nein, diesmal soll Deutschland jubeln. «Alles, was in der Vergangenheit war, interessiert uns nicht», verkündete Bierhoff kämpferisch.

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