Waldbrände - die schwere Suche nach dem ersten Funken

Flammen breiten sich in der Gemeinde Blufi aus. Sizilien, Sardinien, Kalabrien und auch Mittelitalien wurden von Waldbränden schwer getroffen. Foto: Salvatore Cavalli/dpa
Flammen breiten sich in der Gemeinde Blufi aus. Sizilien, Sardinien, Kalabrien und auch Mittelitalien wurden von Waldbränden schwer getroffen. Foto: Salvatore Cavalli/dpa

ATHEN/ISTANBUL/ROM: War es die berühmte weggeworfene Kippe, der Funke eines Strommastes oder wirklich Brandstiftung? Angesichts der Feuer in Südeuropa wird heiß diskutiert. Auch dieses Mal gibt es Festnahmen und viele Theorien. Nicht alle haben Substanz.

Es war ein heißer Nachmittag im Juli 2018, als ein älterer Herr im Westen der Stadt Mati nahe Athen auf seinem Grundstück gärtnerte. Weil das trockene Gestrüpp sich häufte, beschloss er, es zu verbrennen. Legal war das nicht - Gartenabfälle dürfen in Griechenland wegen der Feuergefahr nur von November bis April verbrannt werden. Der Mann griff trotzdem zum Feuerzeug. Die Folge war eine der schlimmsten Brandkatastrophen Europas der letzten Jahrzehnte. Mehr als 100 Menschen kamen in den Flammen von Mati um.

So schnell wie das Feuer entflammten damals die Gerüchte zur Ursache der Tragödie. Ein Bürgermeister bestand darauf, ein abgetrenntes Stromkabel habe Funken geschlagen. Der damalige griechische Minister für Katastrophenschutz sagte, es handele sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Brandstiftung. Schließlich ermittelten die Sachverständigen der Feuerwehr den Anwohner, der seine Gartenabfälle verbrannt und die Stelle anschließend nicht richtig gelöscht hatte.

Auch dieses Mal gibt es in Griechenland wieder Vermutungen, bei den Bränden könnte es sich um Brandstiftung handeln. Die Theorien stammen nicht etwa nur aus Facebook. Am Montag hat der Staatsanwalt des Obersten Gerichtshofs Ermittlungen eingeleitet: Die übermäßige Anzahl der Brände sowie ihr zeitnaher Ausbruch begründe den Verdacht auf vorsätzliche organisierte Aktivitäten, erklärte Vassilis Pliotas.

Nur: Ähnliche Ermittlungen gab es bereits nach den gewaltigen Bränden 2007 auf der Halbinsel Peloponnes, bei denen Dutzende Menschen ums Leben kamen. Damals stellte sich heraus, dass eine ältere Frau im Garten Spiegeleier auf einer offenen Gasflamme gebraten und so den fatalen ersten Funken gezündet hatte.

Hartnäckig hält sich trotzdem der Mythos, die Brände würden etwa von Bodenspekulanten organisiert - oder von der Energieindustrie, die angeblich unzählige Windkrafträder aus dem Boden stampfen will. In Griechenland ist die Bebauung verbrannter Flächen jedoch verboten.

Bislang hat die Polizei gut zwei Dutzend mutmaßliche Brandstifter festgesetzt. Darunter: Ein stadtbekannter Pyromane, der Mülltonnen anzündete, ein Drogenabhängiger, der mit Pyrotechnik hantierte sowie zwei Männer mit einem Benzinkanister, den sie nicht schlüssig erklären konnten. Es tauchte jedoch auch ein Video auf, das junge Männer zeigt, die Feuer legten - die Behörden ermitteln.

Das Ausmaß der Brände in so weiten Gebieten lässt jedoch auch andere Schlüsse zu. So sind in Griechenland die vielen Pinien ein starker Brandfaktor: Brennt es einmal, explodieren die Zapfen der Bäume wie Handgranaten. Zudem treiben starke Sommerwinde die Funken voran und entzünden weit entfernt neue Flammen. So kann der Eindruck entstehen, die Feuer entflammten fast zeitgleich an mehreren Stellen.

Auch in der Türkei wird über die Ursachen spekuliert. Zumindest in Marmaris hatte das Feuer aber wohl einen banalen Hintergrund: Türkische Medien berichteten, zwei Zehnjährige hätten Bücher verbrannt. Die Kinder hätten zu Protokoll gegeben: «Die Flammen sind größer geworden. Wir haben Colaflaschen mit Wasser gefüllt und versucht, sie zu löschen - sie gingen nicht aus. Dann sind wir weggelaufen.» In Bodrum wiederum wurden drei Menschen festgenommen, weil sie Zigarettenstummel aus dem Auto geworfen haben sollen.

Doch auch der Verdacht der Brandstiftung ist nicht ausgeräumt. Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte kürzlich, Verdächtige mit Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK seien festgenommen worden. Auch Medien befeuerten die Theorie, dass zumindest hinter einem Teil der Brände die PKK stecken könnte.

Beweise dafür gibt es bislang nicht. Zwar habe die PKK in der Vergangenheit auch Anschläge durch Brandstiftung verübt, sie reklamiere diese aber in der Regel für sich, sagt Berkay Mandiraci, Analyst für die International Crisis Group in der Türkei. Bevor keine glaubwürdigen Beweise oder Bekennerschreiben vorlägen, könne man nicht wissen, ob die PKK in irgendeiner Weise mitverantwortlich sei.

In Italien nahm die Polizei in den vergangenen Tagen ebenfalls immer wieder mutmaßliche Brandstifter fest. Teilweise wurden die Betreffenden den Beamten zufolge auf frischer Tat ertappt. Hinter vielen Bränden soll auch das organisierte Verbrechen stecken, die sogenannte Ecomafia. Die Verbrecher nutzen Brände auch als Druckmittel. Schon im Waldbrandjahr 2017 mutmaßten Medien, dass die Mafia Feuer legt, wenn Eigentümer sich den erpresserischen Forderungen der Mafiosi nicht beugten - oder aber, um alle Arten von Müll zu vernichten.

Für Haus- und Grundbesitzer kann ein Brand in Italien langjährige Folgen haben. Per Gesetz darf eine verbrannte Wald- oder Weidefläche für 15 Jahre nicht neu ausgewiesen werden. Wohnhäuser oder Gewerbegebäude dürfen für zehn Jahre nicht errichtet werden. Das soll Boden- und Immobilien-Spekulanten Einhalt gebieten.

Den Umweltaktivisten von Legambiente zufolge verbrannte im Jahr 2020 in Italien rund 18 Prozent mehr Fläche als 2019. Über 550 Menschen wurden wegen Brandstiftung und Fahrlässigkeit angezeigt - ein Viertel mehr als im Jahr davor. Mehr als 80 Prozent der verbrannten Flächen lagen auf Sizilien und in den süditalienischen Regionen Kampanien, Kalabrien und Apulien. Dort herrschen auch Mafiaorganisationen wie die 'Ndrangheta, Cosa Nostra und Camorra.

Unabhängig von den eigentlichen Brandursache aber sind sich die Experten und auch immer mehr Bürger in Südeuropa einig: Durch die Klimakrise, durch lang anhaltenden Hitzewellen und extreme Dürreperioden breiten sich die Brände immer unbarmherziger aus.

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