Weihnachten unter dem Vulkan

Schwarzer Schnee und Ziegenbraten

Die Lage des Vulkans Cumbre Vieja. Foto: epa/Miguel Calero
Die Lage des Vulkans Cumbre Vieja. Foto: epa/Miguel Calero

PALMA: Stille Nacht, Heilige Nacht? Ob es die auf der Vulkaninsel La Palma geben wird? Der Vulkan donnert, die Erde bebt, und Asche hat Teile der Insel wie ein schwarzes Tuch zugedeckt. Doch der Neuanfang bekommt allmählich ein Gesicht.

«Wie wird Weihnachten wohl dieses Jahr auf La Palma? Nun, es wird wohl sehr seltsam werden.» Das schrieb das Tourismusamt der Vulkaninsel vor einem Jahr, und gemeint waren die Folgen der Corona-Pandemie. Die hat in Spanien dank hoher Impfbereitschaft inzwischen etwas von ihrem Schrecken verloren. Im Jahr 2021 jedoch hat der Vulkan in der Cumbre Vieja neues, ganz anderes Leid über die 85.000 Palmeros gebracht, die Einwohner der spanischen Atlantikinsel vor der Westküste Afrikas.

Die Familie Leal aus dem untergegangenen Ort Todoque etwa, die alles, Bananenplantagen und ihre Häuser, verloren hat. Sie warten nun auf staatliche Hilfe, um «wieder bei Null anfangen zu können», wie Jésica Leal der Zeitung «La Vanguardia» sagte.

Rund 7000 Menschen mussten wegen der bis zu 1300 Grad heißen Lava ihre Häuser räumen und sind bei Angehörigen, in Hotels, Pensionen oder in vom Staat angemieteten Wohnungen untergekommen. Ihre Häuser wurden entweder von der Lava zermalmt und verbrannt, oder sie befinden sich in der Sperrzone unterhalb des Vulkans. Aber trotz aller Probleme gibt es schon Pläne für eine nachhaltige Zukunft. Pläne, in denen der Vulkan eine wichtige Rolle spielt.

Eine Stille und Heilige Nacht aber wird es dieses Jahr kaum geben, wenn es so weitergeht wie seit dem Beginn des Ausbruchs am 19. September. Zum Weihnachtsessen gehören auf La Palma meist Sopa de Picadillo, eine Hühnerbrühe, sowie Gerichte mit Ziegenfleisch, dem berühmten Käse der Insel und den Truchas, einer mit Süßkartoffel und Mandeln gefüllten Teigtasche. Wird die Insel auch dabei wieder von Erdbeben erschüttert, dass die Fensterscheiben klirren? Der Feuerberg faucht wie ein Heißluftballon beim Start, unterbrochen vom Grollen heftiger Explosionen in seinem Inneren. Millionen Tonnen von Asche und Lava wurden bereits ausgespuckt. Dort, wo sich die Lava zischend ins Meer ergießt, hat sich eine rund 40 Hektar große Landzunge gebildet.

Zu schaffen machen den Menschen auch die aus dem Vulkan ausströmenden Gase. Je nach Windrichtung ist die Konzentration an Schwefeldioxid so hoch, dass die Menschen in der Nähe des Vulkans ihre Häuser nicht verlassen sollen und die Kinder nicht in die Schule können. Treibt der Wind die Asche Richtung Flughafen, ist auch der Flugverkehr zu der größeren und bei Touristen bekannteren Nachbarinsel Teneriffa unterbrochen.

Mehr als 1000 Hektar der Insel sind mittlerweile mit einer dunklen Kruste aus erkalteter Lava bedeckt. Es wird Jahrzehnte dauern, bis dort wieder etwas wächst. Rund um den Vulkan hat sich zudem eine bizarre Landschaft gebildet. Eine meterdicke Schicht aus Vulkanasche deckt alles wie schwarzer Schnee zu, aus dem nur hier und da dürre Baumgerippe und Schornsteine verschütteter Häuser herausragen.

Viele der 7000 Evakuierten haben ihre Häuser angesichts der näher rückenden Lava schon vor Wochen leergeräumt und den Hausrat in großen Lagerhallen abgestellt. Die meisten hoffen, dass ihr Haus verschont bleiben möge. Für etwa 1000 Bewohner gibt es diese Hoffnung nicht mehr, ihre Häuser wurden von der Lava zerstört. «Jeden Tag habe ich gebetet: Bleib doch stehen», erzählt Jésica. Umsonst, die Arbeit von Generationen für immer verschwunden. Für Menschen wie sie hat die Inselregierung Holzfertighäuser bestellt, die bis zum Jahresende aufgebaut sein sollen.

Die 74 Quadratmeter großen Blockhäuser aus nordischer Fichte mit zwei bis drei Schlafzimmern, Wohnzimmer, Küche, Bad und Toilette sowie Wasser-, Abwasser- und Stromanschluss sollen in der Gemeinde El Paso rund vier Kilometer nordwestlich des Vulkans aufgebaut werden. Die Miete in den ersten zwei Jahren übernimmt der Staat, im dritten zu 90 Prozent.

Die bisher angekündigten staatlichen Hilfen für die schwer getroffene Insel belaufen sich auf etwa 334 Millionen Euro. Die sind unter anderem auch für die Landwirtschaft vorgesehen. Wichtigstes Erzeugnis sind Bananen, die vor allem auf das spanische Festland geliefert werden. Bereits etwa 470 Hektar Bananenplantagen sind von Lava bedeckt oder beeinträchtigt, die Ernte von jährlich rund 150.000 Tonnen ging nach Angaben des Verbandes der Bananenproduzenten Asprocan um mindestens 20 Prozent zurück, wie der Radiosender Onda Cero berichtete.

Aber es gibt auch schon Pläne für einen Neuanfang, wenn der Vulkan erst einmal Ruhe gegeben hat. Wenn es nach der Vereinigung der Vulkan-Geschädigten geht, soll südlich von der Ortschaft La Mancha eine neue ökologische und nachhaltige Stadt «Cumbre Nueva» entstehen. Auf einer Fläche von 400.000 Quadratmetern könnten 543 Wohnhäuser, eine Schule, ein Einkaufszentrum, Sportanlagen, ein Gesundheitszentrum und eine Kirche errichtet werden, berichtete die Zeitung «El Diario». Die Fertigteile der Häuser sollten aus Vulkanasche hergestellt werden, sagte der Architekt Sergio González-Jaraba. Und Geologen seien sich sicher, dass der gesamte Energiebedarf der Insel künftig durch Erdwärme gedeckt werden könne, die hier offensichtlich leicht zugänglich sei.

Erstmal aber hoffen die Menschen der Insel auf die weltberühmte spanische Weihnachtslotterie. Und dabei vertrauen sie ausgerechnet auf diese Nummer: 19921. Diese Zahl ist das Datum des Vulkanausbruchs am 19. September 2021. Die Lose mit dieser Nummer, von denen es wegen Stückelung und parallelen Serien insgesamt 1720 gibt, seien in ganz Spanien binnen Stunden ausverkauft gewesen. Fast alle, so berichtet es die Zeitung «El Mundo» unter Berufung auf Losverkäufer, seien von Palmeros gekauft worden.

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