Italien wählt am Sonntag ein neues Parlament

Rechts-Allianz vor klarem Sieg

Der Generalsekretär der italienischen Partei Lega Nord Matteo Salvini (R) und die Vorsitzende der italienischen Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) Giorgia Meloni. Foto: epa/Giuseppe Lami
Der Generalsekretär der italienischen Partei Lega Nord Matteo Salvini (R) und die Vorsitzende der italienischen Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) Giorgia Meloni. Foto: epa/Giuseppe Lami

ROM: Nach einem kurzen und von heftigen, politischen Attacken bestimmten Wahlkampf wird in Italien am Sonntag gewählt. Einen Tag vor dem Urnengang halten sich nicht alle Parteien an den Kampagnenstopp. Für Diskussionen sorgen Aussagen von Berlusconi und von der Leyen.

Italien ist bereit für die Wahl eines neuen Parlaments. Bevor mehr als 51,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger an diesem Sonntag zur Stimmabgabe aufgerufen sind, wurde am Samstag in dem Mittelmeerland der Wahlkampf wie üblich und zum Teil vom Gesetz gefordert ausgesetzt. Daran hielten sich aber nicht alle Parteien.

Außerdem sorgten die Aussagen von Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi, dem eine Verharmlosung von Russlands Präsident Wladimir Putin vorgeworfen wird, und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen weiter für Aufsehen. Die deutsche Politikerin war am Donnerstag von einer Studentin gefragt worden, ob sie Sorgen habe vor einem Wahlsieg der Rechten und ehemaligen Putin-Freunde in Italien. Sie antwortete, sollten EU-Richtlinien verletzt werden, habe Brüssel «Werkzeuge».

Das empörte vor allem die Politiker der in Umfragen klar führenden Rechtsallianz, die beste Chancen auf die absolute Mehrheit der Parlamentssitze hat. Matteo Salvini, dessen Partei Lega ein kleiner Partner der Koalition ist, brachte einen Rücktritt von der Leyens ins Spiel. «War das Drohung, Erpressung, institutionelles Mobbing? Die Präsidentin muss sich entweder entschuldigen oder zurücktreten», sagte er der Zeitung «Corriere della Sera» (Samstag).

Der frühere Innenminister hatte noch am Freitagabend vor der Vertretung der EU-Kommission in Rom an einer spontanen Protestkundgebung teilgenommen. Dabei hielten Unterstützer Schilder mit Schriftzügen wie «Schande» und «Ursula out» in den Händen.

Giorgia Meloni, die als Parteichefin der rechtsnationalen Fratelli d'Italia die größte Einzelpartei des Rechtsblocks anführt und somit gute Chancen auf das Amt der künftigen Ministerpräsidentin hat, sagte in Richtung von der Leyen: «Ich rate zu Umsicht, wenn man an die Glaubwürdigkeit der Kommissare und der Kommission glaubt.» Ein Kommissionssprecher hatte am Freitag gesagt, dass «absolut klar» sei, dass von der Leyen nicht in Italiens Wahlkampf eingegriffen habe.

Als dritte wichtige Partei ist die Forza Italia von Berlusconi in dem Bündnis. Mit der Behauptung in einem TV-Interview, Putin sei zum Angriff auf die Ukraine gedrängt worden und habe in Kiew «anständige Leute» an die Regierung bringen wollen, sorgte der Parteigründer für einen Eklat. Später sagte er, dies sei aus dem Zusammenhang gerissen.

Der Sprecher des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Serhij Nikiforow, erinnerte im Gespräch mit der Zeitung «La Repubblica» an die vielen Verbrechen Putins in der Ukraine und in Syrien sowie dessen Drohung, Atomwaffen einzusetzen. «Der italienische Ex-Premier vertraut auf ihn und nennt ihn als Beispiel dafür, wer anständig ist und wer nicht?», fragte Nikiforow. «Es ist wichtig, dass die Bürger Kandidaten wählen, die die richtigen moralischen Prinzipien haben.»

Die rechten und linken sowie Zentrums-Parteien hatten sich in diesem kurzen Sommerwahlkampf - erstmals in der Geschichte der Republik findet eine Wahl im Herbst statt - hart attackiert. Laut Gesetz sind am Samstag vor dem Urnengang Wahlkundgebungen und -äußerungen verboten. Allerdings bezieht sich das Gesetz von 1956 nur auf Radio-, Fernseh- oder Zeitungsanzeigen. Im Internet und in den sozialen Medien sind Beiträge also erlaubt. Viele Parteien verzichten dennoch darauf - anders als die Lega, die auch am Samstag mit etlichen Twitter-Einträgen nochmal harte Angriffe gegen ihre Gegner fuhr.


Italiens Wahl-Favoritin Meloni: Schon als Teenager rechts

ROM: Im Juli 1992 beschloss Giorgia Meloni, politisch aktiv zu werden. Sie klopfte im Alter von 15 Jahren in Rom an die Tür einer Jugendorganisation des «Movimento Sociale Italiano» (MSI), jener Partei, die Faschisten nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet hatten. Fast genau 30 Jahre später ist Meloni dabei, die extreme Rechte und den Nationalismus in Italien an die Spitze der Regierung zu bringen. In drei Jahrzehnten hat sich die gebürtige Römerin an allen Männern vorbei gekämpft und ist zum Gesicht der Rechten in Italien geworden.

