Was bedeutet der Bundeswehr-Abzug für Mali?

Das Logo der Vereinten Nationen (UN) ist auf der Uniform eines deutschen Soldaten zu sehen, als sich eine Gruppe im Camp Castor in Gao, Mali, versammelt. Foto: epa/Michael Kappeler / Pool
Das Logo der Vereinten Nationen (UN) ist auf der Uniform eines deutschen Soldaten zu sehen, als sich eine Gruppe im Camp Castor in Gao, Mali, versammelt. Foto: epa/Michael Kappeler / Pool

DAKAR: Der gefährlichste Einsatz der Bundeswehr hat jetzt ein Ablaufdatum: Bis Mitte 2024 sollen die deutschen Soldatinnen und Soldaten aus Mali abziehen. Was bedeutet das für das westafrikanische Land, das seit Jahren im Krisenmodus steckt?

Die Bundesregierung will die Bundeswehr bis Mai 2024 von der Mission der Vereinten Nationen (Minusma) in Mali abziehen. Diese hat die Stabilisierung des Krisenstaates zum Ziel. Welche Gründe gibt es für den Abzug? Und mit welchen Folgen für die Sicherheit in Mali ist zu rechnen? Ein Überblick:

Wieso zieht die Bundeswehr ab?

Die Bundesregierung zieht die Konsequenzen aus einem monatelangem Streit mit den Militärmachthabern Malis, was etwa Überflugrechte der Bundeswehr angeht. Zuletzt hatte Malis Regierung auch eine geplante Einreise des deutschen Generalinspekteurs Eberhard Zorn - Deutschlands ranghöchster Soldat - praktisch unmöglich gemacht, indem Visaregelungen verschärft worden waren.

Das 20-Millionen-Einwohner-Land hat seit 2012 drei Militärputsche erlebt - allein zwei folgten 2020 und 2021 aufeinander. Im Februar 2024 soll es laut Übergangsregierung Präsidentschaftswahlen geben.

Was heißt das für die UN-Mission Minusma?

Deutschland ist mit 1200 Soldatinnen und Soldaten der größte europäische Truppensteller für die Minusma. «Die Bundeswehr geht, aber andere, vor allem afrikanische Länder, bleiben ja bei der Minusma. Fakt ist allerdings, dass mit dem Abzug Deutschlands sehr gut ausgebildete Soldaten mit modernster Ausrüstung Mali verlassen», sagt Christian Klatt, Leiter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Bamako. Es müsse geklärt werden, wie die Minusma oder auch eine andere Mission weitermachen könnten.

Vor Deutschland hatten bereits Frankreich, Großbritannien und Dänemark den Abzug der eigenen Truppen angekündigt und zum Teil mit der Präsenz von russischen Söldnern der Wagner-Gruppe begründet. Deren Anwesenheit bestätigt die malische Regierung nicht.

Was machen die Militärmachthaber jetzt?

Der malische Politiker Fousseyni Ouattara, Mitglied in der Verteidigungskommission des Übergangsparlamentes, kritisierte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass die Minusma den malischen Soldaten weder im Kampf noch mit Informationen bei der Aufklärung helfe. «Mali kann weiterhin mit denjenigen Partnern zusammenarbeiten, die sich bemühen, die ausdrücklichen Bedürfnisse der malischen Regierung zu berücksichtigen», so Ouattara. Zu den neuen Partnern gehören laut dem malischen Politikwissenschaftler Mady Kamara neben Russland auch China, Türkei und Iran.

Inwieweit eine Mission der Afrikanischen Union oder die Zusammenarbeit mit anderen Sahel-Staaten entstehen könnte, bleibt offen. Mali beteiligte sich nicht am jüngsten Treffen der ständigen regionalen Sicherheitskonferenz «Accra-Initiative». Neben Burkina Faso und Niger sind auch zunehmend Küstenstaaten wie Ghana, Togo, Benin und Elfenbeinküste von Terrorismus betroffen.

Wird es Mali ähnlich ergehen wie Afghanistan?

Nach dem Scheitern des westlichen Engagements in Afghanistan im Sommer vergangenen Jahres ist der einzige große Auslandseinsatz der Bundeswehr der in Mali. Aber: Die terroristischen und kriminellen, gewaltbereiten Akteure in Mali seien nicht mit denen in Afghanistan zu vergleichen, so der Politikwissenschaftler Kamara aus Bamako. Allerdings gelte mit dem Abzug der Bundeswehr: «Die Terroristen werden sich freier bewegen können, auch über Mali hinaus.»

Entscheidend sei, das 1,5 Jahre große Zeitfenster des angekündigten Abzugs zu nutzen, sagt FES-Büroleiter Klatt. Deutschland müsse überlegen, was jenseits der militärischen Unterstützung, etwa mit Stiftungsarbeit, Entwicklungshilfe und politischer Begleitung möglich sei.

Was heißt das für die humanitäre Lage in einem der ärmsten Länder der Welt?

Extreme Armut, mangelnde Bildung und Perspektiven sowie Geschlechterungerechtigkeit bringen Mali beim Human Development Index der UN auf den drittletzten Platz von 189 Ländern. Haupttreiber dahinter: Die anhaltende Gewalt vor allem im Norden und Zentrum Malis. 2022 wird nach Analysen der Nichtregierungsorganisation ACLED voraussichtlich das Jahr mit den meisten Toten seit Beginn des Konflikts. «Die Zivilbevölkerung wird verschleppt, vergewaltigt und getötet, teilweise von malischen Soldaten, von Dschihadisten, von mutmaßlichen Wagner-Söldnern oder lokalen Milizen», schildert der Anwalt Drissa Traoré von der Menschenrechtsorganisation FDHI Zeugenberichte von Betroffenen in Zentralmali.

Was heißt das alles für die Migration nach Europa?

«Nach Europa aufzubrechen, braucht sehr viel Geld, aber die Menschen in der Sahel-Region haben das nicht», sagt Kamara. Vielmehr migrierten die meisten innerhalb Malis oder der Sahel-Region. Seit Beginn der Krise in Mali 2012 haben vergleichsweise nur sehr wenige Menschen aus dem Sahel-Staat Asyl in Deutschland beantragt. So kamen laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2016, dem Jahr mit einem Rekordwert an Asylanträgen (745.545) lediglich 1283 Anträge von malischen Staatsbürgern. Am beliebtesten ist noch Frankreich als EU-Zielland.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.

Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Jürgen Franke 26.11.22 15:40
Herr Kerp, das ist zwar Ihre Antwort,
jedoch nicht die Antwort auf die konkrete Frage von Herrn Krath. Und über den Sinn dieser Einsätze entscheiden die Politiker.
Ingo Kerp 26.11.22 13:30
Die Überschrift des Artikel ist leicht und schnell beantwortet: weniger tote deutsche Soldaten, die sinnloserweise getoetet werden koennten, beim Verbleib in Mali.
Jürgen Franke 25.11.22 18:50
Herr Krath, da die Bundeswehr nur das machen
und dorthin gehen, was die Abgeordneten des Bundestages, die von der deutschen Bevölkerung gewählt wurden, im Bundestag mehrheitlich beschlossen haben, ist Ihre Frag völlig unverständlich.