Video tödlicher Polizeigewalt heizt Debatte über Rassismus an

WASHINGTON: Der Tod des Schwarzen Tyre Nichols nach einem Polizeieinsatz sorgt in den USA für Entrüstung. In mehreren Städten kam es zu Protesten. Die Tat befeuert die andauernde Debatte um Rassismus in den USA.

Nach der Veröffentlichung von Videos, die den brutalen Polizeieinsatz gegen den Schwarzen Tyre Nichols zeigen, ist die Diskussion um Rassismus in den Reihen der Polizei in den USA in vollem Gange. Auf den Bildern, die von sogenannten Körperkameras der beteiligten Beamten und einer Überwachungskamera gemacht wurden, ist zu sehen, wie die Polizisten immer wieder mit Fäusten und einem Schlagstock auf den 29-Jährigen einschlagen und ihm gegen den Kopf treten. Nichols ruft mehrfach nach seiner Mutter. Der Afroamerikaner starb drei Tage nach dem Einsatz an seinen Verletzungen. Die Polizei in Memphis löste am Samstag (Ortszeit) die Sondereinheit auf, die für Nichols' gewaltsamen Tod verantwortlich gemacht wird.

Die Beamten waren bereits am Mittwoch entlassen und wegen Mordes und anderer Straftaten angeklagt worden. Auch Präsident Joe Biden zeigte sich von den Videos schockiert. In Memphis und anderen Städten in den USA kam es direkt nach der Veröffentlichung der Videos zu überwiegend friedlichen Protesten gegen Polizeigewalt. Auch am Samstag gingen wieder Menschen im ganzen Land auf die Straße.

In Memphis blockierten Demonstranten am Freitag eine wichtige Fernverkehrsstraße. In Los Angeles war die Situation nach der Veröffentlichung des Videos angespannt, als rund 100 Menschen nach Informationen der «Los Angeles Times» vor dem Hauptquartier der Polizei der Stadt protestierten. Polizisten in Schutzausrüstung und mit Schlagstöcken stellten sich ihnen entgegen. In New York gingen hunderte Menschen auf die Straße. Insgesamt seien in der Ostküsten-Metropole drei Demonstranten festgenommen worden, berichtete der Sender NBC unter Berufung auf die Polizei.

In den Videos vom Abend des 7. Januar ist zu sehen, wie Nichols in der Großstadt Memphis von der Polizei in seinem Auto angehalten wird. Die Beamten - ebenfalls Schwarze - ziehen ihn aus dem Auto und drücken ihn zu Boden. Nichols bittet die Polizisten mehrmals, aufzuhören. Er sei auf dem Weg nach Hause. «Ich habe nichts getan.» Schließlich kann er sich losreißen und versucht, zu Fuß zu fliehen.

Nichols wird dann an einer anderen Straßenkreuzung von den Einsatzkräften gefasst. Mehrere Beamte halten Nichols fest, während ihn andere Polizisten brutal mit Fäusten und einem Schlagstock schlagen. Nichols stöhnt und jammert. Mehrmals ruft er laut nach seiner Mutter. Zwei Polizisten halten Nichols' Oberkörper hoch, während ihm ein dritter Beamter gegen den Kopf tritt. Danach schleifen sie den schwer verletzten Mann zu einem Einsatzfahrzeug und lehnen seinen Oberkörper gegen die Seite des Wagens.

Die Anwälte von Nichols' Familie bezeichneten das Vorgehen der Polizei als «rassistisch». Die Tatsache, dass die beteiligten Polizeibeamten selbst schwarz waren, tue dem keinen Abbruch, sagte ein Vorstandsmitglied der Bürgerrechtsbewegung Black Lives Matter. Jeder, der in einem System arbeite, das anti-schwarz sei und staatlich sanktionierte Gewalt anwende, mache sich der Aufrechterhaltung weißer Vorherrschaft mitschuldig. Sowohl weiße wie schwarze Polizisten legten ähnliche Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber schwarzen Menschen an den Tag, sagte Soziologieprofessor Rashawn Ray der britischen BBC. Die Beamten hätten Schande über ihre Familien und die schwarze Gemeinschaft gebracht, sagte die Mutter von Tyre Nichols dem Sender CNN.

In den USA kommt es immer wieder zu tödlicher Polizeigewalt. Die Opfer sind überproportional häufig schwarz. In der Vergangenheit lösten derart brutale Polizeieinsätze wiederholt heftige Proteste aus. So führte der Tod des Afroamerikaners George Floyd im Mai 2020 zu landesweiten Demonstrationen und teils gewaltsamen Ausschreitungen. Nichols' Fall wird auch oft mit dem Angriff auf Rodney King verglichen. King wurde 1991 in Los Angeles brutal von der Polizei verprügelt. Er überlebte schwer verletzt. Nach einer Erhebung der «Washington Post» sind in den vergangenen zwölf Monaten mehr als 1100 Menschen in den USA allein durch den Einsatz von Schusswaffen von der Polizei getötet worden.

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