Warum gerade die Erben der Faschisten die am 15. Januar 1977 geborene Giorgia überzeugten, ist nicht ganz klar. Meloni spricht von einer Instinktentscheidung. Dass die Wahl mit dem kommunistischen Vater zusammenhing, der die Familie früh verließ, will sie so nicht bestätigen. Giorgia und Schwester Arianna wurden im Arbeiterviertel Garbatella in Rom von der Mutter und den Großeltern aufgezogen.

Die Partei wurde ihre zweite Familie, Meloni kandidierte früh für politische Ämter. Der MSI wurde in Alleanza Nazionale (AN) umbenannt und 1994 erstmals in die Regierung geholt. Parteichef Gianfranco Fini distanzierte sich 2003 vom Faschismus und bezeichnete diesen als das «absolut Böse». So eine klare Aussage zu den Wurzeln ihrer Partei vermeidet Meloni bis heute. Sie brach mit ihrem Förderer.

2006 wurde Meloni ins Parlament gewählt und zwei Jahre später die jüngste Ministerin (Jugend und Sport) der Geschichte Italiens. 2012 gründete sie Fratelli d'Italia, die nach einem enormen Zulauf in den vergangenen Monaten im Herbst 2022 stärkste Einzelpartei werden kann.

Meloni steht für klar rechte Standpunkte: Sie will Migranten - vor allem aus Afrika - abwehren und Italien als Nationalstaat innerhalb der EU stärken. Sie will hart gegen Kriminalität vorgehen und neue Gefängnisse bauen. Ihre Maxime ist «Gott, Vaterland, Familie». Meloni hat seit 2016 eine Tochter (Ginevra), ist mit deren Vater aber nicht verheiratet. Sie ist gegen das Recht homosexueller Paare, Kinder zu adoptieren. Sie ist gegen Abtreibung - in ihrer Biografie schreibt Meloni, selbst fast von der Mutter abgetrieben worden zu sein.


Berlusconi mit Aufreger kurz vor Wahl: Putin wurde zu Krieg gedrängt

ROM: Italiens früherer Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat kurz vor der Parlamentswahl mit einer Aussage über Wladimir Putin für Aufsehen gesorgt. Der 85-Jährige behauptete in einem TV-Interview am Donnerstagabend, der Kremlchef sei zum Einmarsch in die Ukraine gedrängt worden. «Putin wurde von der russischen Bevölkerung, von einer Partei, von seinen Ministern gedrängt, sich diese Spezialoperation auszudenken», sagte Berlusconi im Sender Rai.

Berlusconi ist ein Freund des russischen Präsidenten und zögerte nach Kriegsausbruch lange, die Invasion zu verurteilen. Nun sagte er: «Putin ist in eine wirklich schwierige und dramatische Situation gerutscht.» Er benutze diesen Ausdruck bewusst, weil Putin von Vertretern der zwei selbst ernannten Republiken im Donbass im Februar aufgefordert worden sei, einzuschreiten. Diese hätten Putin überredet mit der Behauptung, die Ukraine greife die Gebiete immer heftiger an.

Des Weiteren sagte der Parteichef von Forza Italia, der als kleinerer Partner einer Rechts-Koalition beste Chancen auf einen Wahlsieg am Sonntag hat, Putin habe die Regierung in Kiew von Wolodymyr Selenskyj austauschen wollen «mit einer Regierung von anständigen Leuten».

Die Aussagen des Medienunternehmers, der neben seiner Politik durch Skandale aufgefallen war, alarmieren all jene, die eine Zuwendung Italiens an Russland nach der Wahl fürchten. Neben Berlusconi ist auch Matteo Salvini Teil des Rechtsblocks - der Lega-Chef war jahrelange Fan Putins und kritisiert die Sanktionen des Westens gegen Moskau.

«Wirklich tragisch» nannte Zentrums-Spitzenkandidat Carlo Calenda den Auftritt Berlusconis und nannte den Forza-Italia-Gründer «irgendetwas zwischen Pressesprecher Putins und Militärberater». Der frühere Ministerpräsident Enrico Letta von den Sozialdemokraten twitterte am Freitag: «Es gibt keine Worte, um das zu kommentieren.»

Am Donnerstag hatte die russische Botschaft in Rom mit einem Beitrag bei Facebook provoziert, in dem sie Fotos italienischer Politiker bei deren Treffen mit Putin aus den vergangenen Jahren veröffentlichte. Darunter waren Berlusconi und Salvini, aber auch andere Wahlkämpfer wie Letta, Giuseppe Conte, Matteo Renzi oder Luigi Di Maio und sogar Staatspräsident Sergio Mattarella und Vorgänger Giorgio Napolitano. «Aus der jüngeren Geschichte der russisch-italienischen Beziehungen», stand daneben. «An einige müssen wir uns erinnern.»

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OTTO ULLMANN 24.09.22 17:40
Wahlsonntag Italien
VdL soll doch mal die Italienischen Geschichtsbücher studieren und lesen, wie das Italienische Volk den Faschismus beendet hat.