Was will Riads starker Mann?

Foto: epa/Yuri Kochetkov
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RIAD (dpa) - Wie sich die Macht in Saudi-Arabien verteilt, wurde einmal mehr am Donnerstagabend beim überraschenden Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in dem Königreich deutlich. Nicht etwa König Salman empfing das französische Staatsoberhaupt in der Hauptstadt Riad, sondern ein 32-Jähriger von großer Statur, mit Vollbart und und energischem Blick: Mehr als zehn Sekunden drückte Kronprinz Mohammed bin Salman seinem Gast die Hand und lächelte.

Es ist in Saudi-Arabien schon seit längerem ein offenes Geheimnis, dass nicht der König der stärkste Mann des Landes ist, sondern sein ehrgeiziger Sohn. Mohammed bin Salman, oft kurz und knapp «MbS» genannt, geht es nicht nur darum, die Machtverhältnisse im Königreich selbst zu verändern, sondern im gesamten Nahen Osten. Offensiv fordert er den Erzrivalen des sunnitischen Königreichs heraus, den schiitischen Nachbarn Iran - und spielt dabei mit dem Feuer.

Vor diesem Hintergrund sind drei Ereignisse zu analysieren, die in den vergangenen Tagen für Schlagzeilen sorgten und eng miteinander verbunden sind: die Festnahme Dutzender Prinzen und anderer führender Persönlichkeiten in Saudi-Arabien, der Raketenangriff aus dem Jemen auf Riad und der angekündigte Rücktritt des libanesischen Regierungschefs Saad Hariri, ein enger Verbündeter der Saudis.

Seit dem Amtsantritt seines Vaters vor bald drei Jahren hat «MbS» einen steilen Aufstieg erlebt. Als Verteidigungsminister steht er an der Spitze der Armee. Zugleich verantwortet er die «Vision 2030», ein gigantisches Programm zum Umbau der Wirtschaft, mit dem das Königreich seine Abhängigkeit vom Öl verringern will. Im Sommer ließ ihn sein Vater schließlich zum Kronprinzen ernennen.

Doch offenbar hielt «MbS» seine Macht noch nicht für gesichert genug. Mehr als 200 Personen ließ die saudische Führung am vergangenen Wochenende unter Korruptionsverdacht festsetzen, eine im Land bisher beispiellose Verhaftungswelle. Unter den Betroffenen war auch Prinz Mutaib bin Abdullah, als Chef der Nationalgarde in einer Position, die ihn als Konkurrenten für «MbS» erscheinen ließ. Der Kronprinz habe den Anti-Korruptionskampf genutzt, um potenzielle Rivalen aus der Königsfamilie aus dem Spiel zu nehmen, sagt die Golf-Expertin Jane Kinninmont von der Londoner Denkfabrik Chatham House.

Gleichzeitig versucht «MbS», sich einen Namen als Modernisierer des islamisch-konservativen Königreichs zu machen. Er ließ die Macht der gefürchteten Sittenpolizei beschneiden. Zudem sollen auch in Saudi-Arabien Frauen bald Auto fahren dürfen. Doch Liberalismus oder gar Demokratie nach westlichem Verständnis sind vom Kronprinzen nicht zu erwarten. «Das ist die Modernisierung des Autoritarismus», sagt Expertin Kinninmont. «Er dürfte mehr Interesse an den Anführern Russlands und Chinas als an denen Europas haben.»

Unter der Führung Mohammed bin Salmans verschärfte Saudi-Arabien vor allem seinen Kurs gegenüber dem Iran. Immer wieder wirft das sunnitische Königreich dem schiitischen Nachbarn vor, in der Region Unruhe zu stiften. Angesichts einer großen schiitischen Minderheit im Osten Saudi-Arabiens befürchtet die Führung in Riad, Irans Politik könnte auch das eigene Land und damit die Monarchie gefährden.

Bestätigt sehen die Saudis ihre Angst durch den starken Einfluss, den der Iran über Milizen in den beiden Krisenländern Syrien und Irak ausübt. Dort ist eine schiitische Achse entstanden, die vom Libanon am Mittelmeer über Syrien und den Irak bis in den Iran reicht.

Im Jemen im Süden der Arabischen Halbinsel hat der Bürgerkrieg zugleich Züge eines Stellvertreterkriegs zwischen den beiden Regionalmächten angenommen. Der Iran unterstützt die schiitischen Huthis, die große Teile des Landes überrannt haben. Saudi-Arabien intervenierte vor mehr als zwei Jahren und bombardiert an der Spitze einer Koalition die Rebellen. Die Angriffe habe entscheidend dazu beigetragen, dass die Infrastruktur des bettelarmen Landes stark zerstört wurde und Millionen Menschen leiden müssen.

Nach dem Raketenangriff der Huthis auf Riad verschärfte Mohammed bin Salman seine Kriegsrhetorik gegenüber dem Iran. Sicher sein kann er sich dabei der Rückdeckung von US-Präsident Donald Trump, der wie die Saudis den Iran für eine Gefahr hält.

Trotz der Luftangriffe konnten die Saudis die Huthis bisher kaum zurückdrängen. Überhaupt habe sich «geradezu jede außenpolitische Initiative, die Mohammed bin Salman angeführt hat, als desaströs erwiesen», urteilt der Nahost-Experte Mark Lynch in der «Washington Post». Dazu zählt auch die Blockade Katars, dem Saudi-Arabien zu enge Beziehungen zum Iran vorwirft. Bislang ließ sich das Emirat nicht in die Knie zwingen, stattdessen leidet die Wirtschaft am Golf.

Dennoch könnte der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran bald in einem weiteren Land eskalieren: im kleinen Libanon am Mittelmeer, einem Staat mit vielen Konfessionen und einem fragilen politischen Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen Gruppen.

Von Riad aus kündigte der libanesische Ministerpräsident Saad Hariri am vergangenen Wochenende seinen Rücktritt an. Der sunnitische Politiker hat nicht nur enge Drähte nach Saudi-Arabien, sondern braucht das Königreich auch für seine Geschäfte als Unternehmer. Manche sehen ihn gar als Marionette Riads. Hariri griff während seiner Erklärung die im Libanon einflussreiche Schiitenmiliz Hisbollah an - deren Geldgeber und Schutzmacht der Iran ist.

Will Saudi-Arabien seinen Erzrivalen jetzt im Libanon herausfordern? Droht ein Angriff auf die Hisbollah oder ein neuer Bürgerkrieg? Saudi-Arabien rief seine Bürger am Donnerstag auf, den Libanon zu verlassen. Bei vielen Libanesen löste diese Meldung große Sorgen aus.

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