Vor die Wand gefahren

Vor die Wand gefahren
Vor die Wand gefahren

Fast jeder, der 30 Jahre oder mehr in der Tretmühle des täglichen Berufs gestanden hat, wird mal davon träumen, auszusteigen und ein Faulenzerleben unter Palmen führen zu können. Wenn er nun - zwar noch nicht im Rentenalter, aber doch schon zehn oder fünf Jahre davor stehend - in Pattaya oder Phuket einen Schatz kennenlernt, der nur davon träumt, einen Farang zu finden, der ihm im Isaan ein Haus baut, in dem er nicht nur mit seinem Farang wohnen, sondern auch noch seine ganze Familie in der Nähe haben kann, dann wird er sich ernsthaft überlegen, wie er diesen Traum realisieren kann. Er bezieht zwar noch keine Rente, rechnet sich aber aus, dass er, wenn er alles, was er in Deutschland besitzt, vom Eigenheim über sein Auto bis hin zu einer evt. auch noch bestehenden Lebensversicherung zu Geld macht, in Thailand als Bahtmillionär ein schönes Leben führen kann.

Er verkauft also alles, was er besitzt, holt sein Geld von der Bank ab, packt es in den Koffer und zahlt es in Thailand auf einer Bank ein. Als erstes muss nun mal ein Haus gebaut werden, und zwar nicht eine Thaihütte, wie sie die Familie besitzt, sondern ein Faranghaus mit doppelten Wänden, einer Klimaanlage sowie Farangküche und Farangtoilette. Das Grundstück wird gekauft (auf den Namen der Frau natürlich), und der Hausbau wird begonnen. Der Farang wird bald merken, dass Thaihandwerker keine deutschen Handwerker sind und sich sehr zusammennehmen müssen, um nicht beim Hausbau einen Herzinfarkt oder einen Nervenschaden zu erleiden. Vor allem wird aber das Haus mindestens doppelt so teuer werden, als er es bei seinem ersten Kostenanschlag vorhergesehen hat.

Aber eines Tages ist das Haus fertig und auch eingerichtet, und er meint nun, tagsüber Bier-Chang trinkend in der Hängematte faulenzen und nachts seiner jungen Frau Sex haben zu können, bis er den Löffel abgeben muss. Das mitgebrachte Geld ist zwar zum grössten Teil für den Kauf des Grundstücks und den Bau des Hauses draufgegangen, aber er meint, mit dem Rest bis zum Beginn der Rentenzahlung über die Runden zu kommen, denn die Thais kommen ja auch mit ein paar tausend Baht im Monat zurecht. Er hat dabei nur einige Dinge nicht ins Kalkül gezogen.

Zum Ersten ist das Leben für die Thais nur deswegen so billig, weil sie eben wie Thais leben. Der Farang will aber nicht von Nudelsuppe, Somtam und gelegentlich gebratenen Ratten leben, sondern auf ein Mindestmass an Komfort nicht verzichten. Das geht vom gelegentlichen Abstecher nach Pattaya bis zum Kauf von Toilettenpapier. Geld zur Finanzierung eines angemessenen Lebensunterhalts zu verdienen, ist aber - zumindest auf dem flachen Land - für den Farang praktisch unmöglich.

Vor allem aber erwarten die Familie und die Nachbarschaft, die staunend vor der Prachtvilla gestanden haben, dass es nun mit dem Geldausgeben so weiter geht. Keiner kann verstehen, dass ein vernünftiger Mensch sein ganzes Geld für eine so unnütze Sache wie ein Faranghaus ausgeben kann. Der Farang muss also nach Thai-Begriffen stinkreich sein, so dass ihm weitere Anschaffungen wohl nicht schwerfallen werden. Es soll nun ein Pickup her, die Frau will einen kleinen Laden aufmachen und braucht ein paar Goldketten zum Vorzeigen, und der Nachbar will ihm ein Grundstück billig verkaufen. Wenn der Farang, der ja seine finanziellen Möglichkeiten kennt, nun bei allen Wünschen seiner Frau und der Familie "mai tschai”, also "nein” sagt, dann wird es bald zu Reibereien kommen, er wird als Geizhals, und was noch viel schlimmer ist, als Farang ohne Geld verschrien sein. Die ständigen Streitereien ums Geld können den erhofften Ruhestand und das harmonische Eheleben bald zur Illusion werden lassen.

Wer Thailand nur von Pattaya kennt, wo sich die Thais stark westlichen Verhältnissen angepasst haben und seine Frau an einer Bar kennengelernt hat, der unterliegt leicht der Illusion, auch das Denken und Handeln der Menschen, das politische- und das Rechtssystem in Thailand müsste dem entsprechen, was wir in Deutschland als selbstverständlich ansehen. Thailand ist aber nach wie vor ein exotisches, das heisst wörtlich andersartiges, fremdes Land. Das betrifft nicht nur das Wetter, die Kokospalmen und die braunhäutigen Mädchen, sondern auch die Regeln des Zusammenlebens, die Wertordnung und nicht zuletzt die Rechtspraxis. Wer sich entschliesst, für längere Zeit oder gar für immer in diesem Land zu leben, der muss sich mit vielen Dingen abfinden, die eben keine Rosinen im Kuchen Thailand, sondern eher schon bittere Mandeln sind. Die Frage kann dabei nicht sein, ob er dies akzeptiert oder nicht, sondern ob er bereit ist, sich darauf einzustellen.

