Was nun, Hamilton?

Lewis Hamilton, britischer Formel-1-Pilot von Mercedes-AMG Petronas, reagiert. Foto: epa/Clive Mason
Lewis Hamilton, britischer Formel-1-Pilot von Mercedes-AMG Petronas, reagiert. Foto: epa/Clive Mason

SAKHIR: Die Formel 1 bricht in ihren letzten Dreierpack auf. Mercedes und Lewis Hamilton haben wieder die Titel abgeräumt. Was wartet demnächst auf den Briten? Weitere Bestmarken? Die Ritterehre? Nur die Eroberung der Formel 1 ist Hamilton jedenfalls nicht genug.

Schon vor seiner Reise in die letzten Wüstennächte dieser so denkwürdigen Formel-1-Saison hat Lewis Hamilton seine ganz eigene Umlaufbahn erreicht. Der Mercedes-Pilot ist längst das einzige globale Gesicht der Motorsport-Königsklasse, in seinem WM-Kosmos ist nach seinem siebten Titel nur Michael Schumacher ebenbürtig.

Was soll jetzt noch alles kommen für den 35-Jährigen? Eine Reise zum Mond? «Es war nicht unvorstellbar, aber ich glaube, es wurde als unmöglich angesehen», meinte Hamilton vor dem drittletzten Grand Prix der Saison in Sakhir am Sonntag über das Angreifen von Schumachers einst für die Ewigkeit geschaffenen Rekorden. «Ich habe jedoch davon geträumt. Ich habe auch davon geträumt, ins Weltall zu fliegen. Vielleicht fliege ich noch ins Weltall.»

Für den einzigen Formel-1-Fahrer mit afrikanischen Wurzeln liegt mittlerweile vielleicht nur noch in der Entgrenzung die ultimative Herausforderung. Im Zentrum Hamiltons liegt sicherlich auch weiter das Rennfahren, sie bietet ihm aber längst eine Bühne für soziales und politisches Engagement. «Wir müssen auf Veränderungen drängen. Wir brauchen Gleichheit, wir brauchen mehr Vielfalt innerhalb der Branchen», betonte der aus armen Verhältnissen stammende Pilot.

Einst war das Gesicht der Formel 1 ein kleiner, weißer Mann mit offenen Sympathien für Alleinherrscher: Bernie Ecclestone. Längst ist das Gesicht der Formel 1 ein schwarzer, junger Mann mit wachsendem Sendungsbewusstsein: Lewis Hamilton.

Er unterstützt die «Black Lives Matter»-Bewegung, forderte nach der Tötung der schwarzen Breonna Taylor öffentlich eine Bestrafung der Täter und hat einen eigenen Ausschuss ins Leben gerufen: Die «Hamilton Kommission» setzt sich aus 14 Experten und teils hochrangigen Mitgliedern zusammen, die mithelfen sollen, die Diversität im Motorsport zu erhöhen.

«Es zeigt nicht nur, dass er ein politisch wacher Mensch ist, sondern dass er Verbundenheit empfindet mit Menschen mit schwarzer Hautfarbe, die unter Missachtung und Rechtlosigkeit leiden», sagte der Sportphilosoph Gunter Gebauer der Deutschen Presse-Agentur über das Engagement Hamiltons. «Obwohl er unter viel glücklicheren und ökonomisch außergewöhnlichen Bedingungen lebt, bekennt er sich zur Solidarität mit den geschundenen Mitgliedern seiner Community.»

Das Fundament Hamiltons liegt aber immer noch in der Formel 1. Und in Sakhir will er dort weitermachen, wo er mit seinem Sieg in der Türkei aufgehört hat. «Die ganzen Hausaufgaben, die ich im Hintergrund mache, sind wahrscheinlich der Grund dafür, dass man die Ergebnisse sieht, die ich heute erziele», erläuterte Hamilton sein Arbeitsethos. «Jedes Jahr schreibe ich mir auf, worin ich nicht toll bin, und davon gibt es eine Menge. Dann frage ich mich: Wie bekomme ich das hin?»

Hamiltons nächster Meilenstein in dieser Corona-Notsaison könnte der Rekord bei den Saisonsiegen werden. Gewinnt er auch die letzten drei Grand Prix des Jahres, würde er mit Michael Schumacher und Sebastian Vettel (jeweils 13) gleichziehen.

Und dann? Hamilton hat noch immer keinen Vertrag für die neue Saison. Mercedes-Teamchef Toto Wolff sprach schon davon, dass man wahrscheinlich erst Ende des Jahres die Sache klären werde.

Und dann? Könnte Hamilton Medienberichten zufolge von der Queen zum Ritter geschlagen werden. «Er hat das Vorurteil zerstört, dass es nicht geht, dass es einen Bereich gibt, in dem man wegen seiner Hautfarbe etwas nicht erreichen kann», lobte der frühere Weltmeister Damon Hill seinen englischen Landsmann.

Und dann? Vielleicht WM-Titel Nummer acht. Aber das steht alles noch in den Sternen.

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