Wahl eines Präsidenten scheitert zum fünften Mal

Abgeordnete nehmen an einer Parlamentssitzung im Parlamentsgebäude in Beirut teil, in der ein neuer Präsident des Libanon gewählt werden soll. Foto: epa/Wael Hamzeh
Abgeordnete nehmen an einer Parlamentssitzung im Parlamentsgebäude in Beirut teil, in der ein neuer Präsident des Libanon gewählt werden soll. Foto: epa/Wael Hamzeh

BEIRUT: Im ohnehin krisengeschüttelten Libanon ist die Wahl eines Präsidenten zum fünften Mal gescheitert. Damit steckt das Land weiterhin in einem politischen Vakuum fest, das noch Monate andauern könnte. Bei einer Abstimmung im Parlament erhielt am Donnerstag kein Kandidat die erforderliche Mehrheit. Fast 50 der anwesenden 108 Abgeordneten gaben leere Stimmzettel ab. Zu einem zweiten Wahlgang kam es nicht, weil nicht mehr genug Parlamentarier anwesend waren. Einen neuen Versuch will das Parlament in einer Woche unternehmen.

Das Land am Mittelmeer leidet seit mehr als drei Jahren unter der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Verschärft wurde sie durch die Corona-Pandemie und die verheerende Explosion im Hafen von Beirut im August 2020. Drei Viertel der Bevölkerung leben in Armut. Die Währung hat mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren. Die Inflation liegt bei 150 Prozent. Wegen der schlechten Infrastruktur müssen viele Libanesen viele Stunden am Tag ohne Strom leben.

Der bisherige Präsident Michel Aoun war Ende Oktober nach dem Ende seiner Wahlperiode planmäßig aus dem Amt ausgeschieden. Die Regierung von Regierungschef Nadschib Mikati ist seit der Parlamentswahl im Mai nur noch geschäftsführend im Amt und deswegen nur eingeschränkt handlungsfähig. Die Bildung einer neuen Regierung ist bislang an Machtkämpfen innerhalb der politischen Elite des Landes gescheitert.

Im multikonfessionellen Libanon ist die Macht seit Jahrzehnten nach einem Proporz-System aufgeteilt. Der Präsident ist immer ein Christ, der Regierungschef ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit. Eine besonders einflussreiche Rolle spielt die mit dem Iran verbündete schiitische Hisbollah, die über eine eigene Miliz verfügt.

Schon vor der Wahl Aouns hatte der Libanon zweieinhalb Jahre keinen Präsident gehabt. Bevor der Ex-General im Oktober 2016 die erforderliche Mehrheit erhielt, waren 45 Anläufe gescheitert, weil sich die Parteien nicht auf einen Kandidaten einigen konnten.

Viele Libanesen sehen in der politischen Elite eine korrupte «Regierungsmafia», die sich selbst bereichert. Wichtige Reformen zur Linderung der Krise ist die Regierung bislang schuldig geblieben.

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