Es ist aussichtslos für den Farang, hier auf dem Land, wohin er mit seiner Thai-Frau oder Freundin gezogen ist, die gesellschaftlichen Spielregeln zu erwarten, die er von zu Hause gewohnt ist. Er ist aus freien Stücken in ein Land gezogen, in dem ganz andere Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens gelten, von der Korruption, ohne die hier nichts läuft, bis zum Justizsystem und der Art, wie hier Demokratie verwirklicht wird.

Wer meint, er könne nach Thailand auswandern, weil dort das Leben billiger, das Wetter angenehmer und die jungen Mädchen nicht nur hübscher, sondern auch williger sind als ihre Altersgenossinnen in Deutschland, dann aber erwartet, er könne alles, was er von Kindheit an gewohnt ist, wie logisches Handeln, Rechtssicherheit und soziales Netz mitnehmen, der liegt schwer daneben. Hinzu kommt, dass die Thais ihn zwar als zahlenden Gast gerne sehen und in der Regel - zumindest auf dem Lande - ihm auch gastfreundlich Entgegenkommen. Er bleibt für sie immer, selbst im engsten Familienkreise, ein Exote. Thais denken anders, fühlen anders und handeln anders als wir Farang, und zwar auf allen Ebenen. Vor allem ist jeder Versuch zwecklos, seiner Frau Farang-Denk- und Verhaltensweisen beizubringen.

Wenn es dann irgendwann mal zum grossen Krach kommt, und der Farang will sich von Frau und Familie trennen, dann wird ihm nun plötzlich bewusst, dass er ausser Hose und T-Shirt nichts mehr viel besitzt, weil alles auf den Namen seiner Thaifrau angeschafft wurde. Wer meint, dass er sich im Falle einer Trennung mit einem 30-jährigen Mietvertrag zumindest das Wohnrecht in dem von ihm im Isaan erbauten Haus gesichert hat, wird im Falle eines Falles bald merken, dass das eine Illusion ist. Wer kann es auf die Dauer in einem Haus aushalten, wenn ihm die Exfrau und ihre liebe Verwandtschaft - also im Regelfall das halbe Dorf - mit einer Unzahl möglicher Schikanen, bis hin zur Morddrohung, das Leben verleiden?

Für so manchen Farang, der den Wunsch hatte, im Land seiner Träume zu leben, ist so der Traum nach einiger Zeit zum Albtraum geworden. Er ist dann geneigt, alles, was ihm den Aufenthalt in diesem Land verleidet, den bösen Thais zuzuschreiben und will nicht sehen oder zugeben, dass er mit völlig falschen Vorstellungen in dieses Land gekommen ist.

Die meisten dieser Traumtänzer sind dann aber nicht bereit, sich selbst einzugestehen, dass sie den Wagen mit ihrem Traum vom paradiesischen Leben in Thailand selbst gegen die Wand gefahren haben, weil sie die mit dem Wechsel in ein Land mit völlig anderer Lebensweise und Denkungsart verbundenen Konsequenzen nicht bedacht haben. Ihnen bleibt, wenn sie sich nun über ihre Situation ehrlich Rechenschaft geben und sich selbst nichts vormachen, nichts anderes übrig, als entweder ihre Zelte hier abzubrechen, oder in den sauren Apfel zu beissen und sich auf die anderen Moralvorstellungen und die den Thais eigene Logik einzustellen. Natürlich können sie sich am Steintisch, in Leserbriefen und in Internet-Foren lauthals über die betrügerischen Manipulationen der Thaifrau und ihrer Familie beschweren. Das dient dann aber lediglich dem seelischen Stuhlgang und ändert nichts an ihrer Situation.

Günther Ruffert Neues von Günther Ruffert Ich lebe seit über 20 Jahren in Thailand, davon fast 15 Jahre in einem typischen kleinen Isaan-Dorf. Natürlich hängt der Standpunkt, den man bei der Beschreibung von Land und Leuten einnimmt, von den persönlichen Verhältnissen ab. Ich erhebe deshalb keineswegs den Anspruch, eine objektive Beschreibung der Sitten und Gebräuche in diesem Land zu Papier zu bringen.

In den Jahren hat sich vieles verändert, auch meine Meinung zu dem, was um mich herum passiert. Ich finde aber, dass gerade in den Dörfern im Isaan die meisten Veränderungen nur oberflächlich sind. Wenn man ein bisschen daran kratzt, kommt schnell das alte Thailand zum Vorschein.

Für den Farang ist es schwierig, das Denken und Handeln der Thai zu verstehen, genauso wie es für den Thai schwierig ist, das Denken und Handeln der Farang zu verstehen. Vor allem bei den Farang, die das Land noch nicht gut kennen, können meine Geschichten vielleicht zum besseren Verständnis all dessen beitragen, was ihnen in Thailand zunächst unverständlich erscheint. Und sie können helfen, Stolpersteine zu vermeiden.

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