Neustart von Friedensprozess für Syrien geplant

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (2-r), die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (l), der französische Präsident Emmanuel Macron (r) und der russische Präsident Wladimir Putin (2-l). Foto: epa/Tolga Bozoglu
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (2-r), die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (l), der französische Präsident Emmanuel Macron (r) und der russische Präsident Wladimir Putin (2-l). Foto: epa/Tolga Bozoglu

ISTANBUL (dpa) - Seit mehr als sieben Jahren herrscht in Syrien Bürgerkrieg. Die Türkei, Russland, Frankreich und Deutschland wollen dem politischen Prozess wieder Leben einhauchen. Zum Ende halten die vier Staats- und Regierungschefs sogar Händchen.

Der Vierer-Gipfel in Istanbul hat sich auf eine Wiederbelebung des Friedensprozesses in Syrien bis Jahresende geeinigt. Das ging aus Stellungnahmen der Staats- und Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich, Russland und der Türkei zum Ende des Treffens in Istanbul hervor. Der politische Prozess in Syrien steht seit langem still, alle bisherigen Friedensgespräche unter Leitung der UN sind gescheitert.

Besonderen Wert legen sie darauf, bis Ende 2018 ein lange diskutiertes Verfassungskomitee für Syrien ins Leben zu rufen. Die Türkei, Russland, Frankreich und Deutschland hätten sich dazu verpflichtet, Anstrengungen zu unternehmen, damit bis dahin ein erstes Treffen stattfinde, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Samstag nach dem Vierer-Syrien-Gipfel in Istanbul. Ein solcher Schritt sei wichtig, um deutlich zu machen, dass sich der Syrien-Konflikt nicht militärisch lösen lasse.

Merkel hatte zuvor in einem mehrstündigen Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und Kreml-Chef Wladimir Putin über die Lage in Syrien beraten. Ein im vergangenen Januar beschlossenes Verfassungskomitee mit Vertretern von Regierung und Opposition ist bislang nicht gebildet worden. Die Führung in Damaskus beharrt auf dem Standpunkt, dass eine neue Verfassung eine innere Angelegenheit des Landes ist.

Der türkische Staatspräsident Erdogan lobte «wirklich produktive und aufrichtige Gespräche». Mit der Hilfe von Deutschland und Frankreich könne der sogenannte Astana-Prozess weiter ausgebaut werden. Er lud auch andere Länder dazu ein, mitzuhelfen. Der Syrien-Konflikt sei zum «globalen Problem» geworden, und der Grund sei das mangelnde Interesse der Weltöffentlichkeit.

Priorität der Gespräche sei gewesen, die Waffenruhe in der Region zu erhalten, sagte Erdogan. Er habe auch appelliert, dass bis Ende des Jahres ein Verfassungskomitee für Syrien gegründet werde. Er wiederholte die Drohung, dass die Türkei weder an türkischen Grenzen noch in Syrien Terrororganisationen dulden werde. Er bezog sich damit unter anderem auf mit den USA verbündete kurdische Milizen in Syrien.

Frankreichs Staatspräsident Macron unterstrich den gemeinsamen Willen zu einer politischen Lösung. «Eine dauerhafte Lösung gibt es nur bei einer politischen Lösung, die allen Syrern erlaubt, in ihrem Land zu leben», sagte Macron. Nötig seien dazu freie, transparente Wahlen unter internationaler Aufsicht. Die Vorbereitungen dazu müssten am Verhandlungstisch erarbeitet werden.

Man müsse klar sagen, dass es keine dauerhafte Rückkehr der geflohenen Syrer gebe, wenn kein politischer Prozess in Gang komme, sagte Macron. Eine Priorität des Treffens sei das Festhalten an der Waffenruhe in der Region gewesen. «Wir werden alle sehr wachsam sein, dass der Waffenstillstand von Dauer ist», sagte Macron. Dazu müsse Russland auch Druck auf Syrien ausüben. «Wir zählen auf Russland, damit es einen sehr deutlichen Druck auf das Regime ausübt, das ihm sein Überleben verdankt.» Zugleich betonte Macron, dass der Einsatz von Chemiewaffen inakzeptabel sei, egal von welcher Seite.

Bundeskanzlerin Merkel, Erdogan, Maron und Putin trafen sich am Bosporus zu bilateralen Gesprächen und einer gemeinsamen Runde. UN-Sondervermittler Staffan de Mistura unterrichtete die Spitzenpolitiker über die aktuelle Situation in Syrien. Die vier Staats- und Regierungschefs sprachen zugleich auch über andere Themen.

Merkel kam zunächst zu Einzelgesprächen mit Erdogan, Macron und Putin zusammen. Der türkische Präsident könnte ihr über den Stand der Ermittlungen zum Tod des Journalisten Jamal Khashoggi im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul berichtet haben. Auch mit Macron sprach Merkel in einem kurzfristig angesetzten Treffen über diesen Fall. Der französische Präsident hatte einen Stopp von Waffenexporten nach Saudi-Arabien am Freitag als «pure Demagogie» bezeichnet - und sich damit gegen Merkel positioniert.

Auch um das Urteil gegen Patrick K. wird es gegangen sein. Merkel hatte am Vortag angekündigt, mit Erdogan über den Fall sprechen zu wollen. Der 29-Jährige Gießener war am Vortag zu mehr als sechs Jahren Haft wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer Terrororganisation zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt worden. K. ist einer von fünf Deutschen, die weiterhin aus «politischen Gründen» in der Türkei in Haft sind. Die Fälle belasten die bilateralen Beziehungen schwer.

Erdogan forderte Respekt für das Urteil gegen Patrick K.. Während der Pressekonferenz sagte er auf eine entsprechende Frage: «Das Gericht hat ihn bestraft.» Er könne Berufung einlegen. «Wir müssen alle die Entscheidung der türkischen Justiz respektieren.»

In Merkels Gespräch mit Putin könnte es unter anderem auch um den Konflikt in der Ostukraine gegangen sein. Auch dieser Konflikt zwischen prorussischen Separatisten und Regierungstruppen ist festgefahren. Die Kanzlerin reist am Donnerstag in die ukrainische Hauptstadt Kiew.

Merkel nahm zum ersten Mal an einem Syrien-Gipfel teil. Deutschland hat lange Zeit kaum eine Rolle bei der Konfliktlösung gespielt, obwohl es das europäische Land ist, das mit Abstand die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat. Seit dem Frühjahr ist Deutschland Teil einer Verhandlungsgruppe westlicher und arabischer Staaten, zu der auch die USA, Großbritannien, Frankreich, Saudi-Arabien und Jordanien gehören.

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