Von roten Gurken und Göttinnen: Ferrari zum 1000. Mal in der Formel 1

Von roten Gurken und Göttinnen: Ferrari zum 1000. Mal in der Formel 1

MUGELLO: Kein anderes Team hat so viele Formel-1-Läufe bestritten wie Ferrari. Tragödien und Triumphe machten die Italiener zu dem, was sie sind: der berühmteste Rennstall des Planeten.

Ohne einen Tropfen Blut von Enzo Ferrari im Lack ging es nicht. Erst dieser soll den legendären Sportwagen einst ihre so typische rote Farbe beschert haben, besagt eine der unzähligen Legenden um den berühmtesten Rennstall der Welt. Die Scuderia mit heldenhaften Fahrern wie Michael Schumacher, Niki Lauda, Alberto Ascari oder Juan Manuel Fangio ist ein Mythos und gehört längst zum italienischen Nationalheiligtum. Ein ganzes Land fiebert mit, wenn es in der Formel 1 um den Sieg geht - am Sonntag (15.10 Uhr/Sky und RTL) auf der hauseigenen Strecke in Mugello schon zum 1000. Mal.

Nur zu gerne würden die Italiener pünktlich zum Jubiläum endlich auch mal wieder die Kirchenglocken von Maranello läuten hören. Das passiert jedes Mal, wenn ein Roter Rennen gewinnt. Seit dem Sieg von Sebastian Vettel im September 2019 in Singapur dauert die Leidenszeit nun schon. Viel deutet daraufhin, dass sie so schnell nicht vorbei ist. Zu schlecht, zu unterlegen ist der aktuelle SF1000 von Vettel und Charles Leclerc in diesem Jahr. Drei Tage lang hatte Pfarrer Alberto Bernardoni die Glocken einst erklingen lassen, nachdem Michael Schumacher 2000 seinen ersten Ferrari-Titel einfuhr.

Es sind Erinnerungen an längst vergangene Zeiten. Schumacher half dabei, aus der «roten Gurke» eine «rote Göttin» zu machen. Mit dem Kerpener schaffte Ferrari die Rückkehr nach ganz oben, fünf seiner sieben Weltmeisterschaften gewann er im Auto der Italiener. Den Grundstein dafür legte der Rekordweltmeister in Mugello mit tausenden Testkilometern und akribischer Arbeit am zuvor so schwachen Wagen.

Das erlebte Enzo Ferrari nicht mehr. Bis zu seinem Tod im Alter von 90 Jahren führte «il Drago» (der Drache) die Firma. Als eigensinniger Patriarch wurde er bezeichnet, der aus seinem abgedunkelten Büro in Maranello einen Weltkonzern aufbaute. Ferrari wurde 1947 von dem ehemaligen Rennfahrer gegründet und gehört heute zum Automobilkonzern Fiat Chrysler Automobile. 1957 wurden gerade 100 Autos pro Jahr hergestellt, 2019 waren es knapp über 10.000 Luxuswagen.

Die Autos für die Öffentlichkeit waren für Enzo Ferrari nur ein Mittel zum Zweck, schon früh interessierte sich der wenig umgängliche Boss nur für den Rennsport. Und so ist die Scuderia seit der ersten Saison in der Königsklasse des Motorsports 1950 als einziges Team ohne Pause dabei, wenn auch nicht in allen Rennen. 1951 gab es den ersten Sieg, Ascari holte 1952 und 1953 die WM-Titel. Insgesamt gab es 238 Grand-Prix-Erfolge, Schumacher fuhr die meisten Rennen (180).

Ferraris Hochzeit gab es unter dem Deutschen, der später Ehrenbürger am Ferrari-Firmensitz in Maranello wurde. Nur Kimi Räikkönen schaffte es 2007 noch mal nach ganz oben. Weder Fernando Alonso noch Sebastian Vettel, die beide als Weltmeister kamen, schafften es, das mit Ferrari zu wiederholen. Überhaupt: Nur sechs Weltmeisterschaften, davon fünf durch Schumacher, seit 1979 sind eine ernüchternde Bilanz für das Team, das bis Mitte der 1960er Jahre deutlich erfolgreicher war. Zum Vergleich: Der aktuelle Branchenprimus Mercedes holte allein in den vergangenen sechs Jahren alle Fahrer- und Konstrukteurstitel.

«Ferrari hat eine außergewöhnliche, eine wunderbare Geschichte geschrieben voller Tradition. Und auch die schwierigen Zeiten, in denen der Erfolg nicht mit uns ist, die voller Niederlagen sind, können an dieser glorreichen Geschichte nichts ändern», sagte der ehemalige Ferrari-Boss Luca di Montezemolo im Interview von RTL.

Auch Tragödien gab es reichlich. Wie die Feuer-Katastrophe mit Niki Lauda 1976 auf dem Nürburgring oder den tragischen Unfall-Tod des Kanadiers Gilles Villeneuve 1982 im belgischen Zolder. Er starb als letzter von insgesamt fünf Fahrern im Ferrari, auch der Deutsche Wolfgang Graf Berghe von Trips ließ 1961 in Monza sein Leben.

Nach dem Tod von Enzo Ferrari kehrte in den neunziger Jahren erst mit Jean Todt Ruhe ein. Der Franzose, mittlerweile Präsident des Automobil-Weltverbandes Fia, holte unter anderem Ross Brawn und 1996 auch Schumacher zu Ferrari. An diese goldene Zeit erinnern sie sich in Italien bis heute sehnsüchtig zurück, deswegen wird auch vor dem Großen Preis der Toskana am Sonntag (15.10 Uhr/RTL und Sky) daran gedacht: Mick Schumacher wird vor dem Rennstart in den legendären Ferrari F2004 seines Vaters steigen und eine Runde drehen.

«Ich kann den Sonntag in Mugello kaum erwarten!», twitterte der 21-Jährige. Als Mitglied der Ferrari-Nachwuchsakademie tut der Youngster gerade alles dafür, es auch in die Königsklasse des Motorsports zu schaffen. Am liebsten natürlich in einen Ferrari.

Diesen abgeben muss am Jahresende Sebastian Vettel. Auch im sechsten Anlauf wird der Heppenheimer nicht den Titel einfahren. Unsanft wurde er vor die Tür gesetzt und schließt sich ab 2021 Aston Martin an. «Ich sehe es als Ehre, beim 1000. WM-Lauf von Ferrari antreten zu dürfen», sagte Vettel trotzdem. In Erinnerungen an die ersten Wagen bekommt sein Dienstfahrzeug an diesem Wochenende eine traditionelle weinrote Lackierung. Auch die Rennanzüge werden anders aussehen, zudem soll in Mugello viel an die goldenen Zeiten erinnert werden.

Was bleibt, ist die Hoffnung auf Besserung. «Die Formel 1 wäre nicht dasselbe ohne Ferrari», sagte Weltmeister Lewis Hamilton, der in seinem Mercedes gerade in einer eigenen Liga fährt: «Ich hoffe, dass wir sie irgendwann ganz vorne wieder dabei haben.»

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