Unter Trümmern geborenes «Wunderbaby» adoptiert

Nach dem starken Erdbeben kehren syrische Migranten in ihr Land zurück. Foto: epa/Erdem Sahin
Nach dem starken Erdbeben kehren syrische Migranten in ihr Land zurück. Foto: epa/Erdem Sahin

DAMASKUS: Das kleine Mädchen, das nach den heftigen Erdbeben in Syrien unter Trümmern geboren wurde, ist von seiner Tante und deren Mann adoptiert worden. «Sie wird wie eins meiner eigenen Kinder sein. Ich werde alles für sie tun», sagte der neue Adoptivvater, Chalil Sawadi, der dpa am Dienstag. Tante und Onkel hätten selber vier Töchter und zwei Söhne. Die Familie habe ihr Haus bei den verheerenden Beben verloren und wohne seit kurzem in einem Zelt.

«Ich wünsche ihr ein angenehmes Leben bei ihrer neuen Familie», sagte der Leiter der Klinik, in der Aja bis vor wenigen Tagen behandelt wurde. Der Abschied von dem Baby sei ihm schwer gefallen, so Chalid Attija. «Es hat mir das Herz gebrochen.» Das Kind sei inzwischen aber bei guter Gesundheit. Die zuständigen Behörden ließen Attijas Angaben zufolge einen DNA-Test machen, um nachzuweisen, dass die Tante tatsächlich mit der Kleinen verwandt ist. Die neuen Adoptiveltern hätten sie in Afraa umbenannt - so habe die verstorbene Mutter des Mädchens geheißen.

Ein entfernter Verwandter, der aus Sicherheitsgründen nicht namentlich genannt werden wollte, sieht in der Adoption jedoch kein Happy End. Der 34 Jahre alte Mann der Tante gehöre einer von der Türkei unterstützten Rebellengruppe an, die Afrin und die umliegenden Gebiete kontrolliere. Er habe deshalb das Vorrecht auf das Kind bekommen, das nach Einschätzung des Angehörigen besser bei seinem noch lebenden Großvater aufgehoben sei. Die Verwandtschaft sorge sich, dass die Adoptiveltern das Kind aus Eigennutz aufgenommen hätten. Die Geschichte des Mädchens hatte weltweit Anteilnahme erregt, viele Menschen boten an, für die Kleine zu spenden. Und über die privaten Hilfen würden möglicherweise am Ende diejenigen verfügen, die das Sorgerecht für das Kind haben, so die Sorge.

Die Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte hatten in der vergangenen Woche bereits gewarnt, von Ankara unterstützte Milizen, die Afrin und das Umland kontrollieren, hätten mehrfach versucht, das Mädchen aus der Klinik zu entführen. Demnach versprachen sich die bewaffneten Milizen Profit davon. Der Krankenhausleiter wollte sich auf Anfrage nicht zu den Entführungsversuchen äußern. Nach Angaben der Aktivisten soll er dabei selbst angegriffen worden sein.

Helfer hatten das verschüttete Baby, das noch mit der Nabelschnur mit seiner Mutter verbunden war, nach den schweren Erdbeben vor zwei Wochen gerettet. Vermutet wird, dass die Mutter kurz nach der Geburt unter den Trümmern starb. Auch der Vater und vier Geschwister kamen bei der Katastrophe ums Leben. Die Familie lebte in einem Ort nahe der türkischen Grenze. Das auch als «Wunderbaby» bezeichnete Kind kam unterkühlt und mit Staub bedeckt in Attijas Krankenhaus in Afrin.

Syrien ist nach Jahren des Bürgerkriegs zersplittert in Gebiete, die von verschiedenen Kräften kontrolliert werden. Den erbitterten Machtkämpfen der Milizen untereinander sowie mit der Regierung in Damaskus sind viele Syrer in ihrem Alltag ausgeliefert. Derzeit erschwert diese Zersplitterung etwa die Hilfslieferungen in die Erdbebengebiete enorm.

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