FRANKFURT/MAIN/WIEN: Bei den US Open 2020 verewigt sich Thiem als Grand-Slam-Champion - und nicht Zverev. Doch der Titel ist für ihn nicht nur ein Segen. Nun kommt es zu einer Neuauflage - aus besonderem Anlass.
Alexander Zverevs Karriere hätte einen anderen Dreh nehmen können. Wenn, ja wenn, da nicht in diesem prickelnden und bizarren Endspiel der US Open am Ende der Wendungen doch sein Tennis-Kumpel Dominic Thiem triumphiert hätte. An einem denkwürdigen 13. September 2020 war es der Niederösterreicher, der Zverev den New-York-Coup vermasselte. Thiem selbst war am Glanzpunkt seiner Tennis-Laufbahn, in dessen Nähe er anschließend nie wieder kam. Gut vier Jahre später hört er auf. Mit (nur) 31 Jahren.
Ab Freitag ist der Grand-Slam-Sieger noch Teilnehmer eines Showevents in Frankfurt am Main, des Ultimate Tennis Showdowns. In Wien wird Thiem am Sonntag (19.00 Uhr) in einem Showsatz gegen Zverev die Erinnerungen an das Endspiel der US Open aufleben lassen. Anschließend tritt er beim Wiener ATP-Turnier an. Verliert er, soll sein Abschied vom Tennis endgültig sein. «Man wird sich an ihn erinnern», sagte Superstar Novak Djokovic.
Das Loch nach dem großen Triumph von New York
In Erinnerung behalten wird man Thiem nicht nur als den US-Open-Gewinner von 2020, sondern auch als den French-Open-Finalisten 2018 und 2019. Man kann sich an einen Tennisprofi zurückerinnern, der zwischenzeitlich als möglicher Sandplatz-Nachfolger für Ausnahmekünstler Rafael Nadal gehandelt wurde. Jetzt macht er einen Monat vor dem Spanier (38) Schluss. Die neue Generation mit den Anführern Jannik Sinner und Carlos Alcaraz ist mit ihrer Extraklasse längst an ihm vorbeigezogen.
Sein bestes Jahr spielte Thiem 2020. Er stand zu Beginn des Jahres dicht vor einem Australian-Open-Endspiel-Coup über Melbourne-Dominator Djokovic. Er war die Nummer drei der Welt - und kann mit Fug und Recht für sich sagen: «2020 steht über allem und auch über allem anderen in meiner Tenniskarriere.»
Es war aber auch für ihn der Punkt, nachdem es nicht mehr besser wurde. New York war sein viertes und letztes Grand-Slam-Endspiel. Einige Monate später fiel er in der Corona-Zeit in ein mentales Loch. «Wenn man sein ganzes Leben seinem ganz großen Ziel hinterherläuft, ihm alles unterordnet und es dann erreicht, ist es eine Weile nicht mehr so, wie es vorher war», erklärte er einmal.
In die frühe Tennis-Rente verabschiedet er sich insbesondere wegen der langwierigen Handgelenksverletzung, die er sich 2021 zuzog. «Ich habe das Gefühl, dass die Verletzung passierte, als ich in einem sehr guten mentalen Zustand zurückkam. Dann ist das Gefühl, vor allem auf der Vorhand, nicht mehr so zurückgekommen wie vorher», erklärte Thiem. Für den Kopf war das schwierig. «Dadurch hatte ich natürlich auch mental sehr zu kämpfen, denn es war sehr schwer, das zu akzeptieren.»
Zverev lag mit zwei Sätzen und Break vorn
Der Österreicher musste lange pausieren, verlor häufig und erreichte nie wieder sein Weltklasseniveau. Schon lange steht Thiem nicht mehr in den Top Ten der Weltrangliste. Vier Jahre nach dem Erfolg über Zverev ist er weit auf Platz 289 zurückgefallen.
«Es ist wirklich bedauerlich, dass ein Spieler seines Kalibers, der jahrelang ein Top-3- oder Top-5-Spieler war, eine Handgelenksverletzung erleiden musste, die ihm wirklich zu schaffen machte», sagte Djokovic: «Er war danach nicht mehr derselbe Spieler.»
In dem Endspiel der US Open vor vier Jahren führte Zverev bereits mit 6:2, 6:4, 1:0 nach einem Break im dritten Satz. Thiem gelang zunächst nichts, wenig später aber der Satzausgleich. Im fünften Satz kulminierte die Dramatik. Zverev führte 5:3, schlug zum Titelgewinn auf. Doch er scheiterte. Erst der Tiebreak brachte die Entscheidung. Zverev musste nach einem Auf und Ab der Emotionen seinem Tennis-Kumpel gratulieren. Und jagt den ersten Grand-Slam-Titel noch immer.
Als einer der erfolgreichsten Tennisspieler Österreichs wird Thiem in die Geschichte eingehen. Er werde auch «sehr froh und erleichtert» sein, wenn es vorbei ist, meinte er. «Ich fühle mich so eh jung, aber das Handgelenk ist, glaube ich, circa siebzig Jahre alt, nicht 31.»